Heute trauen wir uns von Dark-Art einmal wieder in ein neues Terrain, der Welt der Filme. Hier geht es jedoch nicht darum aktuelle Kinohits zu besprechen, die man schon überall um die Ohren bekommt, sondern alternative Kunst besprechen, die auf die Leinwand gebracht wurde. Dafür haben wir uns mit dem Regisseur Daniel Hadrović unterhalten um einmal etwas hinter die Kulissen zu schauen.
Regisseur Daniel Hadrovic & Editor Gabriel dos Santos Dias
- Was hat dich zum Filme machen bewegt, dass du neben dem normalen Alltag dieses Hobby gewählt hast, das sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, wie ich aus eigener Erfahrung weiß?
-Seit Ende 2010 habe ich bei meiner „Normalen Arbeit“ durchgängig mit Suchtmittelabhängigen, psychisch Gestörten und Delinquenten der härteren Gangart zu tun. Darunter waren auch Arbeitsstellen mit einer Arbeitszeit von zehn Stunden am Tag zuzüglich einer 45minütigen Pause, Überstunden nicht ausgeschlossen. Von daher haben meine Arbeitsstellen oft meinen Alltag definiert. Irgendwann braucht der Mensch auch mal Abwechslung. Bezüglich meiner Hobbys hülle ich mich lieber in Schweigen, denn die sind so aufregend wie Häkeln. Das Filmemachen hingegen ist bei mir vermutlich einer Psychose geschuldet, die aufgetreten sein muss, weil ich bis zum 16. Lebensjahr ununterbrochen TV schaute, mich dann aber über Jahrzehnte fast gänzlich von der Flimmerkiste abgewendet habe.
- Was schätzt du an der Filmarbeit und was macht den Reiz daran für dich aus?
-Kann man überhaupt irgendwas an dieser frustrierenden Prozedur reizvoll finden? Ich glaube, das ist keine Frage für leitende Positionen oder die Technik Crew. Mir scheint, sie eigne sich allgemein hervorragend für das Herauskitzeln von Geständnissen bei Schauspielern, welchen emotionalen Herausforderungen sie während des Drehs ausgesetzt waren. Wenn es bei mir aber etwas gibt, das nicht dem Zwang, sondern dem angesprochenen Reiz geschuldet ist, dann ist es, zu versuchen, dem Betrachter trotz limitierter Mittel intensivere Gefühle zu erwecken.
Thomas Goersch & Antonio Putignano
- Woher ziehst du deine Inspirationen für deine Filme? Was beeinflusst dich dabei?
-Musik öffnet uns Tore zu Emotionen, die uns in der materiellen Welt verwehrt bleiben. Träume tun das auch, aber sie lassen uns zudem in unzugänglichen Sphären wandeln, die uns auf der rationalen, naturwissenschaftlich erblebten Realität verschlossen bleiben. Meine Filmprojekte waren bisher also immer von Musik und Träumen inspiriert und der Wechselwirkung zwischen Harmonie und Disharmonie verpflichtet. Das Motiv „Traum“ erklärt eigentlich auch ein wenig, warum bekannte Film- und Fernsehdarsteller unverzichtbar für „Töte mich noch einmal“ sind. Sie dienen als Äquivalent zu individuellen Bezugspersonen des Zuschauers. Ich kann als Regisseur schlecht tausende Versionen des Films produzieren, damit jeder Betrachter ein surreales Erlebnis mit einer ihm nahestehenden Person erfahren kann. Antonio Putignano, der als „Stefano Maldini“ in der erfolgreichsten deutschen Daily Soap „Marienhof“ eine ganze junge Mainstream-Generation mitprägte und Thomas Goersch, der stets authentisch in etlichen Filmproduktionen unter anderem als widerlicher Psychopath, liebenswürdiger Familienvater oder trotteliger Polizist auftrat, funktionieren für mich perfekt als Traumsymbole, als Wiedererkennungswert oder eben Bezugspunkt, zumindest im deutschsprachigen Raum bei Filminteressierten Menschen.
