Adventskalender: Dark Art – gruseliger Horror oder ästhetische Kunst? Part III

Hier gehts weiter mit Part 3 der Kolumne, wer Part 1  und Part 2 nicht gelesen hat, sollte es zuerst tun.

Warum gibt es heutzutage so einen Rückzug zur Romantik? Viele Dichter und Denker der Romantik waren bereits der Meinung, dass sich Klassik und Romantik abwechselten – beides Extreme, die einander bedingten. Ich bin kein Kunsthistoriker oder Psychologe, aber ich versuche eine mögliche Antwort auf die Frage zu finden. In einer Zeit, die von Unruhen, politischen Umwälzungen, Kriegen und Katastrophen geprägt ist, hat sich der Mensch schon immer ins Private oder gar in Fantasiewelten zurückgezogen. Sinnsuche, die Suche nach dem eigenen Ich und die Naturverbundenheit in einer Zeit des Klimawandels, können eine Umkehr auslösen. Katastrophen hat es schon immer gegeben. Die Zeit der Romantik war auch von Umbrüchen geprägt, die Folgen der französischen Revolution trugen dazu bei. Die zunehmende Informations-Flut von Negativschlagzeilen und die Blasenbildung im Internet verstärken bzw. verzerren heutzutage das Bild. Ängste werden zusätzlich durch Falschmeldungen und KI-generierte Inhalte geschürt.
Das Interesse wächst aber vielleicht auch gerade deshalb, weil es uns als Zivilgesellschaft bis jetzt relativ gut im Vergleich zu anderen Generationen oder auch anderen Ländern geht.
Um ein Kunstwerk zu interpretieren, sollte man dieses immer im Kontext zur Epoche der Entstehung sehen. Aber in jedem Werk steckt auch ein Stück Künstlerseele.
Und, wie auch Praz, bin ich der Ansicht, dass es nicht unbedingt eine Gegenbewegung ist, sondern eine, die schon immer da war und sein wird. Ich möchte daher gleich noch auf einen anderen Bereich eingehen, den der Emotionen, der Prägung und des Temperaments.

Und was fasziniert uns also an „dunkler Kunst“?

Zunächst einmal, Dark Art beschränkt sich nicht auf ein einziges Medium. Stilistisch ist sie vertreten durch Zeichnungen, Fotografien, Malerei, über Digital Art bis zu Skulpturen und Installationen. Stilmittel sind meist schattige und gedämpfte Farben. Schwarz ist eine Hauptfarbe.

Die gotische Architektur ist berühmt für große Fenster und hohe Räume, die dramatische Licht- und Schattenwirkungen zaubern. Kontraste können fesselnd wirken. In der „Gotischen Kunst“ gab es oft Darstellungen des „Jüngsten Gerichts“ und der Hölle.
Als weiteren Teilbereich dieser Kunstrichtung gibt es beispielsweise Art Noir. Dieses Genre bezieht sich auf die geheimnisvolle, schattenhafte Ästhetik des Film Noir, eine Stilrichtung der schwarz-weiß Krimis und Gangsterfilme der 40er/50er Jahre – oft verregnet und mit zurückhaltender Beleuchtung.
Aber auch Rot, welches für Intensität, Leidenschaft, Gefahr oder Geheimnis steht, oder Blau, was Tiefe, Vertrauen oder Melancholie vermittelt, gehören dazu. Menschen, die sich für dunkle Kunst interessieren, haben möglicherweise oft eine eher melancholische und introspektive Veranlagung. Daher, wie eingangs erwähnt, liegt es nahe, dass man meist eine ähnliche Grundstimmung der Werke eines Künstlers wahrnimmt. Ausdrucksstarke Werke haben oft eine besondere Ästhetik.

