Die große Europa-Tour der vielbekannten französischen Blackgaze-Band Alcest läuft schon seit Oktober, zu Ende haben wir dieser in der Frankfurter Batschkapp mit viel Vorfreude einen Besuch abgestattet.
Unterstützt werden die Franzosen einerseits von der belgischen Post-Sludge-Band Doodseskader, deren Musik experimentelle, aber auch Nu-Metal-Einflüsse aufweist und damit eine sehr interessante Entscheidung im Tour-Line Up darstellt. Kritisch betrachtet könnte die Frage gestellt werden, wie genau dieses vor erst vier Jahren gegründete Projekt in das Konzept rund um Alcest passen soll. Diese sollte jedoch mit einem Rückblick auf die vergangenen Touren beantwortet werden können. Erinnern wir uns beispielsweise an die Spiritual Instinct-Tour Anfang 2020, wo die Isländerinnen um die Dark Wave-/Post Punk-Band Kaelan Mikla mit von der Partie waren, die ebenso etwas, sagen wir, Erstaunen um manche Alcest-Fans ausgelöst hat. Was bei allem bleibt, ist eine eindrucksvolle und doch gewiss liebevoll gestaltete Show. Während im Hintergrund bewegte Bilder und Texte im Stile eines Lyric-Videos herumschwirrten, konnten die beiden Musiker sehr viel Energie aus sich selbst und ihrer Musik auf die Besucher übertragen. Mit lediglich Drumset, Bass und einigen Tönen aus der Hintergrundbox konnten sie, gemeinsam singend, ihre Sichtweise auf Welt und Persönlichkeit sehr gut darlegen. Für jemanden, der mit solcher Musik und ihren Elementen doch eher weniger anfangen kann, war es das auch. Interessant allemal, doch nicht zwingend das, was der klassische Blackgaze-Anhänger sucht. Dafür jedoch entsprechend mehr für jene, die sich eigentlich nicht im Metal wiederfinden.
Wesentlich näher am erwarteten Genre und durchaus dazu in der Lage, große Begeisterung auszulösen und neue Fans zu gewinnen, waren Svalbard aus dem englischen Bristol. Die Band, die übrigens (Anmerkung für alle Nerds), sicherlich unberechtigt, über keinen Metallum-Eintrag verfügt, hat es geschafft bei einigen Besuchern, die vorher noch keinen einzigen Ton von ihnen gehört haben, emotional zu ergreifen. Und bei langjähriger Live-Erfahrung in diesem Stil lässt sich unterstreichen, dass dies selten der Fall ist. Fast schon noch besser als auf Platte schafften es die Musiker, die Emotion ihrer Werke gemeinsam dem Publikum nahezubringen. Seien wir ehrlich: Der Labelname Nuclear Blast steht mittlerweile nicht mehr zwingend für hochqualitative und innovative Musik, die nicht auch gleichzeitig künstlich überbewertet und kommerzialisiert wird oder bereits große Namen besitzt, die alles andere, vor allem finanziell, überragen. Doch warum auch immer, wahrscheinlich liegt es am bekannten Namen, schaffen sie es trotz allem, zwischendurch einige wirklich gute Bands zu promoten, wie eben mit dieser Tour. Dazu zählen Svalbard, die in allen Bereichen einer Live-Show glänzen konnten. Bei solch kreativer Abwechslung, die keinen Moment überflüssig oder gefühlsarm wirkt, schenkt jede Minute die Möglichkeit zum Abtauchen in eine ganz eigene, persönliche Gefühlswelt. Das umzusetzen, schaffen nur sehr wenige Bands.
Wie beispielsweise der Headliner der Tour: sicherlich ist hier der Verweis auf unser Review zum neuen Album Les chants de l’aurore angebracht, da dieses vieles bezüglich des Grundgefühls der Band beschreibt. Ihr Schreiber kann nicht mehr sagen, wie oft er diese Band nun schon gesehen hat, das früheste Live-Erlebnis jedoch reicht nach 2016 zurück. In all diesen Jahren haben Alcest es immer wieder geschafft, die hochemotionale Musik der Platten in all ihren Facetten auch live großartig umzusetzen. Grundsätzlich lässt sich sicherlich behaupten, dass wenn ein Hörer einer Band und ihrem grundlegenden Stil einmal komplett verfallen ist, es kaum Möglichkeiten gibt, das positive Gefühl zu vertreiben. Und obwohl die Erwartungen über die Zeit natürlicherweise hoch sind, so ist es den Franzosen offenbar nicht mehr möglich, in irgendeiner Weise wahrlich zu enttäuschen. Im Gegenteil: das Zusammenspiel von Drummer Winterhalter und kreativem Kopf Neige, der Gitarre und Gesang übernimmt, hat sich verfestigt, Zero an der zweiten Gitarre bindet sich nach wie vor auch mit seinen zusätzlichen Vocal-Passagen großartig ein und Indria Saray komplettiert das Quartett seit jeher am Bass. Von daher hat sich wenig geändert. Neiges Gesang hat sich, wie sich live doch etwas deutlicher als im Studio zeigte, etwas verändert, was jedoch nicht in eine positive oder negative Beurteilung einteilen lässt. Ja, seine Stimme der früheren Alben, auch bei anderen Projekten, ist sehr charakteristisch im Kopf der Hörer geblieben, doch dass sich solche Elemente über jahrzehntelange Arbeit verändern, ist mehr als natürlich. Die Setlist war klarerweise auf das neue Album ausgerichtet, wie auch das liebevoll gestaltete Bühnenbild, welches der Atmosphäre von Alcest auf großartige Weise zuspielt. Zusätzlich lag der Fokus eher noch auf dem vorletzten Album Spiritual Instinct, was wohl ebenso normal erscheint, wird bedacht, wie viele Shows in der Vergangenheit schon mit den früheren Liedern gefüllt wurden. Einige davon erhielten jedoch ebenso Einzug in die Setlist, namentlich Autre temps, Écailles de lune – Part 2 und Souvenirs d’un autre monde als wohl große Publikumslieblinge. Was mehrmaligen Besuchern der Band auffallen mag, ist die Tatsache, dass, zumindest für diese Tour, der langjährige Abschlusssong Déliverance vom 2016er-Album Shelter abgelöst wurde. Wenn also irgendetwas Negatives an dieser Show gesehen werden will, dann ist es, dass dieses großartige Lied durch L’adieu ersetzt wurde, welches jedoch ebenso einen würdigen Abschluss für eine ganz wunderbare Show darstellte.
Die Les chants de l‘aurore-Tour von Alcest, Svalbard und Doodseskader reiht sich damit ein in eine Reihe großartiger Touren, die wir im Rahmen der musikalischen Darbietungen der Franzosen mitmachen durften. Es zeigt sich, dass ein Besuch immer wieder die Erwartungen in jeglicher Hinsicht erfüllt und Freude auf mehr macht. Wir dürfen gespannt sein, was die Bands uns in Zukunft weiter bieten werden.
Bericht: Michi
Bilder: Matthias
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