- Dein aktuelles Werk, welches am 09. November veröffentlicht wird, heißt „Töte mich noch einmal“. Kannst du uns ein wenig zum Inhalt verraten und der Story, die dahinter steckt?
-Das „Töte mich noch einmal“-Drehbuch ist wie ein klassisches Kammerspiel konzipiert. Es handelt von Clemens, gespielt von Thomas Goersch, der bei einer Lesung des Krimiautors Michele, gespielt von Antonio Putignano, erscheint und ihn bezichtigt, der Mörder von Saphira, gespielt von Shirley Hermanick, zu sein. Je penetranter der Fan den Schriftsteller verfolgt, desto intensiver treten Realitätsveränderungen auf. Wichtige Stilmittel sind, wie zuvor erwähnt, die, ich möchte sie „marode Bildästhetik“ nennen, und natürlich der herrlich hypnotische, psychedelisch verspielte Score von Two Whole Quails.
- Du hast einen sehr ungewöhnlichen Bildeffekt für den ganzen Film gewählt, mit aufblitzenden Bildern, wie ein Strobo Blitzlicht. Was hat dich dazu bewegt und was wolltest du damit ausdrücken?
-Dem Zuschauer steht frei zu interpretieren. Ich habe es bereits einmal ziemlich radikal in einem Interview zu meinem Kurzgeschichtenband „Küss mich, Stalker“ formuliert, aber diesmal halte ich etwas zurück: Ich bin kein Deutschlehrer, der zuerst eine Menge ermutigt, das Kunstprojekt zu interpretieren und dann schlechte Noten verteilt, wenn die Interpretationen nicht meinem eigenen Vorstellungen entsprechen. Natürlich werde ich protestieren, wenn jemand ernsthaft in meinen Werken Aufrufe zu Straftaten oder ähnliches zu erkennen glaubt, aber sonst dürfen Zuschauer unbehelligt ihren Geist entfalten, wenn sie Freude daran verspüren.
Die Effekte sind im Vergleich zu anderen Underground-Produktion tatsächlich mit verschiedenen analogen und digitalen Methoden umgesetzt, was besonders in der zweiten Hälfte mit Shirley gut zur Geltung kommt. Da wir in ihrem Part die musikalische Untermalung von Two Whole Quails haben, mussten wir nicht zeitaufwendig den Ton „zersetzen“, sondern konnten uns voll und ganz auf die Bildbearbeitung konzentrieren. Hier hat Gabriel dos Santos Dias mit dem Schnitt meiner Ansicht nach wirklich gezaubert. Wir trafen uns manchmal bei Massen an Energy Drinks und Sake und tüftelten stundenlang an wenigen Sekunden, die mir besonders am Herzen lagen, obwohl mir bewusst war, dass niemand das jemals außer uns beiden erkennen würde.
Szenen aus dem Film „Töte mich noch einmal“
- Was hältst du von der aktuellen Underground Filmszene in Deutschland/Österreich/Schweiz. Ich selbst bin viel im Gore und Splattergenre unterwegs und denke, dass hier gerade einiges passiert und viel Potential vorhanden ist. Wie siehst du das?
-Auch ohne in professionellen Filmproduktionen tätig gewesen zu sein, kann ich bestätigen, dass Internet, digitale Medien und moderne Kommunikationswege die Mechanismen des Films umgestellt haben. Filmliebhabern ist es möglich, als Produzenten hauptverantwortlich und erfolgsorientiert in Aktion zu treten und Nischenfilme innerhalb einer kurzen Zeitspanne an Konsumenten mit speziellen Interessen zu bringen. Der Undergroundfilmemacher muss nicht mehr unweigerlich sein Dasein in Anonymität fristen oder fürchten, seine Authentizität durch eine wachsende Zielgruppe innerhalb einer eingeschworenen Szene zu verlieren. Das ermutigt Filmschaffende momentan vor allem im Extrembereich. Es wäre wünschenswert, wenn es bald auch andere Genres wie Dramen, Heimat- und Liebesfilme mit einspannen würde.
