Es war ein ausgesprochen sonniger Tag auf dem 30sten Jubiläum des MPS (Mittelalter Phantasie Spektakulum), welches aus organisatorischen Gründen wohl dieses Wochenende das letzte Mal auf der Pferderennbahn in Berlin -Hoppegarten zu Gast gewesen ist. Neben dem eigentlichen Mittelaltermarkt mit Ständen, kleiner Folkbühne und Ritterturnieren, gab es ein extra Festivalgelände für die Auftritte von vier Mittelalterrockbands.
Stilgerecht wurde das ganze mittelalterliche Treiben natürlich wieder von der Scheußlichen Dreifaltigkeit bei Bruder Rectus Morgenmesse eröffnet bevor die große Bühne freigegeben wurde.
Trotz der dann noch frühen Tageszeit von 13:30 Uhr und 30 °C bei prallem Sonnenschein vor der Bühne, waren bereits mehrere hundert begeisterte Mittelalterrock-Fans, viele davon in traditioneller Gewandung, erschienen, um den gut gelaunten Piraten-Rock von Mr Hurley und die Pulveraffen abzufeiern.
Das Feld vor der Bühne war zu etwa einem Drittel gefüllt, bei Sonnenschein und leichtem Wind waren die rar gesäten Schattenplätze als erstes besetzt.
Die Bühne zierte ein orange-gelbes Backdrop mit dem Bandnamen und auch die Aufbauten waren mit dem gleichfarbigen Stoff bespannt und zeigten stilisierte Affenfratzen.
Das Konzert begann pünktlich mit einem atmosphärischen „Johoho“-Intro, dass uns alle in die maritime und schelmische Stimmung versetzte, die uns nun zwei Stunden lang von der Bühne entgegen brandete und es wurde bereits freudig mitgesungen und geklatscht. Die Band wurde unter Jubelrufen vom Publikum empfangen. Allesamt nach Freibeuterart gekleidet, betraten die 3 Herren und eine Dame die Bühne und feuerten den traditionellen Opener Affentotenkopp auf uns ab, der ebenfalls mitgeklatscht und –gesungen wurde. Das Publikum war dem leicht verdaulichen Rock-Shanty-Mix der Pulveraffen wohlgesonnen und nahm die Unbeschwertheit der Musik dankbar auf. Die Band versprach anschließend weiterhin für gute Stimmung zu sorgen, mit Piratenmusik aus dem karibischen Osnabrück. Frontmann Mr. Hurley an der Gitarre gab sich erstaunt, über die bereits erschienene Publikumszahl, da die Band selbst normalerweise zu dieser Tageszeit noch im Bett liegen würde und versprach uns zwei Stunden Piratenparty und das Publikum auf die noch folgenden drei Bands vorzubereiten.
Es folgte Achterbahn am Achterdeck, ein neuer Song der im September erscheinenden Platte Leuchtturm. Das neue Material wurde von den Fans ebenfalls gut aufgenommen und beklatscht, „alles einsteigen – eine neue Runde“.
Nach dem ersten Pfefferminzlikör für unsere Seeratten auf der Bühne intonierte man mit Achtung, Fertig, Prost! eine wunderbare Mitsingnummer, die allerseits für gute Laune sorgte und abgefeiert wurde. Und die erste Polonaise, die hier jedoch nach Seefahrermanier liebevoll „Seeschlange“ genannt wird, durchzog das feierwütige Publikum.
Beim nächsten Track wurde es im Intro fast schon schwermütig. Trau keinem Piraten kündete davon, wie Franzosen und Spanier es den Piraten schwermachten und welche Vorzüge der Freibeuter gegenüber bspw. dem Schneider etwa zu bieten hat. Eine langsamere Schunkelnummer mit spärlicher Beleuchtung gab dem Publikum Gelegenheit zum Atemholen. Die Stimmung wurde mit dem nachfolgenden Knüppel aufn Kopp nun wieder angeheizt, wobei Buckteeth Bannock am Akkordeon, oder richtig „Quetsche“ genannt, den Gesang übernahm, das Publikum war reichlich angetan und erwies sich mal wieder als erbaulich textsicher.
