Interview mit der Künstlerin Christina Bauer

Interview Christina Bauer

Gern möchte ich euch eine Künstlerin vorstellen, deren Gemälde eine – wie ich finde – dunkle, ausdrucksstarke Aura haben und gut in die Rubrik Dark Art passen. Christina folge ich auf Instagram schon eine Weile und mir sind vor allem ihre intensiven, emotionalen Portraits aufgefallen.

Hallo Christina, Du bist ja auch Autodidaktin, wie ich gelesen habe, kommst also ursprünglich aus einer ganz anderen Richtung. Wie hast Du zur Kunst gefunden? Oder gibt es da einen Zusammenhang mit Deinem Studium der Sozialpädagogik?

Hallo Dani, nein, da gibt es erstmal keinen Zusammenhang, denn ich habe tatsächlich schon mit 8 Jahren vor dem Spiegel gesessen und mein erstes Selbstportrait mit Bleistift gezeichnet. Ich war an jedem Detail meines Gesichts interessiert, um so realistisch wie möglich es auf Papier zu bringen. Ich habe damals an meinem Spiegelbild geübt, weil es am einfachsten war, mir selbst ewig lang ins Gesicht zu glotzen. Es gefiel mir, dass ich alles detaillierter sah und umsetzen konnte. Das war meine Motivation und ich habe mehr gezeichnet als Hausaufgaben gemacht. Aber, da ich dachte, es gäbe keine Möglichkeit, seine Existenz finanziell zu sichern mit künstlerischen Ambitionen, habe ich mich im sozialen Bereich fortgebildet. Allerdings immer mit dem Hintergedanken, dass ich somit auch Zeit für meine Kunst habe. Die hatte ich auch tatsächlich und ich fing damals auch an zu malen, zunächst mit Pastellkreide, dann mit Ölfarbe. Natürlich eröffnet einem so ein Studium im sozialen Bereich auch eine tiefere Einsicht in die Psyche oder in die sozio-kulturellen Abgründe der menschlichen Realitäten. Somit war die Beschäftigung mit dem Menschsein in all seinen Facetten, sowohl künstlerisch als auch im realen Alltag gegeben. Ich habe z. B. mein Praktikum in einem Frauenhaus gemacht und nebenbei, alle Kinder und auch einige Frauen dort portraitiert.

Du machst auch Auftrags- und Cover-Artwork-Arbeiten, beispielsweise für die Simeon Soul Charger – eine Psychedelic-Rock-Band aus den USA. Die Bilderserie, die dazu entstanden ist, erzählt eine eigene Geschichte. Sie zeigt beispielsweise Friedhofssituationen oder Todesvisionen. Was war der Hintergrund dieser „Szenen Skizzen“? Ist das eine „Abbildung“ der Songtexte oder sind das eigene Interpretationen, die durch das Hören der Musik entstanden? Oder beides?

Das war für ihr Konzept Album “Harmony Square”. Es ist eine dystopische Geschichte, über eine Stadt, die einem bzw. sogar zwei Tyrannen ausgesetzt ist, die ihre Bevölkerung einem kompletten unterirdischen Überwachungssystem ausliefern und sie sogar systematisch in Fabriken “verheizen”. Die Stadt heißt Babylon Grove und die ganze Geschichte wird aus der Perspektive eines Träumers erzählt bzw. gesungen, der zunächst unter einem Baum schläft und wie durch magische Hand zu dieser Stadt geführt wird. Ob er das alles nur träumt, oder es Wirklichkeit ist, weiß man nicht so genau. Es ist jedenfalls ein dystopischer Albtraum, in dem er sich dort befindet.
Ja, ich habe tatsächlich Szenen dieser ganzen Geschichte illustriert und mich genau an das Beschriebene, den Lyrics bzw dem Gesungenen orientiert. Der Gitarrist, Rick Philips, hatte mir diese Szenen genau beschrieben und Aaron Brooks, der Sänger der Band, lieferte mir eine genaue Beschreibung von den Personen, die in der Geschichte vorkommen. Die zwei Tyrannen sollten wirklich sehr üble Gestalten sein. Er schickte mir ein Bild von Graf Dracula, bzw. das Originalbild von Vlad III, dem Pfähler von der Walachei, das andere sollte Goebbels ähnlich sehen. So arbeiteten wir zusammen. Sie hatten genaue Vorstellungen und ich setzte sie künstlerisch um. Die Szenenbilder sind eher so ein Zusammenspiel, da habe ich mich auch durch meine Phantasie inspirieren lassen. Insgesamt sollte es europäisch, mittelalterlich sein, besonders das Stadtbild, mit Pflastersteinen und alten Laternen. Ein Friedhof kommt eigentlich nicht vor. Ich glaube, Du meinst wahrscheinlich die Szene von “A dark fair is coming”. Das sieht ein wenig nach Grabstein aus und ist recht düster gehalten. Aber der “Träumer”/Sänger erwartet da einen geheimnisvollen Jahrmarkt mit düsteren Gestalten. Leider hat sich die Band vor ein paar Jahren getrennt, aber das Album ist echt ein psychedilisches Meisterwerk, sehr zu empfehlen. Es entstanden insgesamt 20 Bilder für Cover und Booklet gezeichnet und gemalt von mir.