- Du hast auch noch weitere Projekte an denen du Arbeitest. Bei „Regenwetter“ (Dezember 2019) wirkst du wieder als Regisseur und „Herr Berger sucht seinen Sohn“ (Januar 2020) als Press und PR Manager mit. Wie kam es zu diesen Werken und den verschiedenen Arbeiten die du übernimmst?
-Dass wir an dieser Stelle „Herr Berger sucht einen Sohn“ bewerben, wird Thomas Goersch sicherlich ein kleines Schmunzeln bereiten, denn dieser Film war, soweit ich das beurteilen kann, eine echte Herzensangelegenheit für ihn – und siehst du? Schon bin ich wieder als Press und PR Manager aktiv geworden! (Lacht) Ich wollte Thomas einfach unterstützen und konnte bestimmte Kontakte herstellen.
„Regenwetter“ hingegen ist eine bereits fertiggestellte, dunkelgefärbte Realty-Seifenoper-Persiflage mit einer Laufzeit von gerade einmal drei Minuten. Während ich als Regisseur noch eine humoristische Note zu Beginn anstrebte, haben die meisten Zuschauer das Filmchen als provokant empfunden. Dass ich darin eine versteckte positive Botschaft eingebaut habe, kaufte mir bisher niemand ab. Es gab Leute, die beim Betrachten von „Regenwetter“ wütend wurden, was wie so oft, nie meine Absicht war.
- Und welche Arbeiten bei Filmen machen dir am meisten Spaß, warum genau diese und wird man dich auch noch in weiteren Positionen in Zukunft erwarten können? Wie ist die Arbeit so mit dem restlichen Team, das hinter jedem Film steht?
-Die einzigen anderen Position nehme ich bei Presseterminen wahr und als Autor von Belletristik. Du hast natürlich Positionen innerhalb des Films angesprochen, aber bis auf einen Cameo-Auftritt ist derzeit alles andere ausgeschlossen.
Spaß macht mir am Film vor allem das Endprodukt, wenn die eigenen Ansprüche größtenteils erfüllt wurden und wenn es den Zuschauer berührt hat. Es erfüllt mich mit Zufriedenheit, wenn ich sowohl ein Schmunzeln auf Gesichter zaubern als auch einen Hauch Melancholie oder Traurigkeit erzeugen konnte. Das ist wirklich keine einfache Sache, besonders wenn man ein verschwindend geringes Budget zur Verfügung hat. Ich bin glücklich, wenn Schauspieler sich gut aufgehoben fühlen, Vertrauen entwickeln und Spaß an der Sache haben. Ideal wäre ein Paket aus alldem, aber die Realität sieht auch mal anders aus. Manche Schauspieler haben weite Fahrtwege hinter sich, sind bei Ankunft ausgelaugt, besonders wenn die Drehzeit auf schwüle Sommertage fällt. Andere kommen vielleicht aus der Nähe, haben aber reguläre Jobs, obwohl sie in professionellen Kinofilm oder Fernsehproduktion tätig sind und geben ihre teure Freizeit auf, bleiben die wenigen freien Momente ihren Familien fern, um sich an einer Underground-Produktion zu beteiligen. Dann können Missverständnisse und mangelhafte Kommunikation zu Disharmonien führen, was nicht zielführend ist. Trotzdem entstehen nicht selten Freundschaften und nach überwundenen Problemen kommt neue Kreativität auf.
Shirley Hermanick & Daniel Hadrovic
- Wenn du selbst Filme machst, liegt die Vermutung nahe, dass du auch privat ein großer Filmliebhaber bist. Hast du Zuhause eine große Sammlung und wenn ja, was findet man hier vor? Oder gehörst du noch oder auch noch zu den klassischen Kinogängern, die schon sehnsüchtig die ein oder andere Prämiere im großen Saal erwarten? Welche Filme haben dich persönlich Inspiriert?
