Release: 18.02.2022
Genre: Symphonic Metal
Spieldauer: 1 Stunde 6 Minuten 15 Sekunden
Label: Scarlet Records
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Tracklist:
- Attarghan
- From Enemy To Hero
- Way To Victory
- Retaliation
- First Taste Of Freedom
- Journey To Akhbar
- Queen’s Temptation
- Battle For Trust
- The Sound Of 10.000 Feet Marching
- Within The Sandstorm
- We Weren’t Meant To Be
- At The Empire’s Gate
- Eye To Eye Sword To Sword
- A New Era Has Come
- The Legend Lives On
Bei einer Straßenumfrage mit dem Titel „Welches Land der Welt hat die besten Symphonic Metal Bands?“ würden wohl sehr viele Metalheads reflexartig mit „Niederlande“ antworten. Kein Wunder, die ganz großen Kaliber (in Hamburg vor einem berühmten Discounter würde man „Pötte“ sagen) wie Epica, After Forever oder Within Temptation stammen alle aus dem Land, das für schmackhaften Käse, unzählige Windmühlen sowie seiner farbenfrohen Tulpen bekannt ist. Vielleicht wird sich das ja bald ändern, in Portugal nämlich hat sich eine Band formiert, die gerne ein großes Stück des Symphonic-Metal-Kuchen abhaben möchte, ihr Name Glasya. Ob es der Truppe rund um die Frontfrau Eduarda Soeiro mit ihrem Album Attarghan dies gelingt oder die Band sich mit den Krümeln zufriedengeben muss, klären wir jetzt.
Zunächst erstmal ein paar Basic-Fakten. Die Band Glasya hat sich im Jahre 2016 unserer Zeitrechnung formiert und ihr Debütalbum Heaven’s Demise 2019 veröffentlicht. Somit würde ich die Band, verglichen mit den Schwergewichten ihrer musikalischen Sparte, durchaus als Frischlinge bezeichnen. Zum Vergleich: Epica feiert dieses Jahr ihren 20. Geburtstag, Within Temptation hat schon 26 Zähler auf dem Bühnen-Buckel und die wohl bekannteste aller Symphonic Metal Bands Nightwish ist ebenfalls schon 26 Jahre im Geschäft. In dieser Zeit haben Epica, Nightwish und Within Temptation großartige Alben (man denke nur an Design Your Universe (Epica), Mother Earth (Within Temptation) oder Once (Nightwish) ) hervorgebracht und ihren Ruf als feste Größe in ihrer Zunft schon lange in Stein gemeißelt. Sicher werden nun manche Leute denken: „Das ist doch unfair, eine relativ neue Band gleich mit den Szenegrößen zu vergleichen“, aber das Leben ist ja bekanntlich kein Ponyhof. Bei der immer größer werdenden Zahl an Symphonic Metal Bands muss man halt mit Qualität von Anfang an punkten, um nicht unterzugehen.
Eines schonmal vorweg, bei Attarghan braucht niemand Angst haben, auf den Grund des Meeres zu versinken oder eine Umschulung zum U-Boot-Kapitän machen zu müssen – dafür hat Glasya eindeutig zu viel Qualität abgeliefert. Die Portugiesen haben nämlich gute Arbeit geleistet und uns mit ihrem neuen Werk ein wirklich klassisch klingendes, oberlastiges Symphonic Metal Album abgeliefert. Zusammengefasst lässt sich nämlich sagen, dass Attarghan auf kinoreife Klangtöne setzt, die man auch locker zum Untermalen einer Filmszene verwenden könnte. Es wird sehr viel klassischer Orchestersound aufgefahren, der mit für Heavy Metal typischen Attributen wie starken Gitarrenparts und Drums vermengt wurde. Dieser Sound wurde zusätzlich mit einer Portion „persisch-orientalischer Klang“ gewürzt, der je nachdem welchen der insgesamt 15 Tracks wir gerade hören, mal etwas kleiner und mal etwas größer ausfällt.
Kommen wir zu einem der wirklich großen Pluspunkte der uns in Attarghan erwartet, nämlich die wirklich volumenstarke Stimme von Frontfrau Eduarda Soeiro. Aus ihren Lippen kommt eine messerscharfe Stimme mit einer bombastischen Klanggewalt, die mich stellenweise an Tarja Turunen zu ihren besten Nightwish-Zeiten erinnert hat. Man merkt ihr sofort an, dass sie eine ausgebildete Sängerin ist. Auch der männliche Gesangspart braucht sich nicht zu verstecken, denn er klingt kräftig und dominant und ergänzt Eduarda Soeiro prima bei ihrem Stimmfeuerwerk.
