Es bildete sich eine ordentliche Schlange vor der Halle 02 in Heidelberg und das schon kurz vor 13 Uhr. Alle haben ein Ziel, das NEW EVIL MUSIC Festival. Ernie Fleetenkieker leitet durch den Abend, nimmt sich immer paar Minuten und spart Zeit, weil er bei Harakiri die dreckigen Backstagestorys auspacken möchte. Ein großer Dank geht dabei an Christian, der hier sein 20-jähriges Jubiläum als Veranstalter NEW EVIL MUSIC feiert.
Den Anfang machten Entgeist aus Heilbronn, ein quasi Heimspiel also. Bei blauem Lichtschleier begann die Band bei gar nicht so wenig Publikum ihr Set, in der Dunkelkammer, die man gemeinhin die Halle 02 nennt. Sänger Tim erklärte auch schnell, dass ihr Schlagzeuger nicht so schwitzt, weil er so hart Schlagzeug spielt, sondern weil er die mitgebrachte Lichtanlage zum Laufen bringen versuchte. Das sollte wohl so sein. Tim schob es auf’s Karma, da er für das Festival eine Hochzeitseinladung abgesagt hatte. Dennoch, die Band zog das Set durch und auch das Publikum war nicht unbedingt entgeistert von der Performance, ganz im Gegenteil.
Weiter ging es mit Perchta aus Tirol. Die Band legt seit kurzem einen Senkrechtstart hin. Mit Tiroler Dialekt, traditionellen und aus der alpinen Folklore entstammenden Elementen, wohnt der Musik der Band ein besonderer Klang inne. Thematisch bewegt sich die Band mit dem kürzlich erschienenen Album D’Muata in einem Bereich, der nicht so oft angesprochen oder gar besungen wird: Die Weiblichkeit in ihrer all umfassenden Weite, die Lust, das Mutter-Werden und vieles mehr, das stark beeinflusst ist durch den Beruf von Sängerin Julia, die Hebamme ist.
Das Intro, ein waberndes Geräusch von Wasser, ein Kinderschrei und Gänsehaut, die sich durch die Reihen zieht, bis es mit Ois wås ma san richtig losgeht und das Publikum aufhorchen darf. Zwischen den Musikstücken folgen Einspieler, die die Stimmung passend untermalen, das wabernde Wasser ein wiederkehrendes Element. Spätestens mit Vom Verlånga hat die Band das gesamte Publikum sichtlich in ihren Bann gezogen und lassen sie bis zum Ende nimmer los.
Setliste: Ois wås ma san // Åtem // Gluat // Vom Verlånga // Hebamm
Mit Groza wurden etwas dunklere Töne angeschlagen. Der Name bedeutet soviel wie Bedrohung und zieht einen Bezug auf die polnische Black Metal Band Mgła mit sich, in deren Vorbild reihen sich Groza auch in die Reigen der maskierten Black-Metal-Bands ein. Aus der Nebelwand getreten, ging es auch schon los. Mit schnellen Gitarrenschlägen und einem scharfkantigen Gesang zog die Band wieder neue, härtere Seiten auf, weniger melodisch, dafür „straight forward“.
Auch das kam bei der Menge gut an, die die Musik mit schüttelndem Haupt genoss. Zwischendrin wurde ein Song ihrem verstorbenen Bassisten Mike gewidmet, was mit einem starken Feedback vom Publikum belohnt wurde. Beim letzten Song beehrte der Sänger von Harakiri for the Sky die Band auf der Bühne.
Wie vor jeder Band beehrte uns auch hier wieder Ernie, der an dieser Stelle etwas wirklich Wichtiges sagte. Als Veranstalter muss man ein Gefühl dafür haben, was funktioniert und an einem Abend wie dem 20 Jahre NEW EVIL MUSIC Festival, gibt es allerdings auch Bands, auf die man sich einlassen muss, die Augen schließen und zuhören soll. Chapel of Disease sind mit ihrer Mischung aus Progressive Death Metal und Hard Rock definitiv eine große Abwechslung, eine auf die man sich einlassen muss.
Lange und verspielte Parts der Leadgitarre, ein grooviger Bass und in diesem und seltener, dafür konzentrierteren, gutturalem Gesang, in dem Sänger und Leadgitarrist Laurent direkt den Schalter von Rock auf Metal umlegte. Dann dürfen auch ein paar Blastbeats nicht fehlen und dann fährt sich in den Gesangslosen Parts alles ein wenig runter ins Melodische. Das ganze funktioniert perfekt und bringt einen starken Kontrast zu Groza, die zuvor spielten.
