Festivalbericht: Sonntag, dem 09.04.2023, auf dem Dark Easter Metal Meeting

Wir hatten bereits den ersten Streich, aber der zweite folgt zugleich… oder genauer jetzt. Ich präsentiere Euch den Bericht über den zweiten Tag auf dem Dark Easter Metal Meeting. Wie am ersten Tag quoll das Line-Up regelrecht über von Black Metal aus allen Teilen der Welt und mit den unterschiedlichsten Ausprägungen und Themen. Von dem antiken Babylon, über den Ersten Weltkrieg hin zur Romantisierung der Natur bot der Sonntag für die Zuschauer viel Abwechslung. Hier die Eindrücke der einzelnen Auftritte.

Der Anfang wird ein wenig… romantisch, wenn man dies über den Black Gaze von Heretoir schreiben darf. Das Werk war bereits bei der ersten Band brechend voll, für mich nachvollziehbar. Mit ihren ruhigen, emotionsgeladenen Liedern war das ein angenehmer Einstieg in das Festival. Die vor Verzweiflung durchtränkte Stimme von Eklatanz peitschte durch das Werk. Dabei blieb es nicht bei ruhiger, sanfter Musik, sondern steigerte sich langsam in eine brutale Richtung. Wobei gerade die hohen, tragenden Gesangsparts bei mir Gänsehaut auslösten. Unterschätzt niemals die Kraft hinter Black Gaze.

 

Die nächsten beiden Bands spielten zeitgleich in Club und Halle. Den Auftakt durften Enisum und Funeral Pile absolvieren. Die Bühne in der Halle wurde mit einem Vorhang von dem Zuschauerraum abgetrennt und ermöglichte einige sehr dramatische Effekte beim Beginn einer Show. Bei Enisum fiel mir dieser Effekt besonders auf. Der schwarze Stoff offenbarte dunkle Gestalten in roter Beleuchtung. Das Mikrofon war wie ein toter Baum gestaltet, was diese drückende Atmosphäre weiter steigerte. Danach bewiesen Enisum, wieso sie zu den verdienten Königen des Atmospheric Black Metal gehören. Sie boten eine Klangreise mit Tiefen und Höhen. Bei dem Auftritt hat mich das Spiel der Leadgitarre von Lys am meisten beeindruckt. So zärtlich wurde selten eine E-Gitarre gestreichelt. Dagegen bot Funeral Pile einen echten Artilleriesturm. Weit aggressiver und weit härter war die Musik im Club, was besonders an ihrer Schlagzeugerin aus Kiew lag. Ähnlich wie Skyforger war auch Funeral Pile für den Support der Ukraine in dieser schwierigen Zeit. Es blieb weiter politisch auf dem Dark Easter Metal Meeting. Die Freunde einer härteren Gangart wurden bei Funeral Pile glücklicher.

Enisum

Funeral Pile

Habe ich einen Artilleriesturm erwähnt? Perfekte Überleitung zu Kanonenfieber. Die Band ist spontan eingesprungen für 1914, welche unglücklicherweise nicht auftreten konnten. Sehr schade, aber vom Thema her war Kanonenfieber ein passender Ersatz. In den letzten zwei Jahren war die Band von Noise schon auf etlichen Festivals und tourte unter anderem mit Grima quer durch Europa, mit etlichen Auftritten in Deutschland. Mit Kanonenschüssen betrat die Band die Bühne und spielten unter anderen Grabenlieder, der Füsilier I und -II, die Schlacht um Tannenberg (das Ende von dem Lied ist grandios) und natürlich Yankee Division. Dazu die schauspielerischen Höchstleistungen von Noise und seinen Mitmusikern machten den Auftritt wieder mal zu einem Highlight für mich.