Kommen wir nun zu dem Aufbau und der Struktur, die wir auf dem Album Attarghan vorfinden können. Das Album setzt bei seinen 15 Tracks sehr viel auf Storytelling. Dabei muss man bei den Tracks zwischen zwei Arten unterscheiden. Es gibt Tracks, die nur einzelne große oder kleine „Erzähl-Parts“ haben und sonst wie normale Songs mit Refrain, Liedtext usw. agieren und es gibt Tracks, die fast komplett nur dazu da sind, die Rahmenhandlung zu erzählen. Zu diesen Tracks würde ich zum Beispiel die Einleitung Attarghan und die Abschlusserzählung The Legend Lives On zählen. Hauptakteur der dabei erzählten Geschichte ist Attarghan, ein ehemaliger Anführer einer großen Streitmacht, die im Auftrag des persischen Kaisers Houman unzählige Länder ohne viel Rücksicht auf die Bevölkerung mithilfe von extremer Gewalt und Rücksichtslosigkeit erobert hat. Da Attarghan eines Tages zusammengebrochen war, als er den Befahl bekam eine ganze Familie grausam abzuschlachten, wurde er aufgrund dieser Befehlsverweigerung zum Verräter erklärt. Kurz bevor er hingerichtet werden sollte, gelang ihm aber mithilfe der Tochter des Kaisers die Flucht. Attarghan änderte darauf sein Leben komplett, er beschließt nun, als Rebell gegen seine ehemalige Armee zu kämpfen.
Nach meiner Meinung sind die Tracks Retaliation und Queen’s Temptation das perfekte Beispiel, welche Stilrichtungen Glasya bedienen will und kann. Retaliation ist die volle Ladung an bombastischem Sound, die man sich nur vorstellen kann. Hier wirft die Band wirklich alles in das musikalische Schlachtfeld. Knallharte Gitarrenriffs und Drumeinlagen, leicht mysteriös wirkende Gesangseinlagen, opernhafter Chorklang und eine gegen Ende einsetzende, ruhige Erzählerstimme zeigen eindrucksvoll, zu was Glasya fähig ist. Dagegen wirkt Queen’s Temptation wie eine Kehrtwende um 180 Grad. Das Klangbild ist hier komplett anders. Ruhig und gelassen wird hier die Rahmenhandlung als Unterhaltung vorgetragen, die dabei mit orientalischer Musik untermalt wird. Auch für die Fans der aus Italien stammende Band Temperance ist etwas auf der Platte dabei. Marco Pastorino ist nämlich beim Song From Enemy to Hero zu hören.
Was lässt sich also nun als Fazit zum Album Attarghan sagen? Kurz gesagt, es macht verdammt viel richtig und nur wenig falsch. In Attarghan gibt es eine ausgezeichnete opernhafte Inszenierung, die auch als Kinosoundtrack verwendetet werden könnte. Natürlich möchte ich euch aber ein Paar kleine Kritikpunkte nicht vorenthalten. Stellenweise kann man sich als Hörer vom ganzen Bombast erschlagen fühlen. Hier und da wirken einige Passagen etwas überladen und überfrachtet. Auch der orientalische Einfluss, den ich persönlich sehr erfrischend und originell finde, gefällt bestimmt nicht jedem. Nun, um die Anfangsfrage „Muss sich Glasya mit den Krümeln des Kuchens zufriedengeben?“ wieder aufzugreifen, hier meine Antwort: Der Bäcker darf wohl eine extra Schicht einlegen, damit ein saftiges Stück des Symphonic-Metal-Kuchens wohlverdient nach Portugal wandern kann. Glasya liefert ein wirklich schönes Gesamtkunstwerk ab und hat sich in allen Bereichen bezogen auf ihr Debütalbum verbessert. Wer auf klassisch gespielten Opera Symphonic Metal der härteren Gangart steht, sollte seine Ohren spitzen und der Truppe eine Chance geben. Meine Anspieltips wären Retaliation und The Sound Of 10.000 Feet Marching.
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