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich noch nie ein großer Kino-Fan war, was aber daran liegt, dass sich bereits in meiner Jugend diese gigantischen Kino-Monstrositäten größter Beliebtheit erfreuten. Ich habe es gehasst, auf riesigen Leinwänden Mainstreamfilme mit hunderten Jugendlichen anzuschauen, die in Horden übermäßig auftakelt hineinströmten und jeglichen Anflug von romantischer Atmosphäre wie wilde Wikinger niederschlugen. Und kennst du dieses Phänomen, wenn kollektiv hysterisches Gelächter ausbricht, an einer Stelle im Film, bei der du als einziger davon überzeugt bist, dass sie gar nicht komisch gemeint war? Schrecklich…
Filmfans aus Hessen, die es ein bisschen kleiner mögen, sollten sich über das Kino „Pali“ bzw. „Casino“ in Gelnhausen informieren, das Einsaal-Kino „Berger“ in Frankfurt Bornheim, Kino „Mal Seh´n“ in Frankfurt Nordend, wo auch Underground und Avantgarde aufgeführt wird und sicherlich gibt es noch mehr Tipps.
Weil ich im TV nur „Kulturzeit“, „Jimmy Fallon“ und früher „Game One“ schau(t)e, besitze ich eine gutsortierte Filmsammlung verschiedener Genres, aber ehrlich gesagt, habe ich mich in den letzten Jahren von aberhunderten DVDs, Blu-rays und auch Büchern getrennt.
- Kannst du uns einen kleinen Blick in die Zukunft geben, wie es mit Filmen bei dir weitergeht? Ist dies erst der Anfang einer hoffentlich langatmigen Karriere in dem Business? Dann bedanke ich mich recht herzlich für dieses Interview und bin schon gespannt, was noch kommt.
-Vor etwas mehr als einem Jahr hätte ich dir geantwortet, dass ich mit Sicherheit niemals das Filmen vernachlässigen werde. Vor etwas mehr als einem halben Jahr, hätte ich dir während einer extremen Krisenzeit durch plötzlich aufgetretene Urheberrechtsprobleme und daraus unüberwindbare erscheinende Schwierigkeiten geantwortet, dass ich mich mit hundertprozentiger Sicherheit nie wieder diesem Wahnsinn aussetzen werde. Heute ist „Töte mich noch einmal“ fertiggestellt und ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Aber neben einer sehr anstrengenden regulären Arbeit, mit der ich meinen Lebensunterhalt bestreite, haben Postproduktion des Films, viele lange Anfahrten, Pressetermine (die ich sehr genieße und liebe) meine gesamte Freizeit gefressen. Zeit für Familie und Freunde fast gar nicht mehr. Als Autor trat ich bis auf ein kurzes Intermezzo auch nicht mehr auf den Plan. Ich bräuchte eigentlich erst einmal sechs Monate auf einer einsamen Insel, um die Situation richtig einschätzen zu können.
Zum Schluss kannst du gerne noch ein paar abschließende Worte an die Leser von Dark-Art, den Zuschauern deiner Filme oder an wen du sonst noch ansprechen möchtest richten.
-Dir Jonas, vielen Dank, dass du mir dieses Interview ermöglicht hast und natürlich allen Redakteuren von Dark-Art, die sich dafür aussprachen. Den Lesern von Dark-Art empfehle ich dringend: Bleibt individuell und einzigartig, verlernt nicht euer Leben zu genießen. Macht Liebe nicht nur mit den Schönsten, sondern mit den Coolsten oder auch mit den Unauffälligen. Hört Musik, guckt Filme, lest Bücher, macht Kunst und vielleicht sieht man sich irgendwo mal.
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