Das Tempo beim sich anschließenden Gassenhauer Kaboom blieb hoch und sorgte mit viel sprachgewandtem Wortwitz, für eine Menge Spaß und entpuppte sich als schnelle Tanznummer. Der nächste Track, Hol uns der Teufel, animierte das Publikum, sowie mich dazu, sich reihenweise hintereinander zu setzen und Ruderbewegungen auszuführen. Ein erster Test für das interakionsfreudige Publikum.
Nach einer kurzen englischen Shantyeinlage beglückten uns die Freizeitpiraten mit Auf zu neuen Ufern einer augenzwinkernden Herzschmerz-Nummer, die hier aber nicht für Rührung, sondern für die nächste „Seeschlange“ sorgte.
In der nächsten Pause zwischen den Songs forderte Drummer „Der einäugige Morgan“ die Anwesenden zum lauten Mitsingen und Tanzen auf. Eine Aufforderung, die bei dem hier schon herrschenden Stimmungspegel schon fast ironisch wirkte. Das Publikum freute sich über das nachfolgende Polka-artige Santa Sangria. Quetschmeister „Bucktee“ stimmte das schlüpfrige Stück Komm zur Marine an und wurde durch Seifenblasen aus dem Publikum und dessen Gesang begleitet und beklatscht. In der nächsten Pause, in der wiederum Pfefferminzlikör gereicht wurde, animierte Mr. Hurley die Fans zu einem Ständchen anlässlich des heutigen Geburtstags von Merchandise Mitarbeiter „Leitungswasser Larry“.
Nun gab´s Mittn Hut auf die Ohren. Der Text wurde vom Publikum ausgelassen mitgegrölt und ringsumher wurden sich die Hüte gegenseitig vom Haupt geraubt und schelmisch vor einander weggerannt.
Mr. Hurley intonierte danach Ich bin ein Popstar und bedankte sich anschließend für „den fast angemessenen Applaus“. Außerdem bedankte man sich erneut für die Unterstützung der Fans, die bei der Hitze zahlreich und eisern vor der Bühne Party machten und in der Band ginge die Vermutung um, dass die obligatorische Kunstlederkluft, eventuell nicht die beste Wahl gewesen sei. Zum vorläufigen Ende des Sets kredenzte uns die Bootscrew Schrumpfkopf im Rumtopf, Tortuga und Wir feiern unsern Untergang. Bei letzterem kniete das ganze Publikum nach Aufforderung und sogar die Seeschlange lief gehockt.
Als Zugabe trällerte die Dame am Bass Pegleg Peggy Mann über Bord und Frontmann Hurley schwor das MPS mit einer Rede gegen Alkoholismus und für Toleranz ein, was im Publikum gut ankam und mit Applaus bedacht wurde. Es folgte eine kleine politische Notiz, man habe den Song Gouverneur aufgrund der politischen Situation in der Ukraine aus der Mottenkiste geholt und wolle diesen nun Putin widmen. Dazu sei das Publikum aufgefordert, sämtliche Mittelfinger nach oben zu strecken und zu winken. Dies hielten die meisten, ich inklusive, auch bis zum Ende des balladesken Kritiksongs gegen Machtmissbrauch durch.
Als Rausschmeißer gönnte man uns ein Medley der Klassiker, die bis jetzt noch nicht zu hören waren, inklusive dem Hit Blau wie das Meer, den das Publikum selbstverständlich komplett auswendig und inbrünstig mitgrölen konnte. Ein sehr gelungener Auftakt mit gutem Sound und bester Laune für einen besonderen Nachmittag mit Folk und Mittelalterrock.
