
Heute hab ich Björn Gooßes als Interviewpartner gewinnen können. Er ist meines Erachtens, ein Künstler durch und durch – nicht nur Musiker mit Leib und Seele, sondern auch Grafiker und bildender Künstler. Hinter dem Mikro kennt man ihn vielleicht als Sänger der Metal-Bands The Very End, Harkon und (zwischenzeitlich) Night in Gales. Als selbstständiger Designer kreiiert er allerdings auch sehr coole Cover-Artworks, Illustrationen und Collagen (nicht nur für Band-Kollegen).
Hi Björn, vielleicht gleich mal die schwierigste Frage zuerst. Unter Deinem Label “Killustrations“ bist Du ja in erster Linie als Grafikdesigner tätig. Du hast bereits mit Bands und Akteuren der Musikszene aus über 30 Ländern zusammen gearbeitet, hab ich gelesen. Siehst Du Dich selbst eher als Dienstleister oder als Künstler? Oder kann man das gar nicht trennen? Wie würdest Du Deine Kunstrichtung bezeichnen?
Hi Dani! Schön, dass ich Dir heute ein paar Fragen beantworten darf! Ich denke, meine visuellen Arbeiten fallen in die relativ offene Kategorie „Mixed Media“, da ich zwar größtenteils fotobasiert arbeite, das Ergebnis aber meist eine Art digitale Collage ist, bei der die Fotos nur ein Teil des Ganzen sind. Ab und an sind meine Arbeiten auch Objektinstallationen oder – gerade im Bereich Shirt-Motiv – auch reduzierte Illustrationen. Dienstleister bin ich nicht, bzw. nur in geringem Maße. Die Konzepte werden entweder von mir oder gemeinsam erarbeitet, und ich behalte mir immer ein Veto vor, wenn mir eine Idee nicht gefallen sollte. Die Leute kommen ja aus einem bestimmten Grund auf mich zu, und ich kann nur für Qualität garantieren, wenn ich ein ordentliches Maß an kreativer Freiheit habe. Natürlich bewahre ich mir aber immer eine nötige Portion Flexibilität. Ich habe immer offene Ohren für Ideen meines Gegenübers und möchte natürlich auch, dass ein Projekt zur Zufriedenheit aller abgeschlossen wird. Man merkt in der Regel aber relativ schnell, ob der Vibe stimmt und man gut zusammenarbeiten kann. Speziell in der Konzeptfindungs-Phase tauscht man sich natürlich intensiv aus. Und ich denke, der absolute Großteil meiner Projekte konnte zur erwähnten Zufriedenheit aller Beteiligten abgeschlossen werden.
Du nutzt wahrscheinlich für Deine digitalen Collagen vorrangig Fotografien. Fotografierst Du selbst? Ich könnte mir vorstellen, dass es sicher schwierig ist, immer gleich das passende Bild zur Idee zu finden.
Genau, ich fotografiere das Meiste selber. Das finde ich auch wichtig. Ich habe ein großes Bildarchiv und sehr häufig gibt es auch speziell auf das jeweilige Projekt zugeschnittene Fotoshootings. Dennoch hast Du natürlich recht, dass es manchmal schwierig sein kann, das passende Foto zu finden. Wenn ich für den Hintergrund z.B. eine schneebedeckte Bergkette brauche, erlaubt es mir das Projektbudget natürlich nicht, dafür in die Alpen zu reisen. Dann muss man ab und an auch mal auf Bildagenturen zurückgreifen. Mir ist aber wichtig, dass ich solche Fotos dann so umarbeite bzw. einbaue, dass sie sich meinem Arrangement unterordnen und sozusagen von ihm eingesogen, assimiliert werden. Das jeweilige Hauptmotiv fotografiere ich in so gut wie allen Fällen selber.
Ich kenne Dich als sympathischen und humorvollen Menschen. Wie entstehen Deine Ideen zur eher düsteren, surrealen, ironischen und manchmal auch dystopischen und verstörten Gestaltung? Orientierst Du Dich an den jeweiligen Texten der Musikstücke? Wie findest Du Inspirationen?
