Accept Berlin Huxleys Neue Welt 14.02.2023 – Too Mean, to die Tour

Es ist ein Dienstagabend, noch dazu der 14.2. also Valentinstag, zudem sich die Heavymetal-Legenden von Accept die Ehre geben und mit den Iron Maidens im Vorprogramm wird es ein Abend der ganz im Zeichen des Old School Heavy Metal steht.

Ein recht dezentes Backdrop ziert die Bühne: Schriftzug The Iron Maidens, wobei das „O“ in die Form eines Weiblichkeitssymbols übergeht. Unter dem Schriftzug schaut eine grimmig dreinblickende Eddie-Imitation finster aufs Publikum herab, vllt. auch deshalb, da er kaum über das bereits für Accept bereitstehende und noch mit schwarzem Samt abgehängte Drumkit gucken kann.

Zum Supportact The Iron Maidens, die komplett weiblich besetzte Coverkombo der britischen Heavy Metal Band Iron Maiden ist die Halle pünktlich zu 20:00 Uhr schon zu gut drei Vierteln gefüllt, als der Song Doctor Doctor von UFO den kommenden Auftritt ankündigt. Allein das zeigt, dass die Mädels sich sehr professionell ihren Vorbildern gegenüber verhalten, denn dieser Song leitet seit je her die originalen Maiden Gigs ein.

Los geht’s mit The Trooper, bei dem die Frontfau, in bester Dickinson-Manier, in altenglischem Waffenrock und erst Unionjack, dann Deutschlandfahne schwingend daherkommt. Darauf folgt ein für mich überraschendes, denn selten live zu hörendes, Back in the Village. Zu dem Zeitpunkt war ich schon überzeugt von der Darbietung, Berlin jedoch bis auf die Hardcore Fans von Iron Maiden noch zurückhaltend. Das darauf folgende Caught somewhere in Time und Brave New World lassen den Knoten aber schnell platzen und die Menge kräftig mitsingen und die Ladies werden gefeiert. An den Drums wird ebenfalls von Linda lauthals mitgesungen und deutliche Spielfreude gezeigt. Zudem hängt ein niedlicher Plüschbär am Drumkit, ob als Gimmick für Berlin oder die gesamte Tour, lässt sich leider nicht feststellen.
Mit Gengis Kahn und Wasted Years nehmen wir Kurs auf die unsterblichen Klassiker und das warmgesungene Publikum dankt es gütig. Ein verkleideter Roadie im futuristischen Eddie-Kostüm betritt die Bühne, beschießt die Bandmitglieder mit der mitgebrachten Laserpistole. Das sorgt zusätzlich für Atmosphäre.

Die Bassistin Wonda posiert fröhlich in Steve Harris-Art und nutzt ihr Instrument wie ihr Vorbild als Gewehr, um die ersten Reihen mit Bassnoten zu beschießen und ist dabei ebenso gesangsfreudig, wie ihre Kolleginnen an den Achtsaitern rechts und links der Bühne.
Mit Phantom oft the Opera und wird es nun mystisch und ein Oldie ausgepackt, der bis in die Ära der ersten beiden Alben Iron Maiden und Killers zurückreicht. Frontfrau Kirsten beweist damit auch, dass sie nicht nur dem Stimmumfang von Bruce Dickinson, sondern auch seinem Vorgänger Paul Di´Anno gewachsen ist. Starke Leistung – Hut ab und Fäuste hoch!

Danach wird das Set weiter unaufhaltsam Richtung unsterbliche Klassiker und Mitsingnummern gelenkt. Fear of the Dark, der wohl bekannteste Maiden Song lockt das Huxleys bis in die letzten Reihen aus der Reserve, ist für mich aber leider die langweiligste Nummer des ganzen Abends.

Das Finale bilden Run to the Hills und natürlich The Number of the Beast, mit abermaligem Einsatz des verkleideten Techniker-Roadies, der diesmal im authentischen Teufeloutfit dem Album- und Singlecover entsprechend, dem Publikum und Bandmitgliedern einheizt.

Ein Support Act der eine gelungenen und hochprofessionelle Show abliefert und den man eigentlich ohne Bedenken zu jeder Heavy Metal Combo also Support dazu buchen könnte.

Nach kurzer Umbaupause, bei der das Coverartwork des letzten Albums „Too mean, to die“, das eine gigantische kybernetische Viper als Backdrop zeigt, aufgehangen und die Bühne in passende Deko gehüllt wird, geht es nun mit dem unsterblichen Hauptact des Abends in die Vollen. Ich weiß jetzt schon, dass dieser gigantische Abriss, den Accept jedes Mal abliefern und an dem wir teilhaben durften, für mich schwer in Worte fassbar ist – denn das Huxleys wurde einfach nach Strich und Faden plattgemacht.

