Wer glaubt, Konzertfotografie sei ein prestigeträchtiger Spaziergang im Rampenlicht, hat eindeutig noch nie im Graben bei einem Gothic-Festival gestanden. Von außen sieht es nach purer Magie aus: Schwarzes Outfit, glänzendes Equipment, die Band im perfekten Licht – und wir stehen direkt vor der Bühne, mitten im Geschehen, ganz nah dran.
Aber in Wirklichkeit?
Nun ja… sagen wir mal so: Es ist mehr „Action-Komödie“ als entspanntes Fotoshooting. Kaum stehst du im Graben, fliegt dir das erste Bier über die Schulter. Mit Glück landet es nicht auf der Linse. Fans winken dir fröhlich zu – und plötzlich bist du nicht mehr Fotografin der Band, sondern die Privatfotografin für die ersten Reihen. „Mach mal eins von uns!“ – klar, immer gerne, während dir im Nacken schon die Pyrotechnik die Haare ankokelt.
Dann das Kabel-Chaos: Wer nicht mindestens dreimal im Set über Kabel stolpert, ist nicht wirklich dabei. Und wehe, du bleibst am falschen hängen, dann hast du statt des epischen Gitarrensolos plötzlich die komplette Musik ausgeschaltet. Und genau in diesem Moment merkst du: Der Graben ist kein Ort – er ist ein Zustand. Ein bisschen wie eine Mischung aus Kampfsport, Pfadfinderprüfung und Reality-Show.
Im Graben ist man ständig im Spagat zwischen perfekter Belichtung und der Angst, dass die nächste Speicherkarte kurz davor ist, vollzulaufen. Während sich die Iso-Werte in schwindelerregende Höhen katapultieren, hoffst du heimlich, dass die Speicherkarte noch einige kostbare Aufnahmen bewahrt.
Und dann plötzlich und unerwartet fliegen Plektren, Setlisten oder Drumsticks durch die Luft und du wirst zum unverhofften Boten zwischen Band und Publikum.
Kurz gesagt: Im Graben ist alles dabei, Feuer, Wasser, Stromschläge, spontane Fanfotos und eine Prise Chaos.
Und genau deshalb lieben wir es. Denn zwischen Bierdusche und Pyro-Schock entstehen die Bilder, die später so aussehen, als wäre alles ganz easy gewesen – und niemand ahnt, dass wir in Wahrheit knapp dem Pyro-Hitzetod entkommen sind und mit einem halben Tinnitus aus dem Graben kommen. Aber hey… für den perfekten Shot verkaufen wir gerne unsere Seele.
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Bei der Aktion Adventskalender geht es dieses Jahr drum, einige Themen zu besprechen und zu diskutieren. Dinge, die bei Reviews, Konzertberichten und anderen Artikeln gerne untergehen. Persönliche Meinungen, Beobachtungen, Erlebnisse. Und auch ihr seid gefragt, antwortet gerne auf diese Themen, wir sind gespannt.
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