Der Samstag des Boarstream Open Airs startete mit einem Sonnen-Wolkenmix, ausgelassener Stimmung auf dem Campingplatz und dem Festival angemessener Musik in moderater Lautstärke in unserem Camp. Oder, wie ich gelernt habe, Qualitätsgeknüppel. Ich meine, nicht jeder muss alles mögen, aber auf dem Campground den anderen Campern die Musik zu verbieten… Das war uns dann auch etwas suspekt! Nachdem wir diesmal ausreichend Frühstück mit dabei hatten, verzichteten wir diesmal auf das angebotene Weißwurstfrühstück auf dem Infield.
Auch durften wir einen neuen Wurfgegenstand beim Flunkyball kennenlernen, den schwarzen Riesendildo. Ob das der von Darkfall gewesen ist? Wer weiß… Das Spiel wurde liebevoll von uns in DingDongBall umgetauft. Nachdem es dann immer muckeliger wurde, entschlossen auch wir uns, mal die nahegelegene Badestelle aufzusuchen. Diese ist nach kurzem Fußmarsch erreichbar und mit Liegewiese und einem Holzplateau im Wasser ausgestattet. Können wir nur jedem empfehlen!
Aber starten wir mal mit der ersten Band, Nyctopia. Die Schotten haben sich eigentlich den Black Metal auf die Fahne geschrieben, aber ich finde, so ganz klar verschubladen lassen sie sich nicht. Mit Keyboard und später auch einer Geige, kreierten sie einen spannenden Mix, welcher anfangs mit Skepsis seitens der Crowd, aber dennoch gut angenommen wurde. Sänger Nechtan zeigte eine starke Bühnenpräsenz, immer war er am Gestikulieren und am Interagieren mit dem Publikum. Auch sorgte ein Crewmitglied immer wieder für Showeinlagen, indem er mit langem Mantel und alter Mann Maske Bier brachte, Gitarren platzierte oder von ihrer Frontsau im feinsten Judo-Style auf die Bühnenbretter gelegt wurde. Das tat beim Zuschauen schon irgendwie weh. Nechtan hatte dann irgendwann auch noch zwei Tierhufe in der Hand, welcher er gekreuzt vor sich hielt, bevor er wieder zu seinem in einem Schädel eingebauten Mikrofon griff. Zudem holten sie sich noch einen Gastsänger und eine Feuerkünstlerin auf die Bühne, welche auch noch für zusätzliche Show sorgten. Die Hufe fanden nach dem Gig übrigens ihren Weg in das Publikum.
Danach kam mit Home Reared Meat das volle Kontrastprogramm. Ein Blick Richtung Bühne zeigte uns ein Haufen Typen in zerschlissenen Klamotten, die wie amerikanische Farmer aus der tiefsten Pampa aussahen. Okay, sah nach Spaß aus. Und dann lief als Intro Cotton Eye Joe, Humor haben sie. Eins konnte ich direkt feststellen, sie nehmen sich selber überhaupt nicht ernst, sowas mag ich :). Dann musste sich auch noch der Nudelkopf wieder die „scheiß Schuhe“ anziehen, weil der Bühnenboden so verflucht heiß war. Musikalisch gings richtig rund, voll auf die Fresse. Irgendwie sozialkritisch, mit der gehörigen Portion Sarkasmus, das kam an. Das Ganze verpackt in irgendwas Deathcore ähnliches, voila… Als dann auch noch einer der Sänger Ausflüge in die Crowd und den Mosh- und Circlepit unternahm, war die Party perfekt. Und ich meine, wer Texte über ’nen Kleinwüchsigen schreibt, der eine Armee aufstellt oder einen fetten Jesus, welcher sich in seinem Sessel festgefressen hat… Oder ein Rollstuhlfahrer, welcher sein Gefährt tunet, um alle anderen behindert zu machen, dann kann man das entweder für total bescheuert, oder eben irgendwie grandios halten. Und auch eine kaputte Fußmaschine konnte die Dudes nicht stoppen, es wurden bei strahlendem Sonnenschein Schlagerklassiker, wie Wann wird es wieder richtig Sommer zum Besten gegeben. Großes Kino Jungs!
In eine komplett andere Richtung ging es danach mit Servant. Es wurde wieder abgrundtief schwarz und deutlich düsterer. Die deutschen Black Metaller holten alles aus sich heraus. Hart, aber auch mit wunderbaren melodischen Passagen, konnten sie bei strahlendem Sonnenschein dennoch ohne große Mühe überzeugen. Sie erschuffen eine wunderbare Atmosphäre, welche sich über das Infield trug und die Zuhörer zum ausgiebigen Headbangen veranlasste. Schön und schnörkellos, ein komplettes Kontrastprogramm zur vorausgegangenen Band, aber die Leute nahmen es an und feierten es auf ihre eigene, ganz andere Art und Weise.
Als Nächstes stand mit Ash Nazg Búrz ein Tolkien (Herr der Ringe) Todesgeschwader auf dem Spielplan. Die Mexikaner hatten dieses Jahr definitiv die weiteste Anreise. Textlich beschäftigt sich die Truppe unter anderem mit der Mythologie rund um das Tolkien Universum. Einige fragen sich jetzt bestimmt, ob das funktioniert? Black Metal und Fantasy? Das kann ich euch eindeutig mit Ja beantworten. Ebenfalls schöner, knallharter und schnörkelloser Black Metal, welcher ohne großen Schnickschnack auskam. Mir persönlich taugte es nicht hundertprozentig, aber ich hörte danach überwiegend positive Stimmen, denn schlecht waren die Mexikaner definitiv nicht, wurden sie doch von einer aus unserem Team auch liebevoll die „Herr der Ringe Pandas“ getauft.
