
Schon vor dem Konzert sammelte sich vor dem Columbia Theater in Berlin eine große Menge Menschen. Es waren weniger Metalheads, zumindest den Shirts nach zu urteilen, sondern mehr Gamer unter ihnen. Neben The Witcher und Skyrim gab es auch Mass Effect Merch zu sehen. Wer könnte hier denn spielen?
Natürlich Miracle of Sound, das Einmannprojekt von Gavin Dunne. Sein Hauptfokus liegt auf Songs zu Games und Filmen, aber auch ein paar irische Sagen hat er schon vertont. Erste Bekanntheit erlangte er durch einen Song zum Spiel Mass Effect 2, die meisten dürften Miracle of Sound aber durch den 2020 erschienenen Song Valhalla Calling kennen. Live wurde Dunne von einer Band unterstützt, aber natürlich gab es auch einen richtigen Support an diesem Abend: Colm R. McGuinness. Muss bei dem Namen noch erwähnt werden, dass er Ire ist und Irish Folk spielt?
Colm R. McGuinness
Jedenfalls betrat dieser die Bühne unter großem Jubel und heizte die Menge an. Dabei dirigierte er sie, mal lauter oder mal leiser zu sein. Er spielte zwei Takte, der Funke war hier schon längst übergesprungen, und die Stimmung war sofort am Kochen. Springen, Stampfen, aber vor allem Klatschen waren an der Tagesordnung. Der lustige Ire schaffte es auch, die Leute mit viel Unsinn zu unterhalten, unter anderem Geschichten zu den Songs und vielen kleinen spontanen Kommentaren.
Irish Folk handelt bekanntermaßen sehr oft vom Saufen, aber manche Lieder handeln auch einfach von einem Loch im Moor (in dem man auch saufen könnte, Anm. d. Red.). Rattlin‘ Bog wird mit jeder Strophe immer schneller und man fragte sich irgendwann, wie ein menschliches Wesen so schnell singen könne, ohne einen Knoten in der Zunge zu bekommen.
Aber es gab nicht nur Irisch Folk, sondern auch Sea Shantys. Sea Shantys funktionieren natürlich nur mit vielen Stimmen, also musste die Crowd für Good Morning Ladies All die Zeile „With a heave, ho, haul!“ mitsingen. Aber nicht nur hier gab es viel Publikumsinteraktion. Der Saal sollte Lärm machen, um die Zeit zu überbrücken, in der Colm die Gitarre stimmte, den Capo holte und anbrachte oder während eines Gitarrenwechsels. Ständig mit einem Spruch oder einer Geschichte auf Lager, führte er durch das Set.
So erzählte er auch die Story hinter The Heart Of Me, einem Break-Up-Song, der lustigerweise kurz nach Colms Hochzeit erschien. Tatsächlich schrieb und veröffentlichte er das Lied auf Wunsch von Freunden und darf ihn nur noch live spielen, wenn er die Geschichte dazu erzähle. Deshalb warf er auch immer wieder kurze Sätze wie „I love my wife“ ein.
Zum Ende gab es noch einen sehr unterhaltsamen Moment. Colm erzählte wohl seinem Vater, dass er auf Bühnen immer ausgebuht würde. Deshalb bat er darum, dass alle laut buhen, damit er es filmen und seinem Vater schicken könne. Auch während des Umbaus gab es immer sofort Jubel, sobald er nochmal die Bühne betrat.
Miracle of Sound
Nach der Umbaupause wurde es dunkel im Saal und die Bühne wurde in rotes Licht getaucht. Trommeln erklangen, die jeder Gamer sofort erkennen sollte, aber spätestens bei der Melodie erkennt jeder Dragonborn, das Intro von The Elder Scrolls V: Skyrim. Miracle of Sound betraten mit einem Strahlen auf dem Gesicht unter großen Jubel die Bühne. Gavin Dunne wurde von einer Band aus Eoghan MacSweeney (Gitarre), Conor Duggan (Bass), Conor MacSweeney (Drums) und Gerron (Keyboard, Gesang) unterstützt. Dragonborn ging direkt in Take It Back (Mass Effect 3) über und man merkte sofort, dass hier eine härtere Spielart vorherrschte als auf der Aufnahme.
