Die letzte Solo-Tour von Veljanov fand 2009 statt, seitdem waren auch Einzeltermine aufs Minimum reduziert, aber im November 2024 gab es endlich wieder einige Termine. So waren wir höchst erfreut dem Konzert am 03.11.2024 im Kesselhaus in Wiesbaden beiwohnen zu dürfen.
Mit dabei war Die Kammer, im Grunde ein Duo, die aber immer mal wieder mit größerem oder auch mit kleinerem Ensemble unterwegs ist. Die Wahl der Location war ja schon etwas Besonderes, nachdem man Deine Lakaien, die Hauptband von Alexander Veljanov, inzwischen auf weitaus größeren Bühnen kennt. Ins Kesselhaus passen 300 Menschen und dementsprechend war es auch voll.
So standen Patrick und ich Sonntagabend in Wiesbaden vorm Kesselhaus, einige Zeit zu früh, weil die Parkplatzsituation in Wiesbaden einfach eine Katastrophe ist und im Schlachthof selber auch eine Veranstaltung war. Und irgendwie ist von Freitag auf Sonntag endgültig Herbst geworden.
Das Warten hatte schnell ein Ende und da das Kesselhaus keinen Fotograben hat, suchten wir uns ziemlich weit vorne einen Platz an der Seite. Nun war es aber soweit und es ging los.
Die Kammer
Die Kammer machten den Anfang, derzeit sind Marcus Testory und Matthias Ambré mit Dennis Bergmann am Bass und Benni Cellini am Cello unterwegs. Die kleine Formation war perfekt für das Kesselhaus. Ihre Schaffensphasen teilt die Band in Seasons ein. Am 5. April 2024 hat ihre Season V gestartet, die den Namen Maybe forgotten. Maybe glorious trägt und mit der ein neues Album einhergeht, von dem es eine Menge zu hören gab.
Die Bühne war in blaues und lilafarbenes Licht getaucht, als die vier Musiker ihre Plätze einnahmen und mit My Dearie Don’t Worry anfingen. Die ersten verfielen in sanfte Bewegung und nach dem Song setzte Applaus ein. Nicht weniger begeistert, als bei anderen Gruppen, aber vorsichtiger, der Melancholie des ersten Songs angepasst. Dann ergriff Marcus Testory das Wort und begrüßte das Publikum und es sei ihnen ein Vergnügen den Abend im Kesselhaus mit Veljanov und den Leuten vor der Bühne zu verbringen. Sie seien jetzt in der fünften Schaffensphase, die düster und melancholisch sei und die Abgründe des Seins aufzeigt und natürlich über den Tod, den gut aussehenden, charmanten und eloquenten, mit einem Hang zum Narzissmus. Der es sogar als schlechter Elvis-Imitator schafft, die Menschen zu verführen und sie auf die dunkle Seite des Schleiers zu ziehen. So ging es mit Cold, Cold Comfort und Ignoring My Safeword weiter. Im ganzen Raum herrschte eine fast schon magische Stimmung, eine Ruhe, die man von Konzerten so nicht kennt, unterbrochen nur vom Refrain, der von einigen leise mitgesungen wurde. Nachdem ich Benni Cellini bisher nur mit seiner Hauptband, der Letzten Instanz gesehen habe, fällt es mir bei ihm am meisten auf. Er stand völlig selbstvergessen, fast wie in Trance, als wären nur er und sein Cello noch da. So ähnlich sah es auch bei Matthias Ambré und Dennis Bergmann aus, während die samtene Stimme von Marcus Testory durch den Raum klang. Zu The Void stellte Marcus seine Gitarre zur Seite, sein Jackett fiel und der Bass ließ den Boden leicht beben. Nur mit dem Mikrofon bewaffnet, wirkte es, als würde er einen innerlichen Kampf austragen, als würde er, mit seiner Musik, die Leere vertreiben. Als der Song verklungen war und Marcus wieder seine Gitarre zur Hand nahm, ergriff Matthias das Wort und erzählte was zum folgenden Song Fate/Illusion, er sei etwas leichtere Kost. Ein Cowboy, der barfuß durch Scherben lief, traf Schrödingers Katze und der Song handle von Gesprächsfetzen der beiden. Der vorletzte Song, bei dem Marcus die Band vorstellte, war The Orphanage, der Opener des ersten Albums von Die Kammer, und wurde von den Zuschauern begeistert aufgenommen und mitgesungen. Dennoch war die Zeit begrenzt und Die Kammer verabschiedeten sich mit folgenden Worten „Höchst verehrtes Publikum, das war Die Kammer in der fünften Schaffensphase. Viel Spaß noch mit Veljanov.“ Sie verbeugten sich und verließen unter lautem Applaus die Bühne.