Danke für das Kompliment! Ja, Kunst ist sicher auch ein Ventil, um Negatives zu verarbeiten und rauszulassen, auf dass es einen eben weniger belastet. Alles Dystopische, Makabre, Dunkle, morbide und verstörende würde mich vielleicht weniger sympathisch und humorvoll wirken lassen, könnte ich es nicht durch meine Bilder (oder auch durch meine Songtexte) irgendwie kanalisieren und letztlich durch einen kathartischen Prozess rauslassen oder wenigstens abmildern. Musik und Texte sind natürlich ein wichtiger Baustein der Inspiration, weil mir wichtig ist, dass ein Artwork maßgeschneidert ist. Ich habe so gut wie nie was in der Schublade, sondern behandle jedes Projekt frisch, neu, individuell. Manchmal kommt auch die Band bzw. der wie auch immer geartete Gegenpart mit einer Grundidee an, die ich dann vielleicht nur etwas erweitern, verfeinern brauche. Zu detaillierte und/oder starre Konzepte sind eh nicht gut für den kreativen Flow. Das ist immer ein Geben und Nehmen und im Idealfall pusht man sich gegenseitig und aus Grundidee A wird nach einem guten Austausch auch manchmal die ganze andere, meist coolere Grundidee B. Der Rest ergibt sich dann eh im Laufe des kreativen Prozesses, Details sind bis zum Endergebnis offen. Aber auch abgesehen von Musik und Texten gibt es viel Inspiration. Seien es beeindruckende Werke anderer Künstler*innen oder auch abstrakteres wie die Geschehnisse um einen herum, die einen mal mehr, mal weniger und mal auf die eine, mal auf die andere Art inspirieren können. Zwischen Weltschmerz, Tod, Angst, Trauer, Misanthropie und all den anderen schönen Facetten des Menschseins liegen viele noch zu erschaffende Bilder. Wie Du siehst, habe ich hier die etwas lebenswerteren Themen ausgeklammert. Die finden bei mir als Person zum Glück zwar auch statt, sind vielleicht aber weniger geeignet für die Art von Kunst, die ich zu erschaffen versuche.
Vielleicht hat der eine oder andere Deine Werke bereits auf einem Festival bewundern können. Mit „Painted in Blood“ – einem Gemeinschaftsprojekt mit Thomas Ewerhard und Jan Meininghaus – stellst Du Deine Kunst auch aus. Kunst ist ein wichtiges Ausdrucks- und Reflexionsmedium des Menschen. Als Künstler (auf visueller oder auch akustischer Ebene) ist man ja auch „Sprachrohr“ für aktuelle Themen. Welches Thema beschäftigt Dich derzeit?
Tagesaktuelle und/oder gesellschaftliche Themen haben selbstverständlich ihren Einfluss auf mich, aber ich versuche, mich davon hinsichtlich meiner Arbeit nicht allzu sehr beeinflussen zu lassen, da ich an einem guten Motiv auch eine gewisse Zeitlosigkeit mag. Ich habe durchaus eine deutliche Meinung zu den vielen schwierigen Themen dieser Zeit, wie dem politischen Rechtsruck mit all seinen rassistischen, nationalistischen und faschistischen Facetten, zu Klimawandel, Sexismus, Klassismus, Speziesismus und so weiter – Die Botschaften meiner Arbeiten sehe ich aber meist eher auf der Meta-Ebene. Unterm Strich kann ich das zwar alles schwer trennen, und viel deutlicher politische Künstler wie Banksy ziehen ihre Faszination ja auch genau daraus, aber Kunst darf bis zu einem gewissen Grad auch Eskapismus sein, dich in ganz andere Sphären entführen, die jenseits von all dem leider allzu menschlichen Schwachsinn liegen. Dennoch stehe ich mit Killustrations nichtsdestotrotz für all meine persönlichen Werte ein, würde z.B. nie ein Artwork für ne NSBM-Band machen oder anderweitigen Unfug aus dieser Richtung an mich ranlassen. Und mit meiner „Kunst Gegen Kackscheisse“- Aktion habe ich sicher auch ein klares Statement abgegeben. Wer Klamotten mit klarer Ansage tragen will, schaut am besten selber mal auf kunstgegenkackscheisse.de vorbei! Was mich zurzeit am meisten beschäftigt, sind eher sehr persönliche Themen, die im gesamtgesellschaftlichen Kontext jedoch natürlich völlig irrelevant sind. Leider gehörte ich nie zu den Künstlern, die gerade dann besonders intensive Werke schaffen können, wenn es ihnen schlecht geht. Ich kriege dann meist so gar nichts gebacken, was sich speziell in der letzten Zeit leider wieder gezeigt hat. Aber es geht aufwärts und vorwärts und jetzt kommen wir ja auch endlich zu diesem Interview, was ich schon einige Zeit vor mir hergeschoben hatte.
Kannst Du uns etwas zum Ausstellungsprojekt „Painted in Blood“ erzählen?