Das Publikum räumte das Feld, denn bis zum nächsten Akt war noch eine Stunde Zeit und auch ich nutzte die Gelegenheit, mich mit Snacks an den diversen Ständen zu versorgen und einen Spaziergang über den Markt zu machen. Dabei schaute ich gleich noch an der kleinen Folkbühne vorbei und genoss die Performance der Schotten Soar Patrol, die mit reinen Instrumentalsongs „about Whiskey and Beer“ auf dem Markt die richtige Atmosphäre mit Dudelsack, Percussion und E-Gitarre zauberten. Sehr sympathisch, die Jungs.
Mich zog es jedoch wieder zur Hauptbühne zurück, vor der es wegen der dort herrschenden Temperaturen bei direkter Sonneneinstrahlung selbst zehn Minuten vor Konzertbeginn von Subway to Sally noch erstaunlich leer war. Das blieb jedoch nicht so. Auch wenn sich viele im Schatten tummelten, füllte sich das Feld noch ordentlich bis 16:30 Uhr und eine der größten und bekanntesten Mittelalterrockbands legte los. Die Fanfahren vom Album Himmelfahrt kündigten den Einmarsch an und Was ihr wollt eröffnete das Konzert. Die Band war komplett in Schwarz gehüllt, mit Ausnahme von Violinistin Ally Storch, deren Outfit mit Silber durchzogen war. Als Backdrop diente das Cover des aktuellen Albums und der skelettierte Schafskopf, der seit Anbeginn der Bandgeschichte als Symbol dient, prangte etwas moderner abstrahiert auf den Bassdrums. Sänger Eric Fish zeigte sich gut bei Stimme und die Band in Spiellaune. Das Publikum feierte bereits die neuen Songs ab und hatte Bock dem Live-Spektakel, das Subway to Sally bisher noch immer geboten haben, beizuwohnen und Tribut zu zollen. Fish begrüßte die Massen traditionell mit „Hallo Freunde“, bevor der nächste neue Track Leinen Los abgefeuert wurde. Danach gab’s eine kleine Ansprache, da auch ihm der leere Platz vor der Bühne kurz vor der Show Sorgen bereitet hatte und er bedankte sich beim nun doch sehr zahlreichen Publikum im Brennpunkt der Sommerhitze. Zur Kühlung der Massen standen an beiden Seiten des Feldes aufgestellte Sprinkler, die von den Fans gern benutzt und beherzt ins Publikum gehalten wurden. Es zeigte sich wiedermal, wie groß Solidarität unter den Fans der Szene geschrieben wird.
Dazu passend, brachten Subway nun bereits den dritten Song des neuen Albums, und zwar Alles was das Herz will, der mir mit seinem verspielt zügigen Tempo live besser gefiel, als zuvor auf Platte. Das erste Drittel des Publikums wippte und tanzte verhalten mit, denn die Hitze forderte leider auch Tribut. Ich sah mitunter Rettungskräfte, die dehydrierten Fans aus dem Pulk halfen. Im Anschluss kündigte Eric Fish an „ dem Publikum nun wenigstens musikalisch einen Eiswürfel auf die Stirn zu legen“ und alle zusammen schmetterten Eisblumen, einen der wohl beliebtesten Songs der 2000er-Ära der Band. Blaues Licht bildete einen krassen Kontrast zum grellen Gelb des verbrannten Rasens vor der Bühne und mir lief trotz 40 °C ein wohliger Schauer über den Rücken, als das Publikum, nachdem der Song aus war, den kompletten Chorus a Cappella sang. Einfach magisch.