Setliste Die Kammer: My Dearie Don’t Worry // Cold, Cold Comfort // Ignoring My Safeword // The Black Veil Of Eternity // I’ve Given Up To Cry // The Void // Fate/Illusion // I’m Leaving Now // The Orphanage // Ago
Veljanov
Die Musiker kamen schweigend auf die Bühne, Alexander Veljanov setzte sich auf einen Barhocker und dann ging es los. Natürlich ist es irgendwie Deine Lakaien, aber dann auch wieder nicht. Die charismatische Stimme ist einfach unverwechselbar, der Sound ist anders, rockiger, weniger elektronisch, dennoch trägt es Veljanovs Stimme, wie ein perfekt aufeinander abgestimmtes Uhrwerk. Das Lied vom einsamen Mädchen gibt es in einigen Versionen, unter anderem von Laibach oder auch von Hildegard Knef. Aber selten schafft es jemand, die allumfassende Traurigkeit dieses Songs so wiederzugeben. Als der Applaus einsetzte, sah man das erste Lächeln auf Veljanovs Zügen aufblitzen. Er wünschte „Einen wunderschönen Abend Wiesbaden“, mit einer Stimme, die es mir schwer macht, sie zu beschreiben. Sie ist wie etwas Altes, Verborgenes, wie gegen den Strich gebürsteter Samt, ein Timbre, das dich berührt. His Vita ist wieder elektronischer gehalten, die Leute bewegen sich langsam zur Musik und jeder Blick ist wie hypnotisiert auf die Bühne gerichtet. „Es ist schön wieder als Veljanov auf Tour zu gehen“ meinte er, bevor er Man with the Silver Gun ansagte. Das kam in der Tat sehr countrylastig daher und ein kleiner Vergleich zu Johnny Cash schlich sich in meine Gedanken. Ob das beim Publikum auch solche Vibes weckte, konnte ich natürlich nicht beurteilen, aber die Menge war begeistert. Als Veljanov wieder das Wort ergriff, bemerkte er wie ungewohnt kuschelig es hier war, aber dennoch sehr schön. Zwischendurch lief er über die Bühne, stand für einige Momente ganz hinten, so als ob er etwas Abstand brauchte. Was allerdings nicht wirklich wunderte, immerhin stand er auf Armlänge vor der ersten Reihe. Durch diesen nicht vorhandenen Raum zwischen Zuschauerraum und Bühne, gepaart mit der besonderen Musik von Veljanov entstand eine so intime Atmosphäre, die sich kaum in Worte fassen ließ. Obwohl der Sound von Veljanov sehr rockig ausgelegt ist, fielen einem die experimentellen Soundspiele durchaus positiv auf.
An der E-Gitarre wird Veljanov von Goran Trajkoski begleitet, der auch zum Live-Ensemble von Deine Lakaien gehört. Mit ihm arbeitet Veljanov seit dem 2009 erschienenen Album Porta Macedonia zusammen, von diesem Album kam auch der Song Mein Weg, der nun folgte, Mein Weg singt Goran mit seiner eigenen Band auf Mazedonisch. Bei dem Song wurde auf das klassische Schlagzeug verzichtet und Slobodan Kajkut spielte nur auf den Drumpads. Wieder kam es sehr hypnotisch daher, sodass man vom Bühnengeschehen vollkommen gefesselt war. So ein bisschen Deine Lakaien durfte selbstverständlich nicht fehlen, deswegen Where you are in der Veljanov Fassung, die wieder etwas rockiger, als das Original war, folgte und stille Grüße gingen an Ernst Horn. Nachdem man es schon geraume Zeit gemerkt hatte, dass es im Kesselhaus sehr warm war und auch Veljanov etwas unter den Temperaturen litt, erzählte er, dass es am Vortag in Dresden sehr kühl war in der Location. Normalerweise, hört man in diesen Momenten Zuschauer, die mit Nachdruck „Ausziehen“ schreien, hier waren es wenige, fast schon höfliche Vorschläge, was Veljanov vehement verneinte. Nach Nie mehr wechselte er dann von Lederjacke auf Jackett. Bei dem folgenden Song Fly away wünschte er sich wohl, an etwas angenehmer temperierte Ziele. Das Publikum war hin und weg, der Großteil tanzte von der Magie des Songs in den Bann gezogen. Jedoch steht auch bei einem Veljanov Auftritt, die Zeit nicht still und die Band verließ die Bühne. Der folgende Applaus und die Zugabe-Rufe schienen kein Ende zu nehmen.
Die Rufe wurden natürlich erhört. Nachdem sie sich wohl ausgiebig erfrischt hatten, kamen sie zurück und die Frage, ob wir uns wenigstens zu trinken geholt hätten, wurde mit einigen Lachern kommentiert. Your House on My Hill sang Veljanov zusammen mit Goran in rotes Licht gehüllt, am Bühnenrand wieder zum Anfassen, immer noch faszinierend und ungewohnt. Der letzte Song dieses Abends, wurde vom Publikum sehr freudig aufgenommen, handelte es sich doch noch um ein weiteres Deine Lakaien-Cover. Und auch in dieser Version war Lass mich (dein Lakai sein) ein avantgardistisches Meisterwerk, die Besucher waren ein letztes Mal am Tanzen. Endloser Applaus folgte, nun verbeugten sich auf der Bühne alle Musiker nochmal, bevor es endgültig zu Ende war.
Setliste Veljanov: Das Lied vom einsamen Mädchen // His Vita // Man with the Silver Gun // The Sweet Life // Summer Nights (Kiss the Rain Goodbye) // Mein Weg // Because of You // Where you are (Deine Lakaien Cover) // Nie mehr // Fly Away // Dirt // Your House on My Hill // The Ride (Deine Lakaien Cover) // Town by the River // Lass mich (dein Lakai sein)
Bericht: Sandra
Bilder: Patrick
Mehr von Die Kammer, Veljanov und Deine Lakaien bei Dark-Art findet ihr hier:
Antworten