Die Band legte sich sehr ins Zeug, es machte ihnen sichtlich äußerst viel Spaß, auf einer Bühne zu stehen. Die Keyboarderin tanzte hin und her und der Gitarrist rannte immer wieder über die Stage nach hinten, nur um gerade rechtzeitig für den Einsatz seines Gesangsparts wieder am Mikrofon zu sein. Diese initiale Energie konnte mit dem zweiten Song Show Your Style (Devil May Cry) noch weiter gesteigert werden. Hier durften auch die Metalheads im Publikum zeigen, dass sie da waren, indem sie ihre Hörner hochhalten sollten und headbangten.
Der Tourauftakt der EU Tour, gleichzeitig das erste Konzert von Miracle of Sound auf europäischem Festland und außerhalb der britischen Inseln, sollte viel Abwechslung bieten. „Alte Songs, neue Songs, Fantasy Songs, Piratensongs und natürlich Wikingersongs“, so Dunne. Der Jubel wurde bei jedem Punkt in dieser Aufzählung lauter, denn spätestens mit Valhalla Calling gelang Miracle of Sound der Durchbruch auch außerhalb des Gaming-Kosmos. Der Song wurde auf TikTok stark durch diverse Remixes verschiedener Creatoren verbreitet, allen voran Peyton Parrish, mit dem es auch eine offizielle Version gibt.
Mit Wake the White Wolf gab es einen Ausflug ins Universum von The Witcher. Die Menge sang laut mit, während Gavin am Bühnenrand hockte, und einzelne Leute begrüßte, die er anscheinend kannte. Hier zeigte sich auch die Fannähe, die Gavin an den Tag legt, auch wenn es für ihn sehr überwältigend schien, auf der Bühne zu stehen. Aber er machte es sehr gut, seine Band half ihm dabei auch sehr. So meisterten sie Sirona, obwohl sie ihn erst zweimal live gespielt hatten. Die Harmonie zwischen Gavins und Gerrons Stimmen kam hier auch sehr schön zu tragen. Die beiden klingen einfach wunderbar zusammen.
Für Gráinne Mhaol, Queen of Pirates, einem Song, der tatsächlich auf einer real existierenden Figur basiert und nicht auf einem Videospiel oder einem Film, durfte Colm R. McGuinness wieder auf die Bühne kommen. Natürlich dirigierte er wie beim ersten Mal schon das Publikum und natürlich spielte das Publikum wie beim ersten Mal mit. Diesmal jedoch ohne Gitarre, sondern mit einer Fiddle. Viele sangen mit, aber vor allem wurde gesprungen und gestampft, dass der Boden nur so bebte.
Nachdem für Road Rage (Mad Max: Fury Road) die Luftgitarren ausgepackt wurden, wurde es Zeit, die Band vorzustellen. Gavin erzählte, dass er mit Eoghan schon in den 90ern Musik gemacht habe, aber auch mit den anderen Bandmitgliedern Freunde fürs Leben gefunden habe. Anschließend wurde noch einmal richtig aufgedreht: Hell to Pay, der das legendäre „Rip & Tear“ aus Doom (2016) zitiert. Das „click click boom boom“ musste natürlich laut mitgeschrien werden.
Es folgte ein etwas ruhigerer Part im Set. Whatever Comes Our Way (Baldur’s Gate 3) wurde nur von Gerron gesungen, Gavin hatte somit etwas Zeit, hinter der Bühne durchzuatmen. Miracle of Sound war bisher ein Studioprojekt, er stand bis vor einem halben Jahr seit 12 Jahren nicht mehr auf der Bühne, abgesehen von einigen Gastauftritten. Da wird man schon mal von den Emotionen übermannt.