Darauf folgte ein weiterer neuer Track, weit ist das Meer. Ab hier hielt es der Tontechniker offenbar für notwendig, die Soundanlage voll auszufahren und drehte die Regler so hoch, dass der bisher sehr gute Sound komplett dröhnend übersteuerte und man nur noch wenig vom filigranen Spiel der Instrumente heraushören konnte. Leider keine gute Entscheidung, dem Spaß vor der Bühne tat dies jedoch keinen Abbruch. Anschließend wurden wir zu einem intimen Spaziergang im 6/8 Rhythmus auf dem Gottesacker eingeladen und die Fans dazu aufgerufen, die Arme um die Schultern des Nebenmannes zu legen. Zu Auf dem Hügel wurde das Licht auf Rot getrimmt und die Drehleier gab die Melodie vor, während Eric melancholisch wiegend die Wünsche von Verstorbenen und Begrabenen intonierte. Das nach dem Tod nichts Gutes wartete, wurde mit dem nachfolgenden Böses Erwachen klargestellt. Danach leerte sich erstmals die Bühne und die ersten Fanchöre nach der unsterblichen Hymne Julia und die Räuber wurden im Publikum laut. Daraufhin kehrten 3 Bandmitglieder (Fish, Bandleader Ingo Hampf und der Mann an den Drums – Simon) in schwarzen Kutten zu blauem Licht zurück und präsentierten das Chorale Sanctus dreistimmige a Cappella -Stück mit starker Ausdruckskraft.
Nach dieser Verschnaufpause gab es Hans Zimmer-artige Hörner-Sampels auf die Ohren, denn Gott spricht ist einfach ein instrumental überladener, aber umso beeindruckender Song, der thematisiert, wie Gott wohl über seine „Fehler der Schöpfung“ denkt. Eine verdammte Dampfwalze dieser Song. Eric erkundigte sich verschmitzt, ob das zu hart für das, auf seichte Mittelaltermusik eingestellte, Publikum sei. Mit der Mitgröl- und Springnummer Falscher Heiland blieb man sich thematisch treu und die Fans dankten es mit einem klatschenden Händemeer. Wem die Meta-Ebene des Stücks entging, den klärte er am Ende auf, dass es sich um einen Song gegen Despoten handelt.
Bei das Rätsel 2 war wieder Publikumsinteraktion angesagt, es war einfach eine Fanhymne mit Anspielungen auf viele bekannte Subway-Songs und die Band bedankte sich mit den Worten „Es macht Spaß hier zu sein.“ Immer schön zu sehen, wie die Synergien zwischen dieser Truppe und ihren Fans funktionieren.
Bei Ihr kriegt uns nie und Besser du rennst wurde zum Moshpit bzw „Ringelrein“ aufgefordert, und das Publikum tanzte ausgelassen und kreierte einen Jogger-Pit, bei dem ein Großteil fröhlich im Kreis umeinander lief. Nun waren mit Kleid aus Rosen wieder Mitsingen, Hörnergrüße und Headbangen angesagt. In der kurzen Pause darauf wurde lautstark Zugabe gefordert, die mit Fahre Wohl vergütet wurde und im Anschluss die magische Zahl Sieben ebenfalls lautstark besungen. Tanz auf dem Vulkan hat wohl selten so gut gepasst wie in dem Hexenkessel an Temperatur und Ausgelassenheit, die sich heute in Hoppegarten boten und am Mikroständer loderten zusätzlich Fackeln. Tanzbar ging es nun in die Vollen mit dem Klassiker Feiztanz in atmosphärischem lila Bühnenlicht und mit melodisch wippendem Publikum. Den traditionellen Abschluss gab es mit dem, wie Fish es heute nannte, Altberliner Kinderlied Julia und die Räuber, einem Mitsingklassiker, zu dem sogar nochmals kleine Moshpits gezündet wurden. Ein großartiges Konzert, bei dem ich mich schon auf eine Fortsetzung im Oktober anlässlich der aktuellen Tour freue.