Setliste: Echoes of light // A Death Though No Loss // VOID // Oblivious – Obnoxious – Defiant // Selenophile
Weiter ging es mit einer weiteren Band aus Österreich, Ellende aus Graz. Mit Ballade auf den Tod eröffnet die Band das Set in strahlend weißem Licht, das diese Dunkelkammer sanft einhüllt und die Menge feierte ordentlich mit. Im Gegensatz zu manch anderen Truppen dieses Genres sind sich Ellende nicht zu schade ein paar Worte ins Publikum zu richten.
Mit der Blick wird Leer und Freier Fall fängt das Doubleblast-Gewitter und das Stroboskop-Geflacker an und leider verstehen viele Bands und Lichttechniker nicht, dass Stroboskop über längere Zeit fahrlässig ist, da nicht nur Epileptiker darauf anspringen. Doch genug gemeckert, weiter zu Ellende… Die Band schaffte es, das Publikum abzuholen und 50 Minuten in ihrem Bann zu halten.
Setliste: Ballade auf den Tod // Der Blick wird Leer // Freier Fall // Der letzte Marsch // Verachtung // Abschied
Mit einem langen Umbau, samt Soundcheck ging es pünktlich weiter… Mit der Ansage von Ernie, was das ganze natürlich nach hinten rückte. Er erzählte von den japanischen Geistesgeschichten, die The Vision Bleak auf ihrem letzten Album als Thema nannten. Ernie kennt sich als großer Hentai Fan natürlich mit japanischer Literatur aus!
The Vision Bleak brachten neben Räucherwerk auch eine vollgepackte Setlist mit neuen und alten Stücken, darunter the Night of living dead, das direkt beim Publikum ankam, mit. Mit Into the Unknown folgte eines der bekanntesten Stücke der Band, bei denen eine Menge Leute mitsingen konnten. Die Ansagen in Englisch wirkten dabei beinahe drollig.
Kutulu war ein weiteres Highlight am Ende des Sets, kein Wunder, bei diesen Kultmonstern! Insgesamt kann man sagen: The Vision Bleak bringen den Charme der Musik aus den 80er-Horror-Filmen auf die Bühne und all das geschickt, mitreißend und ein wenig unterhaltsam.
Setliste: Rue D’Auseil // The Night of the living Dead // Into the Unknow // Carpathia // Flower/Prenature Burial // Elizabeth Dane // By our Brotherhood with Seth // Witch with eyes of Amber // Kutulu! // The Deathship Symphony
Nun begrüßte uns ein schicker Ernie im beigen Anzug auf der Bühne und erzählte von seinen nächtlichen Cocktaileskapaden der letzten Nacht. Es ging dabei um die Band mit der wahrscheinlich längsten Anreise des Festivals: Hexvessel aus Finnland. Die Band spielt eine recht eigensinnige Mischung aus Psychedelic-Folk-Rock, Atmospheric-Post-Black und Doom-Metal, vorgetragen von einer grandios hallenden Stimme. Leider konnte die Band nicht viele mit dieser Musik abholen und es verließen etwa 2/3 der Besucher die Halle, viele wahrscheinlich jedoch um etwas Kraft zu tanken für die folgenden Bands.
Doch Hexvessel ließen sich nicht beirren und spielten ihre Musik, um das Leben, aber auch den Tod zu feiern. Eine grandiose und spannende Band, die bedauerlicherweise wohl für diese Veranstaltung ein wenig zu speziell war.
Weiter geht’s mit AHAB, die Funeral-Doom-Metal Band schaffte es die Halle komplett auszufüllen und so wippten die Köpfe der Menge im Tank, der zugegeben, sehr langsamen Musik. Wie Ernie bereits in seiner Anmoderation erzählte, würde der Schlagzeuger die Snare anschlagen, zur Tanke gehen, sich ein Bier holen, zurückkommen und nochmal anspielen, wäre er dem Rest zu schnell. Zugegeben, etwas übertrieben, dennoch ganz passend.