Vielleicht wollte er aber auch einfach die Chance nutzen, das neue The Elder Scrolls IV: Oblivion Remastered zu spielen. Zurück auf der Bühne scherzte er, er habe überlegt, die Tour abzusagen, um das Game spielen zu können, weil es so gut sei. Zwar geht es in Oblivion nicht primär um die Nord, dem Volk, das Skyrim bewohnt, trotzdem durften wir den Sovngarde Song hören. Den Song über das legendäre Jenseits der Nord. Hier durfte Conor am Bass auch endlich mal nach vorne kommen, nachdem er das gesamte bisherige Konzert am hinteren Bühnenrand geklebt hatte.
Alle, die Miracle of Sound nur von TikTok kannten, fragten sich spätestens jetzt, wo eigentlich die angekündigten Wikinger Songs blieben? Nun, es gibt aus über 200 Songs nur zwei Wikinger Songs von Miracle of Sound, aber sie spielten beide an diesem Abend. Für den ersten brauchte die Band aber Hilfe. Das Publikum musste sehr laut „Skål“ rufen, um Skal einzuläuten.
Bevor es den zweiten Wikinger Song geben sollte, gab es aber nochmal einen Ausflug aufs offene Meer. Beneath the Black Flag entführte uns in die Karibik des Jahres 1715 und in die Spielwelt von Assassin’s Creed 4: Black Flag. Auch hier bedurfte es Hilfe der Crowd, sie sollte vorher einmal „yo-ho, yo-ho“ rufen, um es für den Song zu üben, aber sang einfach direkt den gesamten Chorus mit. Colm durfte auch noch ein letztes Mal seine Fiddle-Künste zur Schau stellen.
Zeit, sich beim Team zu bedanken, bei den Menschen am Sound, am Licht, die Bühnenhelfer und natürlich dem Publikum, weil es einfach großartig war. Aber jetzt, mit nur noch einem Song auf der Setlist, war klar, welcher Song folgen sollte. Ein weiterer Assassin’s Creed Song, und auch der zweite Wikinger Song. Der Song, auf den alle gewartet haben: Valhalla Calling. Endlich. Und für all die TikToks gab es zuerst die Drums and Vocals Version und anschließend die Full Metal Version des Songs. Alle holten ein letztes Mal alles raus, um diesen wundervollen Abend abzuschließen. In die Luft gereckte Fäuste, lautes Mitgrölen und Headbangen, noch einmal alle Energie mobilisieren, springen, tanzen und sehr viel Jubeln.
Die Bühne wurde dunkel, die Band verließ die Bühne. Aber selbst verständlich nicht lange, denn der Jubel war zu lang und die Zugabe-Rufe zu laut, um das ignorieren zu können. Aus dem Publikum hörte man „You’re breathtaking!“ und natürlich musste Gavin antworten: „You’re breathtaking!“, so wurde ein legendärer Gaming-Moment vom Cyberpunk 2077 Panel auf der E3 2019 mit Keanu Reeves rekreiert. Sehr passend und sehr süß. Einen letzten Song gab es noch.
Er bedankte sich bei allen für den jahrelangen Support, bevor die ersten Töne von All As One (Dragon Age: Inquisition) erklangen. Die Menge sang so textsicher wie eh und je mit und brachte das Columbia Theater noch einmal zum Beben. Gavin musste sich gegen Ende eine Träne verdrücken, so rührend und überwältigend war der Moment. Das Licht im Saal ging wieder an und es ertönte Hot To Go von Chapel Roan als Rausschmeißer. Colm R. McGuinness kam sogar nochmal raus, um zu quatschen und Fotos zu machen.
Ein ganz besonderes Konzert ging zu Ende, viel zu kurz. So viele gute Songs, die gespielt wurden, aber es gibt noch so viele gute Songs, die nicht gespielt wurden. Hoffentlich ist Gavin auf den Geschmack gekommen und spielt in Zukunft noch mehr Touren. Auf Wacken wird Miracle of Sound dieses Jahr auf jeden Fall spielen, wahrscheinlich auch zusammen mit Saltatio Mortis. Wir freuen uns.
Setlist: Take it Back // Show Your Style // Wake the White Wolf // Ode To Fury // Sirona // Gráinne Mhaol, Queen of Pirates // Road Rage // Hell to Pay // Whatever Comes Our Way // Sovngarde Song // Skal // Beneath the Black Flag // Valhalla Calling
Zugabe: All As One
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