Der zweite und finale Akt unseres postdramatischen Bericht des Theaters in Herrot, denn das Skript zum letzten Gefecht wurde im Rinnstein von Fortunas Wetterlaune hinuntergespült.
Der Aaargh(e) Freitag begann für Frühaufsteher bzw. zu meiner Schande Frühschläfer schon mit ein wenig getrübter Aussicht auf das Tal.
Lobend kann man hier vor allem die Rücksicht aller Campingnachbarn in der (oder zumindest meiner) Umgebung erwähnen. Musik wurde nach Mitternacht nach unten gedreht sowie Generatoren komplett ausgeschaltet. Auch die nahen ToiTois waren super für die morgentliche Toilette benutzbar.
Frohen Gemutes wurde der Gaskocher mit Kaffee nach draußen gebracht, nur um dann wieder in der geschützten Flanke des Unterstandes zu landen. Nach einigen Versuchen und einem Wackelkontakt am Regen-Einschalter, entschied man sich dann drinnen zu bleiben, da Sturm und Regen gegen Mittag wirklich zulegten.
Während der Schreiberling gemäß seiner schweizer Tradition ein leckeres Käsefondue im muckeligen Pavillon genoss, spielte mit A Feast for Crows wohl eher ein Fest für die Regenwürmer. Wie viele mutige Seelen sich bei dem üblen Regenguss ins Infield getraut hatten, weiß ich an der Stelle nicht, doch sowas ist natürlich immer extrem schade für die Band.
Avian an der Stelle spielten dann mit ihrem Album Stormwarning auf, welche im Paradoxon dafür wieder nur leichte Bewölkung erhielten. So wurde um 14 Uhr schon ordentlich zum Mitfeiern und vor allem Prosten eingeladen, handelte es sich bei jenem Konzert doch auch um den Abschluss der Karriere von Sänger Armin bei der Band.
Finsterer wurden Wetter und Bühne mit den Pandas von Painful. Entschuldigt, natürlich trven Black Metallern um Sängerin Latura. Hier passte natürlich alles wie die Faust aufs Auge, während finstere Nazgul-Poncho-Gestalten zu finsteren Klängen zu Hass und Schmerz lauschten. Jenes metaphorische Blut floss somit auch auf dem Gelände in Strömen, mussten doch erste Paletten von der Crew in das Merch Zelt getragen werden, welches langsam von melancholischem Morast verschlungen wurde.
Dann jedoch drehte sich der Wind in den Segeln und mit dem besten Wetter und vor allem auch Laune, traten Terra Atlantica auf die Bühne. Im strahlenden Sonnenschein erzählte Sänger Tristan, dass er heute nicht unbedingt eine faule Sau sei, jedoch wegen einer Sehnenscheidenentzündung nur Singen und nicht Gitarre spielen könne. Deswegen hätte sich David an der Leadgitarre auch dazu entschlossen, heute doppelt so gut zu spielen! So fuhren die aus dem fernen Hamburg angereisten Power Metaler mit uns durch ihre Welten aus Abenteuer, Steampunkt, Piraterie und Fantasy!
Dennoch drehte sich Fortuna und schon zu Beginn von Mission in Black wurde der Himmel wieder schwarz. Dies hinderte Sängerin Steffi Stuber jedoch nicht daran, volle Wucht und Stimmung auf die Bretter zu hauen. Immerhin bis ihr dann die Technik einen Strich durch die Rechnung machte, was während mehrerer Minuten hektischen Rennens der Crew mit ein wenig Bier trinken und Sprüche reißen überbrückt wurde. Nachdem dann auch das Massagezelt zusammen gepackt und Feierabend gemacht hatte, konnte der Gig somit nach einer Zwangspause fortgesetzt werden, sollte jedoch schon als böses Omen für den Rest des Abends gelten.
Der Regen ließ dabei leider nicht nach, obwohl die Helfer wirklich mit aller Macht versuchten mit Rindenmulch, Paletten, Planken und teils purem Durchhaltewillen den steigenden Sümpfen Einhalt zu gebieten.
Mental Cruelty drehten dann für das Melodic Deathcore Genre typisch auf, dem schlechten Wetter zum Trotz. Vor allem der Sänger konnte es nicht lassen, auf dem Podest im Regen herumzuhüpfen, quasi schon als Antiregentanz. Auch gab er seinen Zipper an jemanden im Publikum ab und machte einfach voller Energie weiter!
Blood Ocean mag zwar ein Song von Dethklok sein, doch hätte dies gut zum Auftritt von Blutgott gepasst. Das feuchte Zeug aus dem Himmel kam mittlerweile kübelweise wie aus einem billigen Splatterfilm vom Himmel und sammelte sich auf dem Infield. Trotzdem ließ sich eine ganze Menge an Leuten diese Monstershow nicht entgehen und machte vieles mit Stimmung wett. Trotz ein paar Problemen am Sound herrschte gute, düstere Atmosphäre passend für die Show, welche durch das Pentagramm über der Bühne, noch perfekt verstärkt wurde.
Als Hauptact des Tages gab es Varg auf dem Aaargh! Leider stand schon mit ein wenig Verspätung Veranstalter Alfi vor ein paar harten Hunden auf die Bühne. Man sah ihm deutlich an, was er die letzten Stunden pudelnass alles durchschwommen hat. Da zum ersten mal seit Festivalgeschichte neben den Besuchern auch die Technik absoff, müsse man Varg verkürzt spielen und Maahes ins Wasser fallen lassen. Auch wurde schon angedeutet, dass der Samstag auf der Wasserwaage stand, weil auch die Helfer mittlerweile bis auf die Socken durch waren.
