Der letzte Tag auf dem Wolfszeit Festival brach an und wieder erwartete uns ein prallgefülltes Line-Up, ein Vortrag im heidnischen Dorf und ein wilder Ritt mit der Sommerrodelbahn. Davon möchte ich euch in den folgenden Zeilen ausführlich berichten:
Beginnen wir gleich mit der Sommerrodelbahn, der zweiten neuen Attraktion, auf dem Wolfszeit Festival. Besucher der vergangenen Jahre werden sich noch an die Bimmelbahn in Crispendorf erinnern und die meisten sind wohl auch schon mit ihr gefahren. Ich erinnere mich gut an eine kleine Eisenbahn gefüllt mit schwarzen, grölenden Gestalten, welche mit Dosenbier bewaffnet in einer weiten Acht um das Gelände fuhren. In einer Kurve konnten die Besucher in der Bahn den Bands auf der Bühne lauschen. Diese schönen Fahrten gehören seit 2023 der Vergangenheit an. Einige Besucher bauten aus Pappe eine rote Lokomotive und tauften die Konstruktion Crispi – als Teil ihrer eigenen Trauerbewältigung. Aber, das Wolfszeit 2023 bot uns eine neue Spielerei: die Sommerrodelbahn mit dem eindrucksvollen Namen Jörmungandr! Für die schmale Gebühr von 2,50 € durften Besucher allein oder zu zweit mit dem Schlitten den Berg runter rauschen und wurden unten wieder hochgefahren. Das Team von Dark-Art hat als Teil seiner journalistischen Arbeit die Jörmungandr besucht und getestet. Die Fahrt ist ein kurzes, aber ein sehr aufregendes Erlebnis und seine Gebühr wert. Einige Gäste haben sich auch einfach ins Gras gesetzt und die Fahrer beobachtet und ihnen zugejubelt. So konnte die Zeit bis zu den Bands gut überbrückt werden.
Die Besucher, die es aber etwas ruhiger angehen wollten, konnten sich im heidnischen Dorf einen Vortrag über modernes Heidentum anhören. Bei diesem Beitrag wurde der Begriff Heidentum definiert, verschiedene Strömungen vorgestellt und ihre Gemeinsamkeiten aufgezählt. Zwischendurch wurde auch an dieser Stelle der Gebrauch von Einwegbechern auf Festivals kritisiert. Der Vortrag wandelte sich weiter zu einer Lehrstunde zu positivem und empathischem Verhalten zu der Natur und zu anderen Personen. Dabei wurden Prinzipien der gewaltfreien Kommunikation und der Empathie aufgegriffen und mit Beispielen aus dem Alltag untermalt. Die Besucher hörten gebannt zu und mit einem kräftigen Applaus wurde der Vortrag beendet. Mit diesem ruhigen Thema im Hinterkopf konnte der erste Auftritt entspannt beginnen.
Kurz vor dem ersten Auftritt eine erste schlechte Nachricht. Der Frontmann von Carpathian Forest hatte sich verletzt und so konnte die Band den Gig nicht wahrnehmen. In kurzer Zeit konnte auch kein Ersatz organisiert werden und so wurde die Lücke mit einer einfachen Lösung gefüllt. Alle Bands rückten vom Slot her auf und damit fing die erste Band, Fimbulvet, nicht um 13:00, sondern erst um 14:10 Uhr an. Die Fans, die pünktlich vor der Bühne warteten, waren nicht begeistert von der Entscheidung und mussten sich noch etwas gedulden.
Fimbulvet fingen aber pünktlich kurz nach 14 Uhr an und damit konnte auch das erste Konzert beginnen. Im Vergleich zu den vorigen beiden Tagen hatte die Band einen guten Start, denn sehr viele Besucher hatten sich vor dem Platz und auf den Bänken auf der Erhebung versammelt. Das ehemalige Solo-Projekt von Stephan Gauger hatte dieses Jahr ihr lang erwartetes dritte Album, Portale, veröffentlicht und präsentierte es auf vorigen Festivals, wie zum Beispiel dem Dark Troll Festival, bereits den Zuschauern. Diese bekamen auf dem Wolfszeit eine große Portion neues Material geliefert. Die Besucher nahmen die Lieder mit großer Begeisterung entgegen. Doch auch ältere Klassiker, wie Heidenherz, wurden lauthals bejubelt und es wurden eine Menge Zopfgummis gelöst. Vor dem dritten Lied verschwand der Sänger kurz von der Bühne, nur um mit einem Shirt von der Band Firn wieder aufzutauchen. Diese Entscheidung hatte auch einen Grund: Die beiden Bands, Fimbulvet und Firn, sind miteinander befreundet und bedauern den Ausfall von zweiteren. Zwischen Musikern herrscht eine ungeahnte Solidarität, von der wir Zuschauer selten etwas ahnen können.