Nach dem Schützengraben durchschritt ich die Zeit weiter Richtung Vergangenheit, bis in die Antike hinein. Die Band Eridu entführte uns in eine Zeit der Götter und Sagen. Zum Auftakt erklangen Hörner aus dem Lautsprecher und eine Tänzerin erschien auf der Bühne. Wie eine Königin schritt sie zwischen den Instrumenten und über die knieenden Musiker hinweg, um mit einem atemberaubenden Bauchtanz den Auftritt einzuleiten. Kurz danach hat die Band ihr zweites Album Enuma Elish veröffentlicht (das Review findet ihr hier) und konnte somit neues Material präsentieren. Mit Blood, Clay and Vengane und Enuma Elish gleich zwei neue Lieder. Während des Auftritts präsentierte der Frontmann, Enki, die legendäre Tontafel, auf der das zweite Album beruht, und was kitschig klingen könnte, hat live viel Eindruck hinterlassen. Das Gegenstück fuhr das Tempo geringfügig runter, hat mehr Instrumente (unter anderen eingespielte Trompeten) und baute eine echte Klangwand auf, die dicker als die Mauern um die Halle waren. Sear Bliss ist eine Band mit einer unglaublichen Stärke in ihrer Vielseitigkeit und ihrem Abwechslungsreichtum innerhalb der Tracks. Die kurzen Momente, welche ich erleben durfte, waren so nachtschwarz wie ein Wald in einer mondlosen Nacht. Ein Wald, durch den ein Sturmwind blies.

Eridu

Sear Bliss

Schnell rüber in das Werk, Sacramentum wollte gleich anfangen! Bewaffnet mit Killernieten, Patronengurt und jeder Menge Kunstblut fühlte ich mich sofort in die glorreichen 90er zurückversetzt. Der Sound war ein gutes Beispiel für schwedischen Death Metal, brutal, rasant und eiskalt. Dabei war die Bühnenpräsenz von Nisse Karlén besonders beeindruckend. Mit einem Kelch voller Kunstblut lieferte er gute Show ab. Er soff das klebrige Zeug, bedeckte damit Gesicht und Bart und schüttelte das Haupt Richtung Crowd aus. In dem Moment wusste ich nur nicht, ob diese Aktion Fluch oder Segen der vorhandenen Fotografen war, denn Kunstblut lässt sich nur schwer von Linsen reinigen. Aber Risiko muss sein und dafür wurden wir mit guten Aufnahmen belohnt, nicht wahr Matthias?

Wenn ihr an Black Metal denkt, welche Länder kommen euch da in den Sinn? Schweden, Norwegen, Island oder Österreich? Überall wo Schnee liegt und abgeschiedene Orte sind? Dann richtet ihn bitte gen Griechenland! Nicht nur kommt guter Joghurt und Ziegenkäse aus dem Land, nein, es kommt auch echt brutal gute Musik daher. In der Halle durfte ich Lucifer´s Child das erste Mal live erleben und wurde sofort aus den Socken gehauen. Die ehemaligen Mitglieder von Rotting Christ, welche später noch spielen durften, präsentierten eine vor Kraft strotzende Performance. Hier wurde der erste Circle Pit gezündet und verselbstständigte sich in ein brutalen Mosh Pit. Macht euch nie über Griechen lustig! Das krasse Gegenstück war Dread Sovereign aus dem Club. Wo mich Candlemass an dem vorigen Abend schon etwas angefixt hatten mit dem Doom-Virus, so hatte mich Dread Sovereign richtig abgeholt. Hier fehlten einige Heavy Metal Einflüsse, dafür wurde es tief, tiefer. Ich konnte bei dem Auftritt jede Sekunde wie einen besonders schweren Wein auskosten und wurde trunken von reiner Virtuosität.

Lucifer’s Child

Dread Sovereign

Setzt die Segel, das Ende des Abends rückt näher und die Zuschauer, die nicht unterzukriegen sind, erwarten langsam das Metal-Ragnarök. Mit Naglfar aus  Umeå erscheint ein Urgestein der schwedischen Szene und brachte einen Hauch Paganismus mit sich. Die Musiker hatten eine musikalische Schlacht angefacht, bei der sie nicht einen Moment innehalten konnten. Mit Corpse Paint beschmiert beschwörten sie die nordischen Urgewalten herbei, welche selbst den Asen das Fürchten lehren könnte. An die Ruder!