So erschallte bei Sturm Vaargh in der regnerischen Nacht, ein wohl passendes Setting für die Pagan Metal Band, welche mit Schildfront die Schlacht eröffneten.
Zwar wagten sich bei dieser Eröffnung ein paar weitere Ulfsark durch den Morast, doch blieb der Rest der Heerschar doch lieber im Bierzelt, welches jedoch auch langsam absoff wie eine Leck geschlagene Drakkar. Neben einer ausgewogenen Setlist aus alt und neu, sowie hart und herzlich, wechselten sich Freki und seine Frau Fylgja am Gesang ab. Ersterer sprach zwischendurch noch ein paar anerkennende Worte für Veranstalter und Helfer aus, welche versuchten das Schiff noch irgendwie sicher durch die Nacht zu steuern. Er hätte damit auch selbst schon feuchte Erfahrungen machen müssen als Organisator, mir fällt da vor allem das Wolfszeit 2022 ins Wasser, ehm Gedächtnis. Als Abschluss zu Ewige Wacht traten alle Wölflein noch aus der geschützten Hundehütte ins Freie der Vorbühne, wobei nur der Drummer hinten an der Kette bleiben musste.
Nochmals sträubten sich einem die Nackenhaare im Fell bei diesem (damals schon geahnten) Abschluss des Festivals und als es endete, verteilte Fylgja noch die Setlists von der Bühne, wie Leckerlis an die Welpen.
Der Abend war somit kurz vor Mitternacht mit dem Geruch nach nassem Hund gelaufen, Maahes zwar schon vor Ort, doch bereits abgesagt. Trotzdem verzichteten sie aus Solidarität auf ihr Gage. Großes Lob hierbei!
Man verzog sich somit langsam Richtung Camp, vorbei an übermüdeten und auf die Knochen durchnässten Helfern, dessen Frust, Unglaube und Leid wie Tropfen über die Gesichter liefen, eine wirklich herzzerbrechende Szene. Zur Sicherheit wurde der mittlerweile unpassierbare Eingang, um den Zaun herum durch die noch eher frischere Wiese geleitet, wo alle paar Meter ein Crewmitglied mit Taschenlampe stand, um einen sicher bis zur Straße zu bringen. Von der einstigen Partystimmung eines Donnerstagabends, war auf dem Camping nun mehr noch ein Trauerspiel zu fühlen.
Mehr als nur hämisch, schon fast fröhlich gehässig schien einem am nächsten Morgen die Sonne in die verkaterte Fratze. Gut, wir hatten uns nachts im geschützten Pavillon mal vorsorglich um die überschüssigen Bier und Chips Vorräte hergemacht. Bei allerbestem, scheinheilig perfekten Festivalwetter krallte ich mir ein Bier und ging das erste mal ein wenig durch die Camps für genauere Impressionen, ohne Gefahr zu laufen, dass sich meine Dose aus himmlischen Gründen wieder auffüllt.
Unsicherheit und Aufbruch herrschte, so manch einer war schon am Abbauen oder gar gefahren. Die Worte bei Varg hatten natürlich nicht alle erreicht, doch viele sorgten sich um eine sichere Abfahrt. Die beiden Zufahrten neben den Tagesparkplätzen waren mittlerweile nur noch Schlammgruben und auch der Weg zum Infield eine sumpfige Angelegenheit. Ein BWM mit Allrad wollte hinausfahren und blieb stecken, musste dann auf die Suche nach einem Abschlepphaken für den Traktor gehen. Parallel dazu wollte eine Familie, welche außerhalb nächtigte, zurück zu den Kumpels und soff prompt neben dem BWM ab.
Kurz vor 11 Uhr kam dann die traurige Gewissheit: Das Aaargh wird abgebrochen und die Gäste in der kurzen, trockenen Periode vom Gelände gelotst. Man solle nicht versuchen auf eigene Faust zu gehen, sondern auf Hilfe warten. Ein wenig unklar formuliert, wird das jetzt der Reihe nach gemacht? Letztendlich sollte man einfach vorsichtig nach vorne fahren und dann auf Anweisungen warten. Alle Fahrzeuge wurden in verschiedene Bahnen gelenkt und zuletzt an zwei Stellen über den schmalsten Schlammstreifen gelotst, welcher beim Tagesparkplatz zu finden war. Das ganze erinnerte an eine Startbahn beim Flughafen und hätte ich nicht fahren müssen, wäre ich mit Bier und Stuhl noch beim Haufen gesessen, welcher die Performanz lautstark bejubelt hat.
Neben der Abreise-Info wurde auch kommuniziert, es gäbe im Infield noch etwas zu Essen. Vor allem wurden Steaks sowie Würste rausgehauen, alles mit einer kleinen Notmannschaft, welche jedoch mit Witz, Humor und dem Fleischhammer noch gut zur Stimmung beitrug. Man konnte somit nochmals die Schäden beobachten, welche das Wetter hinterlassen hatte, bevor man frisch gestärkte die Heimreise in Richtung nächster Gewitterfront am Horizont antrat.
Im Nachhinein ist es für einen Veranstalter natürlich eine riesige Katastrophe, wenn das Festival im Wind abgeblasen wurde. Vor allem für einen kleinen, privaten Verein. Doch hält die Metalszene zusammen und so wurden in einem Facebook-Post all jene Bands, Firmen und mehr erwähnt, welche dem Festival entgegenkamen!
Zusätzlich wurden bei einem PayPal Spendenkonto von Fans nochmals über 2500 Euro beigetragen!
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