Nach einer halben Stunde Umbaupause ging es 18:30 Uhr weiter mit Versengold. Die sympathischen Bremer Nordlichter sind seit einem Jahrzehnt auf dem Siegeszug und gewissermaßen Dauergäste beim MPS. Außerdem haben sie auch ein neues Album in der Mache, welches Ende des Jahres erscheinen wird. Eine abgeschlossene Nacht der Balladen – Tour und das zwanzigjährige Jubiläum in Aussicht, die Zeichen standen gut. Der stetig wachsende Bekanntheitsgrad der fröhlichen Folkrocker machte sich auch bei den Publikumszahlen vor der Bühne bemerkbar. Den Einstieg zum Set machte Mit uns durch den Sturm eine schnelle fetzige Nummer, die von Florian Janoskes rasantem Violinen-Spiel vorangetrieben wurde. Als Nächstes kam eine ältere Nummer. Niemals sang und klanglos lud zum Mitsingen, Klatschen und Tanzen ein. Die Ohohoho-Chöre waren deutlich auf dem ganzen Gelände zu hören. Es folgte Verliebt in eine Insel, ein weiterer gute Laune Garant zum Mitmachen. In der Pause nahm Frontmann Malte sich die Zeit für das bevorstehende Jubiläumskonzert am 4.11. in Hamburg Werbung zu machen, bei dem 20 Jahre Versengold zelebriert werden sollen. Meine Karte für das Event habe ich bereits und freue mich schon sehr darauf.
Des Weiteren wurde ein neuer Song angekündigt: Komm, wir Feiern den Norden ist ein weiteres schelmisches Musikstück, dass sich mit den Eigenheiten des deutschen Nordens „auseinandersetzt“. Dazu kam, dass sich Geiger Flo hier an einer umgehängten Bauchtrommel betätigte und das Publikum in zwei Lager (kluge und schöne Seite) zur rhythmischen Unterstützung eingeteilt wurde. Dies machte deutlich Spaß und der Lärmpegel von und vor der Bühne stieg erheblich.
Es blieb spaßig, denn es folgten der Tag and dem die Götter sich betranken und Lichterloh, bei denen kräftig mitgesungen werden durfte, während drei riesige, mit Luft gefüllte Versengold-Bälle, über das Publikum hinweghüpften. Ein riesiger Spaß, bevor ein weiterer neuer Song Lautes Gedenken, die Stimmung langsam nachdenklich werden ließ. Hier zollten Band und Fans all jenen Tribut, die uns bereits verlassen haben. Starke Nummer, die lange das Set bereichern wird und bereits auf der Nacht der Balladen vorgestellt wurde. Ebenso wie das nun folgende Tod und Trommeln, die Neuinterpretation eines Antikriegs-Gedichtes „Der Schnitter“ von 1630, das die Menschen als Blumen darstellt, durch die der Schnitter mit seiner Sense fährt. Sehr gut umgesetzt und eine Bereicherung fürs neue Album. Trotz des ernsten Tenors animierte Flos Geige das Publikum an vielen Stellen zu Tanzeinlagen. Mit dem mittlerweile bis zum Ballermann bekannten Thekenmädchen wurde die Stimmung schließlich wieder ausgelassener. Auch hier wurden wieder die Leute zum Mitsing-Kontest incl. Lautstärke-Test gebeten, den meine „schöne“ Publikumsseite deutlich gegenüber der anderen „klugen“ Seite für sich entschied – YES!
In eine ähnliche Kerbe schlug der Song Hanna, der augenzwinkernd Unzulänglichkeiten beim Standard-Tanz aufs Korn nimmt und allseits viel Spaß macht. Mit Paules Beichtgang wurde ein selten zu hörender Klassiker geboten, der noch aus recht frühen Tagen stammt und allseits mit Begeisterung gegrölt wurde. Es wurde geklatscht und gesprungen und Flo holte im Solo-Part wieder alles aus seiner Fiedel heraus. Es schlossen sich die Publikumslieblinge Haut mir kein Stein und Hoch die Krüge an, die ebenfalls jeweils ordentlich abgefeiert wurden. Zum Refrain des Trinkliedes erhoben sich Becher, Trinkhörner (auch bei mir) und bei einem Fan vor mir, sogar die Gehhilfe – Hoch die Krücke also, was Malte nur als „Zauberstab oder was du da hast“ aufgrund der Entfernung zur Bühne kommentieren konnte. Einen kurzen aber deutlichen linkspolitischen Einschub bildet Braune Pfeifen, womit Band und Fans sich gegen das Erstarken der AFD in deren Umfragen positionierten. Immer wieder eine coole und äußerst wichtige Nummer im Set, die seit Erscheinen der Nordlicht-Platte auf keinem Konzert gefehlt hat und immer abgefeiert wird.