Mit Necrotted gab es dann wieder den nächsten Richtungswechsel und es ging rund. Aber sowas von! Vor und auf der Bühne! Direkt von Beginn an gab es nur eine Richtung… Vollgas voraus. Das Publikum dankte dem ganzen mit einem absoluten Abriss in Form von andauernden Moshpits. Auch waren Sänger Fabian, welcher übrigens auch barfuß unterwegs war, und Bassist Koray immer wieder auf den Boxen und an der Absperrung unterwegs. Sehr zur Freude der Zuschauer. Diesmal waren sie allerdings auch ohne ihren zweiten Gitarristen unterwegs, dieser war an diesem Samstag als Trauzeuge unterwegs. Dem Gig tat es aber keinen Abbruch und die Crowd feierte ausgelassen. Mich konnten Necrotted nicht nur mit der Musik, sondern auch mit ihren sympathischen Ansagen überzeugen.
Etwas ruhiger, aber dennoch nicht weniger intensiv ging es mit den Dark Metallern von Agathodaimon weiter und auch sie zeigten von vorneherein auf, wo der Hammer hängt. Mit ihren melodischen Stücken, luden sie sofort zum ausgiebigen headbangen, mitsingen und gemütlichen zur Musik schaukeln ein. Auch kam es der Stimmung zugute, dass die erbarmungslose Sonne sich im perfekten Timing während des Auftritts hinter den Bäumen verkrümmelte. Seit kurzen mit neuem Sänger unterwegs waren schon einige sehr gespannt wie er sich schlägt. Und meiner Meinung nach hat Frank seine Sache richtig gut gemacht. Eine tolle Bühnenpräsenz untermalt von intensiven Gestiken. Dazu sah man allen an, dass sie richtig Bock hatten. Agathodaimon schafften es mühelos eine intensive Stimmung zu erzeugen und wussten die Crowd abzuholen. Mir gefiel es sehr gut!
Auch die Südtiroler von Graveworm kennen sich bestens mit gepflegten Abrissen aus. Eigentlich sollten sie schon letztes Jahr auf dem Festival spielen, mussten dann aber leider sehr kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen canceln. Dieses Jahr gings endlich rund. Sie schafften es ebenfalls von Beginn an, die Laune der Besucher aufrechtzuerhalten und sogar noch zu steigern. Sie sind halt ein Garant für tolle und ausgelassene Stimmung. Wo man hinschaute, sah man die Haare fliegen. Ein schöner Auftritt, von super sympathischen Menschen.
Von Südtirol gings zurück nach Schottland. Zumindest teilweise, denn SAOR sind momentan in Live Besetzung ziemlich international aufgestellt. Bedauerlicherweise startete ihr Gig auch erstmal mit technischen Problemen, aber als dann alles gefixt war, ging es atmosphärisch und stimmungsvoll los. Von melodisch über hart, aber immer mit Melodien, welche zum Bewegen anleiten, können sie wirklich immer überzeugen. Auch hier waren wirklich alle am headbangen oder standen da, um sich mit geschlossenen Augen schaukelnd in der Musik zu verlieren. Mir gefällt die Besetzung mit Dylan an den Drumms (der hat einfach immer Bock) und mit Ella als weibliche Verstärkung am Gesang und den traditionellen Instrumenten sehr gut, denn gerade ihr klare, einnehmende Stimme bildet einen fantastischen Kontrast zu der von Mastermind Andy. Lediglich die Tatsache, dass sie aufgrund der Schwierigkeiten zu Beginn einen der Songs streichen mussten und dem komplett fehlenden Frontlicht, schmälerte den Auftritt etwas. Ich mag es halt einfach, wenn man den Musikern die Emotionen und die Leidenschaft beim Spielen ansieht. Und genau das ist normalerweise bei SAOR der Fall.
Dann folgte für mich ein weiteres Highlight. Die italienische Abrissbirne aka Fleshgod Apocalypse durfte ran, zumindest nachdem das Drumset ganz nach links verschoben wurde, um der wunderbaren Veronica und dem Piano auf dem Podest Platz einzuräumen. Und auch hier war ab den ersten Tönen Eskalation angesagt. Leider fehlte der Bassist, was aber kein Problem darstellte, denn Sänger Francesco Paoli übernahm diesen Posten einfach kurzerhand mit. Harte, schnelle Riffs, Pianospiel, Growls und zwischendurch noch der klare Soprangesang von Veronica, Fleshgod sind einzigartig. Der Kontrast aller Elemente innerhalb eines Songs, die Bühnenpräsenz eines jeden einzelnen dieser ungewöhnlichen Kombo… Und auch für die Crowd gab es wirklich kein Halten mehr und alle Bands und Crewmitglieder, die noch da waren oder gerade nichts zu tun hatten, versammelten sich vor der Bühne. Fleshgod Apocalypse ist eine sympathische Truppe, mit wahnsinnig viel Bock, welche man unbedingt mal live gesehen haben sollte! Was für ein Abschluss!
Hat sich das Boarstream Open Air gelohnt? Eindeutig JA! Ein schönes kleines Festival mit humanen Preisen und einer tollen Location. Die Leute hatten Bock, die Crew war super drauf, wir haben nichts Großartiges zu bemängeln. Einzig eine Beleuchtung an den Klos wäre toll und eventuell ein oder zwei Dixies am hinteren Teil des Campinggeländes.
Uns hat es wieder sehr viel Spaß gemacht und wir hoffen in zwei Jahren wieder dabei sein zu dürfen. Dankeschön!
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