Den zweiten Slot belegten alte Bekannte des Festivals, XIV Dark Centuries. Sie spielen ebenfalls Pagan Metal, aber im Vergleich zu Fimbulvet eine melodischere und ruhigere Spielart. So nutzen sie für ihren „Heidnischen Thüringer Metal“ ein Keyboard und der Einsatz machte sich auch schnell bemerkbar. Ein weiteres Instrument in ihrem Repertoire ist die Geige, welche in diesem Auftritt aus unbekannten Gründen ausfiel. In ihren Tuniken und Lamellenrüstungen wirkten sie, mit dem Thüringer Wald im Hintergrund, aus der Zeit gesprungen, um uns alte Geschichten zu erzählen. Ein wenig moderner war die Pyroshow auf der Bühne, die erste an diesem Tag und auf dem gesamten Festival. Die Besucher selbst heizten sich in der Zwischenzeit selbst auf. Ein kleiner Circle Pit, bestehend aus zwei Personen, wuchs stetig zu einem Chaos aus zwei Dutzend Personen an. Am Wellenbrecher griff ein Besucher in seine Kutte und zog zu aller Überraschung eine CD von XIV Dark Centuries hervor und streckte sie wie eine stolze Trophäe in die Luft. Durch die zusätzliche Zeit, welche durch den Ausfall von Carpathian Forest vorhanden war, konnte die Band eine ungewollte Zugabe geben. Mit einem lauten Chor aus „Wolfszeit“-Rufen endete auch dieser Auftritt.
Am vorigen Tag hatte die Band Nornir einen Schnitt in den Pagan Metal absolviert und diesen Trend setzte Karg am Samstag fort. Zusammen mit Ellende schufen die beiden österreichischen Bands einen kompakten Black Metal-Block im ansonsten Folk- und Pagan Metal dominierten Line-up. Der Auftritt von Karg war, ähnlich wie der von Nornir, schnörkellos. Keine Ansagen, keine Werbung für kommenden Scheiben und auch keine Worte des Dankes an die Zuschauer oder Veranstalter. Die Bandmitglieder erschienen auf der Bühne und fingen einfach an zu spielen. Der rasante Sound, mit dem für Post Black Metal typischen brachialen und fast klinischen Ansatz, wird mit einer fast zarten Melodie unterlegt. Diese schwebte bei jedem einzelnen Lied über der Band und bildete einen wunderschönen Kontrast. Die Zuschauer in den ersten Reihen wippten die Köpfe sacht vor und zurück, vollkommen gefangen in dem Sound von dem Nebenprojekt von Sängers Michael V. Wahntraum von Harakiri for the Sky. Dabei schienen die Musiker selber im Bann der eigenen Musik gefangen zu sein. Das grau, kalte und feuchte Wetter war eine ideale Visualisierung der Musik selbst. Eine kleine Unterbrechung gab es dann aber doch, als der Frontmann von Ellende, L.G., die Bühne in vollem Bühnenoutfit betrat und bei einem Lied mitsang.
Der Auftritt von L.G. bei Karg war ein kleiner Vorgeschmack auf den Auftritt von Ellende. Musikalisch gibt es Parallelen zwischen den Bands. Ein zentraler Unterschied allerdings ist, dass die Musik von Ellende rasanter und in deren melodischen Parts nicht so sanft über den Riffs schwebt. Sie erinnert eher an Atmospheric Black Metal Bands wie Cân Bardd. Eine weitere Differenz war das Wetter. Unerwarteterweise kam die Sonne hervor und tauchte schon beim ersten Lied die Bühne in warmes, goldenes Licht. Die Bandmitglieder, allen voran L.G., wurden von dem Licht umrahmt. Es war fast so, als wollte das Wetter den besonderen Auftritt von Ellende betonen. Erst letztes Jahr veröffentlichten die Musiker ihr Album Ellenbogengesellschaft, aus dem sie, zur Freude der Fans, einige Stücke spielten. Ein Besucher beschrieb den Auftritt passenderweise als die Kirsche auf der österreichischen Sachertorte und danach waren ich und einige andere Zuschauer vollgefressen mit feinstem Black Metal. Schade war allerdings, dass aufgrund technischer Probleme leider eine Viertelstunde an Materiel gekürzt werden musste.