Nun kam mit Kobold im Kopp der neueste Gassenhauer auf den Plan, für den am Merch extra quietschgrüne Zylinder verkauft wurden, welche nun auch sämtliche Häupter der Band zierten. Eine wunderbare Klamauknummer, die einfach nur Spaß machte, die meine Frau und ich gemeinsam mit den anderen Fans ordentlich abfeierten. Malte empfand das auch so: „Ist das geil Berlin!“, und Geiger Flo kam den Fans der ersten Reihe über den Fotograben näher, während Bassist Eike bereits mit seinem Instrument durch das Publikum zog. Das hatte auch einen Grund, denn er und Malte standen den Rest des Konzertes auf einer kleinen Tribüne im Publikum, direkt neben mir und zelebrierten die Letzte Runde, die durch einen wunderbaren Fanchor unterstützt wurde. Den Abschluss bildete die fetzige Nummer Butter bei dir Fische, bei welcher Eike allein auf dem Podium zurückblieb, weil sich Malte zum Rest der Band auf der Bühne gesellte. Eike seinerseits rief zum Circle Pit, um sein Podium herum, auf, mit der Bitte „die Kiste bitte stehen zu lassen“. Es folget ein gut gelaunter Jogger-Pit, welchem ich mich auch begeistert anschloss, der ordentlich Staub aufwirbelte und so richtig Bock machte . Das waren wieder einmal zwei Stunden voll reinster Energie und guter Laune. Ich freu’ mich jetzt schon auf Hamburg im November.
Den Headliner des Abends gaben Saltatio Mortis, deren Mischung aus heavy Gitarrenriffs und Mittelalterinstrumenten stoch in seiner Intensität aus der Bandauswahl des Festivals schon heraus. Die Temperaturen hatten sich um 21 Uhr mittlerweile angenehm abgekühlt, dafür hatte der Hauptact aber einige Pyroeffekte zum Anheizen der Massen mit dabei. Das Feld vor der Bühne war nahezu komplett gefüllt mit Fans. Vor dem Bühnenaufbau hing eine Regenbogenflagge mit eingearbeitetem Bandlogo. Das Spektakel wurde mit Alive now eröffnet. Der bunte Reigen und die englischen Lyrics stellten schon fast so etwas wie ein Kontrastprogramm des Abends dar, da, bis auf die Shantys von den Pulveraffen, bisher nur deutsch gesungen wurde. Zu blauem Licht und Flötentönen heizte die bisher heavigste Band des Abends den Massen ein. Beim zweiten Song Brot und Spiele erkundigte sich Frontmann Alea bei den seit mittlerweile 13:30 feiernden Fans, ob sie Bock hätten völlig zerfickt nach Hause zu gehen. Dem Tumult vor der Bühne nach zu urteilen, schien das Angebot auf offene Ohren zu stoßen.
Beim dritten Song Loki kam dann zum ersten Mal, begleitet von rotem Bühnenlicht, die Feuershow zum Einsatz, während Dudelsäcke kreischten, das Publikum freudig die Fäuste schwang und geheadbangt wurde. Als Nächstes gab’s Wo sind die Clowns als Verschnaufpause, Dudelsäcke und Drehleier gaben die Melodie zum rhythmischen Klatschen der Menge. Zur nun kommenden Brunhild vertat sich Frontmann Alea in der Setlist und kündigt fälschlicherweise das darauf folgende Odins Raben an, was für allgemeine Erheiterung sorgte. Der Mann nahm es mit Humor, denn nachdem die letzten Töne von Brunhild verklungen waren, meinte er lachend zum Publikum: „Ratet mal, was jetzt kommt! – Genau! “.