Das Geheimnis von Dark Art oder Schwarzer Romantik liegt in der Fähigkeit, sehr starke Emotionen hervorzurufen, die teilweise mit unseren Urängsten kollidieren, die tiefe introspektive Gedanken auslösen. Düstere, mysteriöse oder unheimliche Kunstwerke haben eine besondere fesselnde Aura. Es ist oft eine Mischung aus Trübsinn, Schwermut oder Traurigkeit und einer bizarren Schönheit, die eine Faszination auslöst. Es ist eine uns bekannte und vertraute Melancholie, ein Spiegel unseres selbst, unserer eigenen Urängste und geschaffenen Dämonen. Die Werke bieten uns eine Möglichkeit, die Komplexität der menschlichen Psyche zu verstehen.
Sie geben Einblick in das Unterbewusstsein und zeigen ungelöste Konflikte auf. Warum mögen Menschen Horrorfilme? Nervenkitzel? Sie dienen als Ventil für die eigenen Ängste. Wir haben auch die Kontrolle und können jederzeit die Situation verlassen, den Fernseher abstellen. Es kann also auch irgendwie therapeutisch sein, sich mit Dark Art zu beschäftigen. Genau das ist meines Erachtens, der Punkt, warum sie so fasziniert. Von Angst, Trauer, Depressionen bis hin zu Kontemplation, also dem In-sich-Kehren und Verarbeiten. Je mehr man sich seinen Ängsten stellt und verarbeitet, desto glücklicher lebt man – hab ich mir sagen lassen. Ich habe mich als Künstlerin einer ganzen Serie mit dem Thema „Ängste des Menschen“ gewidmet. Der Drache steht dabei stellvertretend metaphorisch für diese. Arbeiten mit Tiefgang regen zum Nachdenken an.
Gerade biomechanische Kunst kann beunruhigend auf Menschen wirken hinsichtlich Entfremdung, Entmenschlichung oder der Technologie mit dem Potenzial zu zerstören. Giger kombinierte beispielsweise in seinen Werken Mensch und Maschine so, dass die Darstellungen einerseits sinnlich, aber andererseits auch grotesk waren. Er übte damit auch Kritik. Man hinterfragte diese Mensch-Maschine. Bei Biomechanical Art geht es daher auch um die Auseinandersetzung mit Ethik, KI und letzten Endes dem Kontrollverlust, dem Verlust der Menschlichkeit. Viele Künstler, wie auch ich, üben Sozial- und Gesellschaftskritik und verarbeiten ihre Gedanken, wie beispielsweise Bedrohungen der Existenz (Klimawandel, Kriege, Krankheit, Dystopien) oder auch Natur- und Umweltschutz (mangelndes Tierwohl) in ihren Werken. Oft geht es auch um philosophische Themen und tiefgründige Fragen zur Existenz, zum Sinn des Lebens. Auch diese Gedanken können zu einem besseren Verständnis von sich selbst führen.

Es gibt im Übrigen viele „neu“ entstandene Strömungen in der Literatur, in der Kunst oder auch im Film – den Magischen Realismus beispielsweise. Er entstand etwa in den 1920er Jahren.  Auch hier haben wir eine Verfremdung der Wirklichkeit und eine reiche Symbolik. Die Grenzen zwischen Realität und Fantasie, zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen.  Der Magische Realismus spricht – im Unterschied zum Fantasygenre – auch politische oder soziale Themen an. 

Die Wirkung

Letztlich sprechen dunkle Werke auch das Dunkle in uns selbst an. Sie bieten ein Ventil, um auch negative Emotionen, wie Wut und Aggressionen beispielsweise, herauszulassen, Traumata zu verarbeiten. Manche nennen es auch Katharsis. Ich wurde schon des Öfteren gefragt, ob ich nicht in einer Welt von Angst leben oder mich vor meinen eigenen Bildern gruseln würde. Nein! Im Gegenteil, meine Arbeiten sind ein Teil von mir und dieser Teil gehört zu dem Temperament, welches ich gewohnt bin. Ich fühle mich in dieser Melancholie geborgen und möchte sie auch nicht missen. Ich bin zwar ein Pessimist, aber eigentlich auch ein lebensbejahender Mensch. Natürlich spielt auch das Umfeld eine große Rolle. Oder der Einfluss von Musik, Literatur oder Theater/Filme. Dark Art – oder Schwarze Romantik – ist m. E. nach auch eine Lebenseinstellung, die nicht zwingend negativ ist, mit emotionalen Tiefen, mit manchmal kritischer Haltung gegenüber der Gesellschaft.
Ich zitiere gern wieder am Ende dieses kleinen Beitrages mein Vorbild H.R. Giger, da er mir damit aus der Seele spricht:

„Es stimmt nicht, dass ich dem Düsteren besonders nahestehe. Die Bilder kommen einfach. Ich liebe die schönen Seiten des Lebens und ich habe gern Humor. Es ist ja so, dass der Mensch sowohl helle wie auch dunkle Seiten hat, sie bilden eine Polarität und gehören zusammen.“

Ich freue mich auf facettenreiche „dunkle Kunst“ und werde euch zukünftig gern, in Form von Interviews, einen tieferen Einblick in die Welt dieser Künstler geben. Gern möchte ich dazu beitragen, dass Subkulturen Verständnis und Chancen bekommen. Wissen ist der Schlüssel gegen die Angst vor dem Unbekannten.

Eure Dani von Dark-Art

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Bei der Aktion Adventskalender geht es dieses Jahr drum, einige Themen zu besprechen und zu diskutieren. Dinge, die bei Reviews, Konzertberichten und anderen Artikeln gerne untergehen. Persönliche Meinungen, Beobachtungen, Erlebnisse. Und auch ihr seid gefragt, antwortet gerne auf diese Themen, wir sind gespannt. 

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