Kurz gesagt: Ein Herzens-Projekt dreier Künstler-Kumpels und quasi Wanderausstellung auf Musikfestivals. Die etwas längere Variante: Thomas, Jan und ich stammen alle vom Niederrhein und sind uns seit den 1990ern zig mal übern Weg gelaufen. Alle sind früher oder später in der Kunstszene gelandet, und als wir uns irgendwann wieder alle drei zufällig trafen, es muss ca. 2012 gewesen sein, keimte die Idee einer gemeinsamen Ausstellung auf. Es dauerte dann allerdings noch bis 2016, bis die erste stattfand. Zunächst in der kleinen Bochumer „Sold Out Gallery“. Dort war dann jemand vom Summer Breeze, dem das sehr gefiel und uns einlud, also hatten wir 2016 auf dem Summer Breeze die erste Festivalausstellung. Dort war wiederum jemand vom Copenhell in Dänemark, wohin wir dann 2017 eingeladen wurden. So zog es immer weitere Kreise und neben ein paar kleineren, regionalen Galerien und Clubs waren wir in den letzten Jahren – größtenteils sogar mehrfach – beim Wacken Open Air, RockHarz, Summer Breeze, Copenhell, Rock Hard, Hamburg Metal Dayz oder Ruhrpott Metal Meeting. Jan Meininghaus ist aus Zeitgründen mittlerweile leider nicht mehr dabei, aber jetzt machen Thomas und ich es halt einfach zu zweit oder laden ab und an einen dritten Künstler ein. Für 2025 sind auch schon wieder die ersten Festivals bestätigt und wir freuen uns auf den Sommer!
Im heutigen globalen Miteinander, voller multimedialer Übersättigung und (gefühlt) stetig wachsenden Mitbewerb, hat man es als Künstler immer schwerer, gesehen oder gehört zu werden. Auch im Zeitalter von künstlicher Intelligenz bekommt man das Gefühl, dass die Kreativität verkümmert. Wie siehst Du das? Stellt KI/AI eine Gefahr dar und was könnte man dagegen tun?
Das Thema generative KI ist ein komplexes und schwieriges, und das Ganze jetzt aufzurollen, würde den Rahmen sprengen, zumal ich da auch kein Experte bin. Ich selber habe trotzdem eine klare Haltung dazu: KI ist in vielen Lebensbereichen eine sinnvolle Sache, aber in dem zutiefst menschlichen, hochemotionalen Vorgang des Schaffens von wie auch immer gearteter Kunst hat sie meiner Meinung nach nichts verloren. Im Gegenteil, sie birgt viele handfeste Gefahren (gerade hinsichtlich der Einflussnahme auf die öffentliche Meinung zu vielen Themen) und verändert den gesamtgesellschaftlichen Blick auf jegliche Kunst – und das nicht gerade zum Guten. Ich selber habe zum Glück den Eindruck, dass KI meine eigene Arbeit bisher nicht allzu negativ beeinflusst. Aber ich kenne Kollegen, bei denen die Wahl der Auftraggeber*innen zwischen ihnen und ner KI zu ihren Ungunsten ausfiel. Budget-Engpässe in allen Ehren, aber ich bin einfach so frei und sage, wer sich zwischen einem maßgeschneiderten Motiv von mir und nem KI-Bild für Letzteres entscheidet, hätte meine Arbeit wohl eh nicht zu schätzen gewusst und sie somit letztlich auch nicht verdient.
Du hast, wie bereits eingangs erwähnt, aktuell noch zwei Bands neben Deiner Arbeit als Grafikdesigner. Was machst Du in Deiner Freizeit? Hast Du noch Zeit für Hobbys?
Beide Bands sind an der Livefront leider deutlich weniger aktiv, als sich das alle Beteiligten wünschen, daher habe ich neben der Arbeit durchaus noch Zeit für z.B. meinen Hund, Konzerte, Sport, Freunde, Reisen oder andere private Aktivitäten, die gern auch mal nix mit Heavymetalismus oder Kunst zu tun haben brauchen.
Du standest ja schon oft vor der Kamera. Gibt es eine Frage, die Du immer erwartet hast, die Dir aber noch nie gestellt wurde?
Doch, schon – aber die wären für diesen Kontext hier wohl leider ziemlich unangebracht, haha!
Vielen Dank für das Interview! Dann sieht man sich sicher bei einem Konzert von Harkon oder The Very End wieder. Vielleicht noch eine abschließende Frage. Wo kann man Eure Kunst demnächst bewundern? Was steht an, bzw. ist etwas in nächster Zeit geplant – visuell und akustisch?
Ich habe zu danken, liebe Dani! Wie gesagt sind bereits zwei Sommerfestival-Ausstellungen bestätigt, aber noch nicht veröffentlicht, daher kann ich noch nichts Konkretes sagen. Weitere Festival-Ausstellungen sind in Planung, und was Livegigs angeht, so sollte man am besten den Social-Media-Kanälen von The Very End und Harkon folgen, dann bleiben alle im Bilde!
Links:
www.killustrations.com
www.kunstgegenkackscheisse.de
www.theveryend.net
www.harkon.info
www.paintedinblood.de
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Instagram bjoerngoosses
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