Um 21 Uhr startet das 20 (ZWANZIG!) Songs umfassende Set mit Zombie Apocalypse dem Opener des aktuellen Albums und geht nahtlos in Symphony of Pain über. Die Band ist in Topform, das eingeübte Gitarrenduo um Gründungsmitglied Wolf performt, die lang einstudierten und wohlbekannten Doppelaxtattacken, für die wir diese Band so sehr lieben und dazu schreit sich Sänger Marc Tornillo die Reibeisenstimme warm.
Nach diesem Ausflug in die jünger Schaffensperiode gibt’s nun die ersten Klassiker auf die Mütze:
Restless and Wild und London Leather Boys geben sich die Klinke in die Hand und heben die bereits ausgelassene Stimmung auf den Siedepunkt. Danach wird es mit The Abyss kurz nachdenklicher und das Tempo etwas gedrosselt, bevor einem Objection Overruled kommentarlos um die schmerzenden Ohren gehauen wird, damit man bei Overnight Sensation wieder etwas zu Atem kommt. Diese Singleauskopplung der letzten Langspielplatte der Heavymetal Teutonen ist eine reine gute-Laune-Mitsingnummer und genauso wird sie aufgenommen. Das Publikum und die Band, einschließlich der jüngeren Mitglieder, bilden eine verschwitzte singende Einheit. Von der gefühlslosen Eintönigkeit und Kurzlebigkeit der Neuzeit im Internet, die der Song als Thema sarkastisch aufgreift, kann hier und heute definitiv keine Rede sein. Von diesem gigantischen Gig nimmt ein jeder etwas mit, von Moshpit-Blessuren bis zu freizügig und zahlreich ans Publikum verteilten Gitarrenplektren.
Es folgt ein abgefeiertes Medley aus Demons Night, Star Light, Losers and Winners und Flash Rockin´ Man bevor beim Breaker spätestens keine Bremse mehr angezogen ist und Band und Publikum in die Vollen gehen. Und das, liebe Leute, war grade mal die erste Hälfte des Sets! Die Stimmung kocht seit mehr als einer Stunde, genauso wie ich in meiner kuttenverzierten Lederjacke.

Immerhin gönnt man uns mit ein paar Midtempo-Nummern nun eine kurze Verschnaufpause zum Atemholen. The Undertaker kommt mit seinem etwas getragenen balladesken Intro langsam daher, ist aber eine wunderbare Mitsingnummer wie der Großteil des Sets heute Abend. Die Gesichtsakrobatik von Gitarrist Wolf beim Intonieren der Backing Vocals spricht Bände darüber, wie ernst dieser Song nicht ist. Die Dampfwalze Samson and Delilah ist ein langsames Instrumental, das aber durch filigrane Gitarrenarbeit besticht. Besonderes wird hier geboten, denn Wolf duelliert seine Battleaxe mit einer E-Violine, die von einer dunkelhaarigen Dame im Leder Onesie gespielt wird. Dieses musikalische Ringen wird von beiden im Bühnenzentrum gekonnt in Szene gesetzt und wird vom frenetisch applaudierenden Berliner Publikum beeindruckt honoriert wird.

Zu Shadow Soldiers betritt wieder der Frontmann die Bühne, der immer aussieht, als wäre er aus der Terminator Dystopie direkt vom Motorrad in unsere Zeit gefallen. Die Augen dezent hinter runden Brillengläsern verborgen und der Körper in Leder und Ketten gehüllt, brettert er knurrend die Texte von der Bühne und posiert ausgelassen für die Fotografen.

Nun wird der Hebel erneut auf die Klassiker der 70er und 80er umgelegt und mit Princess oft he Dawn der zahlreich im Publikum vertretenen holden Weiblichkeit gehuldigt. Der Mitsingalarm wird daraufhin um ein Weiteres angekurbelt, denn das allseits beliebte „Heidi… Heido“-Intro zu Fast as a Shark leiert aus den Boxen und um den Fun-Faktor zu erhöhen, lassen es sich die gutgelaunten Spitzbuben nicht nehmen, einen aufblasbaren blauen Hai per Crowdsurfing durchs Publikum kreisen zu lassen. Es schließt sich der Stampfer Metal Heart an, zu dessen Riffs ausgelassen getanzt und gemoscht wird. Ich werfe den Nackenpropeller an und lasse die Haare kreisen und die Fans singen nach alter Schule den vom Komponisten Bach geklauten Mittelteil mit, während Wolf auf der Bühne die Tonfolge auf der Gitarre vorgibt. Ein großer Spaß für alle Anwesenden. Zu Teutonic Terror und Pandemic, vom Album Blood for the Nations, mit dem sich die Band 2010 neues Leben einhauchten, reißen Accept jetzt endgültig die Hütte ab und setzten einen explosiven Schlussakt.

Aber uns bleibt noch die Zugabe. Nach kurzem Zappelnlassen werden wir zu Hung, Torn and Quatered, quasi lebendig gevierteilt, so hart überrollt uns die Dampfwalze dieses Tracks. Ich headbange mittlerweile Arm in Arm mit 2 anderen Langhaarigen am Rande des entstanden Tanzkreises namens Moshpit.

Zur Zugabe von Balls to the Wall und I´m a Rebel versuchen deutlich an- bis betrunkene Mitsechziger die ersten Reihen zu erobern, weil sie plötzlich die Texte ihrer eigenen Teenagerzeit wiedererkennen. Dabei müssen sie jedoch feststellen, dass diese Plätze seit Stunden von feiernden, headbangenden und moshenden Mittdreißigern und –zwanzigern beherrscht werden und stehen rat- und haltlos im Mospit der ausgelassenen guten Laune herum. Ist das womöglich der von Accept 1989 vorhergesagte Generation Clash, den wir bei solchen Gigs erleben!?
Bis auf einige herumstehende Altrocker im Publikum wird hier zumindest gemeinsam ausgelassen Party gefeiert und der Abschluss eines großartigen Konzertabends gebührend zelebriert, bei dem, die deutschen Heavy Metal Legenden ohne jeden Zweifel beweisen konnten, wer hier noch lange Too mean to die ist.

 

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