Mit dem nächsten Auftritt schüttelte sich das Wolfszeit den transzendenten Black Metal aus dem Pelz. Für Heidevolk versammelten sich die Besucher in Scharen vor der Bühne, um den Boden von Thüringen zum Beben zu bringen. Dieses Jahr erst hatte die Band ihr neuesten Album Wederkeer veröffentlicht und mit einem Lied von dieser Scheibe starteten sie den Auftritt und es war nicht der einzige neue Song. Die Lieder wechselten beim Auftritt zwischen epochalem Folk Metal und verspielter Tanzmusik. Die Besucher bejubelten jedes Lied und die Moshpits wuchsen und wuchsen. Zwischendurch stahlen sich einige ruhige Stücke hinein. Dafür wurden Akustikgitarren zur Hand genommen und der Drummer wechselte die klassischen Sticks gegen welche mit Filzschlägel. Während des gesamten Auftrittes waren zwei junge Mädchen im Fotograben und haben Heidevolk gespannt beobachtet. Als der Auftritt vorbei war, faltete ein Bandmitglied die Setlist zu einem Flieger und eines der jungen Damen durfte den abgestützten Flieger an einen Zuschauer weiterreichen. Ein niedliches Ende für den ansonsten kolossalen Auftritt der niederländischen Band.
XIV Dark Centuries hatte am Samstag die erste Pyroshow, aber das war nicht die letzte ihrer Art. Mit einem lauten Knall und mit mehreren Flammensäulen begann der Auftritt von Varg, den Gastgebern des Wolfszeit Festivals. Obwohl dies ein heißer Start war, wollte der Funke bei den Zuschauern nicht gleich überspringen. Eventuell waren sie noch etwas müde von dem Auftritt von Heidevolk. Der Platz vor der Bühne war brechend voll, aber es gab bei den ersten drei Liedern kaum Bewegung und keine Circle- oder Mosh Pits. Erst mit dem Klassiker Wir sind die Wölfe aus dem Album Wolfskult kam richtig Bewegung in die Crowd. Zwischen den Klassikern Blutaar und Schildfront wurde ein neues Lied eingeschoben. Der Song Immer Treu aus dem gleichnamigen Album hatte an dem Abend seine Premiere, aber diese verlief nicht reibungslos. Als das Lied anfing, fiel die Gitarre aus und der Track musste unterbrochen werden. In kurzer Zeit wurde das Dilemma gelöst und dann durften die Zuschauer den neuen Song genießen. Ein weiteres Stück vom kommenden Album wurde gespielt, und zwar Eisenseite, eine Hommage an den großen Krieger Björn Eisenseite, ein Held der Nordmänner. Neben neuen Liedern feierten auch zwei neue Wölfe an dem Abend die Aufnahme in das Rudel. Ulvar und Rohgarr hatten auf dem Wolfszeit ihre Feuertaufe gehabt und souverän gemeistert. Für die Fans war dies ein denkwürdiger Auftritt.
Die letzte Band an dem Abend und der letzte Headliner für das Wolfszeit Festival: Dark Funeral! Die schwedische Band gehört zu den Größen des skandinavischen Black Metals und wird in einem Atemzug mit Bands wie Mayhem, Marduk oder Watain genannt. Diese Legenden um den Gitarristen Lord Ahriman beehrten das Festival und ließen den Abend mit pechschwarzen Black Metal enden. Erst letztes Jahr haben sie mit We Are the Apocalypse ihr siebtes Studioalbum veröffentlicht. Das Gelände war bei Varg bereits prallgefüllt und daran hat sich nichts geändert. Aus dieser Masse wurde während des Auftrittes ein Meer an geschüttelten Skalps. Die Band betrat die Bühne mit Corpse Paint und schwarzen, nietenbesetzten, archaischen Lederrüstungen. Zwischen ihnen stand der Sänger Heljarmadr in einen schwarzen Umhang gehüllt und wirkte wie Graf Dracula aus dem Roman von Bram Stoker. Im Laufe des Auftrittes fiel der Umhang zu Boden und präsentierte eine weitere Lederrüstung, samt umgedrehtem Kreuz und Kettenelementen. Die Kettenglieder rasselten bei jeder Bewegung so laut, dass es im Mikro deutlich zu hören war. So stand der Sänger auf der Bühne und schrie ins Mikro, während er eine SM-Peitsche schwang. Für das letzte Lied tauschte er die Peitsche gegen eine Flagge mit dem Logo von Dark Funeral. Die Musik selbst war düster, brachial und schwitzte Satanismus aus jeder Pore. Einen kleinen Wermutstropfen gab es bei dem Auftritt: In dem letzten Drittel des Auftrittes löste sich die Masse an Leute langsam auf und nur die echten Fans blieben übrig.
Damit endete das Wolfszeit Festival. Ein Umzug, zwei neue Attraktionen und ein knallhartes Line-up erwartete die Zuschauer dieses Jahr. Da können wir nur gespannt auf das Billing für 2024 warten. Auch können wir gespannt sein, was der Veranstalter sich für das Festival ausdenkt. Ich war wieder mal begeistert von dem Festival und kann das kommende Wolfszeit Festival kaum erwarten.
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