Das schien jedoch das Publikum nicht zu stören, ganz im Gegenteil. So ziemlich alle schienen die Musik zu genießen und gemächlich mitzuwippen, bis auf ein paar einzelne, welche die Musik stark lebten, und so hart headbangten, dass die Absperrung wackelte. Ein Auftritt von guten 45-50 Minuten der sich anfühlte wie acht Stunden.
Nach einem kurzen Umbau ging es mit dem ersten Headliner des Abends weiter: Empyrium. Die Band hatte für diesen Abend ihre Old School Setlist herausgesucht und pilgerte gen Heidelberg, um die gesamten Songs of Moors and Misty Fields darzubieten. Im Schein roter Kerzen und einer unfassbaren Ruhe auf der Bühne startete die Band um Markus Stock das Set mit When the Shadows grow longer und das Publikum ging wieder zum andächtigen Mitnicken über.
Einige wenige headbangten gemächlich zur Musik, andere genossen das Set mit geschlossenen Augen und so floss das Album in den folgenden 45 Minuten nur so durchs Set. Mourners ging fließend in Ode to Melancholy über, Lover’s Grief regte einige stärkeren Headbangen an und in kleinen Pausen bedankte sich die Band und das Publikum antwortete mit einem zufriedenen Applaus. Nach The Ensemmble of Silence folgte jedoch noch kein Ende, sondern ein Stück aus der 1994er-Demo, My Nocturnal Queen.
Nach 3 doomigen und eher gemächlichen Bands war es Zeit, das Publikum wieder aus dem glückseligen Schlummerschlaf zu wecken und zurück in die Realität zu bringen. Da hilft auch Moderator Ernie gleich, indem er das Publikum auffordert, einen Schrei der Stufe 10/10 abzusetzen. Das Ganze sollte und wurde mit Vorfreude auf Harakiri for the Sky auch schnell umgesetzt. Ich persönlich muss an dieser Stelle allerdings anmerken, dass die Positionierung als letzte Band eher unglücklich gewählt wurde, und sie an Platz 9 einen schöneren Kontrast geboten hätten.
Die österreichische Band spielt thematisch in ihrer Musik eher mit den negativen Momenten des Lebens und so strotzt der Auftritt auch von gewisser Wut und Verzweiflung. Songs wie I, Pallbearer oder Fire, Walk With Me haben kein Happy End und so wandert der Sänger J. J. mit schreiend, jammernder Stimme auf der Bühne rauf und runter, während der Rest die Instrumente an ihre Belastbarkeitsgrenze spielt. Donnernde Blastbeats, mit zwischenzeitlichen Ruhepausen, zeigen das Auf und Ab der Emotionen und halten das Publikum in ihrem Bann. Am Ende des letzten Songs sprang J.J. von der Bühne runter und stieg auf die Absperrung und kam so dem Publikum noch einmal nah.
Insgesamt ein tolles Festival mit einem guten Line-up, persönlich hätte ich die Spielreihenfolge anders gewählt, um eine bessere Dramaturgie zu erzeugen.
Die im Club stehenden Verkaufsstände waren leider so weit ab vom Schuss und nicht ausgeschildert, dass sie leider kaum Aufmerksamkeit erfuhren. Soundtechnisch war das Festival bedauerlicherweise kein Highlight, das ganze dem engen Zeitfenstern zum Umbau geschuldet und durch die vielen Technischen Probleme geplagt. Aber es wurde immer das beste draus gemacht und das Publikum hatte ordentlich Spaß!
Bericht: Roksana
Bilder: Matthias
Mehr über die Bands bei Dark-Art findet ihr hier:
- Konzertbericht: The Vision Bleak, Weird Tales and Other Haunting Stories in Frankfurt am Main, 27.10.2024
- Festivalbericht: Prophecy Fest 2024 – Freitag
- Review: Perchta – D´Muata
- Festivalbericht: Wolfszeit Festival, Donnerstag, 22.08.2024
- Festivalbericht: Walpurgisnacht Festival Vol.III, Samstag 27.04.2024
- Festivalbericht: Walpurgisnacht Festival Vol.III, Freitag 26.04.2024
- Festivalbericht: Ragnarök Festival, Freitag 05.04.2024
- Festivalbericht: Dark Easter Metal Meeting, Sonntag 31.03.2024
- Bilder: 17.06.2023 Aaargh Festival – Samstag
- Festivalbericht: Aaargh Festival 2023
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