Odins Raben war mein persönliches Highlight des Sets und wurde allgemein lauthals beklatscht und mitgesungen. Teilweise schlug man mit imaginären Flügeln. Eine starke Ohrwurmnummer! Weiter ging es mit dem Merseburger Zauberspruch, einer Klangfolge mit Lyrics, die als authentisches Stück überliefert worden ist und daher Eingang in die Setlists vieler Mittelalterbands gefunden hat. Saltatio gönnten ihrem Publikum eine Verschnaufpause, indem sie zur Akustik-Variante mit Percussion und Dudelsack grriffen. Danach ging es mit Heimdal wieder in die nordische Mythologie, wobei die Bühne wieder in Flammen aufging, bevor man sich mit dem Stück Totus Fluero wieder ins Mittelalterflair sackpfeifte. Drei Männer am Dudelsack sorgten hier für tanzbare Melodien. Beim Lied Ecce Gratum arbeiteten die Musiker mit zeitgenössischen Instrumenten und boten dem Publikum somit eine weitere Verschnaufpause, bei welcher es allerdings sehr viel für Ohr und Auge zu erleben gab. Es folgte die Mitklatschnummer Le Corsaire, die im Chorus zum Mitsingen animierte. Dieser Formel bediente man sich auch beim allseits beliebten Shanty Drunken Sailor womit man das Publikum erneut belebte, welches munter mitklatschte und sprang. Es folgte My Mother Told me, bei dem sich, zum zweiten Mal heute, die Menge zu Ruderbewegungen hinsetzte. Anschließend wurde die Frage, was das Mittelalter aus uns gemacht hat, gestellt und bei Satans Fall stand die ausgezehrte Crowd wieder in einer Brandmauer aus Pyro-Effekten, wodurch die Band selbst hinter Feuersäulen auf der Bühne verschwand. Zu Taugenichts wurden die Paare in der Menge aufgefordert, sich den Partner jeweils auf die Schultern zu setzen. Seit dem du weg bist, bestach mit Akustikgitarre, erneutem Dudelsack-Einsatz und leicht mitsingbaren Lyrics über Selbstbestimmung und unserer Verantwortung für diesen Planeten. Danach wurde es popkulturell, denn Scooters Hyper Hyper bekam ein völlig neues Klangbild, was beim Publikum gut ankam. Die Hymne Für immer jung beendete den offiziellen Teil des Sets.
Als Zugabe erhielten wir noch Große Träume, Nie wieder Alkohol, bei dem sich die Band Unterstützung vom Publikum erbat, indem Shirts ausgezogen und zum Schwenken und Herumwedeln gebracht werden sollten und Prometheus, themengetreu mit Feuershow. Beim letzten Song des Abends Spielmannsschwur, der auch das MPS in der Berliner Variante verabschiedete, bekamen wir als Schmankerl nochmals eine Hypa Hypa Einlage von Eli, bei welcher das Publikum wiederum lautstark mitsang.
Es war ein wunderbares Festival mit unterschiedlichsten Bands und Emotionen. Ich kann nur hoffen, dass es eine Möglichkeit geben wird, das MPS nach Berlin zurückzuholen, denn eine Mittelalterveranstaltung dieser Qualität und dieses Ausmaßes werden wir hier schmerzlich vermissen.
Und zum Abschluss wollen wir euch gerne noch einige Bilder zeigen die wir tagsüber auf dem Markt und den kleinen Bühnen eingefangen haben:
Cobbelstones:
Fechtgruppe Fictum:
John Kanaka & The Jack Tars:
The Sandsacks:
Ich bin begeistert von der Qualität der Bilder und dem überaus detailreichen Bericht. Chapeau!