Mit Mephorash und Merrimack ging es in den beiden Locations weiter. Mephorash hatte eine beeindruckende Bühnenshow. Feuerschalen auf der Stage warfen ein schummriges Licht auf die sonst dunkele Bühne. Danach erschienen die Bandmitglieder, in lange Kapuzenumhängen gehüllt. Sind die Nazguls von Tolkien bei ihrer Suche nach dem Ringträger falsch abgebogen? Nein, es war die Band und sie zelebrierten fast eine Stunde lang eine schwarze Magiestunde, mit musikalischer Untermalung. Sobald die Bühnenbeleuchtung anging, bekamen die Ringgeister etwas Farbe und da wurde die Überraschung groß. Die Gewänder waren farbig und die Musiker trugen kunstvoll verzierte Masken. Dieser Effekt wurde mehrmals wiederholt und zusammen mit der ritualistischen Musik wurde ein Theaterstück der besonderen Art dargeboten. Dagegen feierten Merrimack eine regelrechte Orgie mit Gewaltausbrüchen und am Ende wurde der beschworene Dämon auch noch überwältigt von der reinen, musikalischen Brutalität der Musik. Das ist reiner, roher Black Metal, welcher aber erstaunlich vielschichtig war und sich viel Zeit für ihre Darbietung nahmen. Beim nächsten Mal möchte ich diese Band vollständig sehen.

Mephorash

Merrimack

In dem Werk durften sich die Liebhaber der alten Klassiker versammeln und Triumph Of Death lauschen. Tom Warrior hat eine Hellhammer-Tribute Band gegründet und für 2023 zwei Auftritte angekündigt. Das Dark Easter Metal Meeting hatte die Ehre Tom Warrior und seine neue Band zu präsentieren. Dabei legten sie die alten Lieder aus den 80er neu auf. Der alte Warrior versammelte junge Musiker beider Geschlechter und zusammen ließen sie die Bühne beben. Ein wenig wirkte es wie ein Alice Cooper Konzert, aber ohne alberne Bühnenkostüme und-Darstellungen. Ich war glücklich, diese musikalische Legende live erleben zu dürfen.

Kurz vor dem Grande Finale zum letzten Pärchen bei den Bands. Den Anfang machte dabei Misþyrming aus Island. Allein das epochale Opening schlug ein wie ein Eisberg in einen Ozeanriesen. Der unfassbar metallische Sound lässt sich gut mit einem berstenden Schiff vergleichen. Ich wusste lange, dass die Isländer in puncto Musik eisig sein können, aber sind Misþyrming  unfassbar brutal und gnadenlos in ihrem Gitarrenspiel. Das hat mich direkt in die andere Location gepustet und in die Show von Imperial Triumphant. Wo Mephorash schon ungewöhnlich waren, so sind Imperial Triumphant richtig skurril. Die Outfits erinnerten mich an Opern oder Science Fiction aus den 20ern und genauso anders war auch die Musik. Ihr Sound stach heraus, aus dem Schwarzen Meer und hat mich vom ersten Moment an gefesselt.

Misþyrming

Imperial Triumphant

Ich habe euch bereits vor den musikalischen Errungenschaften der Griechen gewarnt. Die schwarz gekleidete Götter des Metal-Olymp stiegen an diesem Abend herab, um Tod und Zerstörung in unsere Ohren zu sähen. Ich präsentiere euch Rotting Christ. Mit Sakis Tolis hat die Band eine stimmliche Wucht, ein brutaler Orkan sondergleichen. Hier wurde das Werk bis auf die Grundfesten erschüttert, ein reiner Abriss. Besonders spannend waren die wenigen Momente, wo eine weibliche Stimme in die Lieder eingebaut wurde, das hat die Klangwand wieder und wieder umgeworfen und in ganz neue Höhen getrieben. Das war wirklich das krönende Ende für diese zwei Tage.

Jetzt wird abgerechnet mit dem Dark Easter Metal Meeting 2023! Das Festival war ausverkauft und das habe ich bei jeder Band gemerkt. Der Wechsel von Locations, die Suche nach einem Stehplatz oder einfach nur der Gang auf die Toilette wurde zu einem Kampf mit viel Körpereinsatz. Das hat meine Arbeit leider sehr erschwert und für einige Frustmomente gesorgt, welche bei dem coolen Line-Up nicht nötig gewesen wären. Mit diesem konnte das Festival aber vieles entschädigen. Für Liebhaber von Black- und Doom-Metal war das Festival das reinste Schlaraffenland. Bands rund um den Globus hatten sich für zwei Tage in München versammelt und grandiose Momente erschaffen. Als Besucher würde ich wiederkommen, aber für einen Bericht… darüber müsste ich nochmal nachdenken.

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