Menschen malst Du besonders gern, wie mir aufgefallen ist. Dabei lässt Du Dich von verschiedenen künstlerischen Strömungen inspirieren, wie beispielsweise dem Fauvismus oder dem magischen Realismus. Letzterer bildet einen Schwerpunkt in Deinen Arbeiten, wie ich gelesen habe. Vielleicht kannst Du uns dieses spannende und fantastische Gebiet der Literatur bzw. Malerei etwas näher bringen? Was fasziniert Dich daran?

Mich fasziniert jede Form des Realismus in der Kunst. Ob magisch, mystisch, sachlich oder der Auflösung nahe. Alles ist interessant, wenn es mich berührt.
Inspiration ist mein roter Faden. Ich folge ihm, bedingungslos und meistens auch sofort. Kein Aufschieben auf irgendwann. Wenn es mich inspiriert, halte ich es fest, ist ja im Zeitalter des Handys auch nicht schwer. Wenn mich in einer Ausstellung, in einem Film, auf der Straße oder im persönlichen Umfeld jemand oder etwas inspiriert, dann setze ich es früher oder später in einem Bild um. Einmal hat mir mein Sohn am Frühstückstisch, er war etwa 12 Jahre alt, von seinem Alptraum erzählt. Er beschrieb ihn ganz genau und ich sagte zu ihm, diesen Traum werde ich malen. Was ich auch tat und er freute sich. Ich habe gerade für meine “Dark Art” Bilder oft nur eine vage Vorstellung, eine Phantasie oder eine Erzählung. Dann male ich erstmal die ganze Leinwand schwarz mit wasserlöslicher Ölfarbe und dann setzte ich mit einem nassen Lappen Lichter und komponiere das Bild, je nachdem, was mir so erscheint. Das würde ich eher als unterbewussten, magischen Realismus bezeichnen.
Andererseits kann ich auch ganz bewusst “magische” Zeichen und Symbole in jedes Portrait oder auch in jede Landschaft setzen. Symbole der Vergänglichkeit, ein direkter, intensiver Blick zum Betrachter hat für mich immer etwas Magisches, etwas Lebendiges im Ausdruck.

Du porträtierst oft Frauen. Unter der Rubrik „Wahnsinns Frauen“ hast Du einige gezeichnet. Wer sind Deine Modelle? Woher nimmst Du Deine Inspirationen?

Es sind geniale Frauen aus jeder Epoche, ob Malerinnen, Bildhauerinnen, Schriftstellerinnen oder Pionierinnen jeglicher Art. Zusammengetragene Biografien und Schicksale, zu finden in der Bücherserie “Wahnsinns Frauen”. Gemeinsam haben sie, dass sie, mehr oder weniger, wahnsinnig geworden sind. Ihr Wille, sie selbst zu sein, kulturell oder politisch zu wirken, wurde Ihnen in ihrem Umfeld und in ihrer Zeitepoche nicht gewährt. Das ist tragisch und ich hole sie, in Form eines Portraits, gern mal in Erinnerung, weil ihre Geschichten mich berührten. Alles, was mich berührt, inspiriert mich gleichzeitig. Deshalb widmete ich ihnen diese Serie „Wahnsinns Frauen“.
Es sind gezeichnete, geritzte, sogar aus einer Kartonage gerissene Portraits, alle in schwarz/weiß gehalten und ihre Lebensgeschichten oder Zitate dazu, auf das Bild geschrieben.

Die Vergänglichkeit ist oft Thema in Deinen Werken. Die Menschen, die Du zeichnest, sind „ungeschönt“ – manchmal sogar traurig, leidend, mager, faltig. Driving down the River wurde beschrieben als „Darstellung eines Suizids“ (Gallery Auxburg). Auch „Stirb und Werde!“ greift beispielsweise das Thema auf. Warum die „dunkle Seite“, warum das „Ende“?

Weil das Ende, der Tod, zum Leben gehört. Stirb und Werde sind untrennbare Voraussetzungen für jede Transformation. Warum sollte die Kunst gerade diese wichtige Tatsache aussparen, nur weil es unangenehm ist? Da bin ich rein künstlerisch gesehen auch gerne mal “nur” realistisch. Deshalb male oder zeichne ich den Menschen auch gerne ganz und gar ehrlich und ungeschönt. Für mich ist es ja nicht unschön, oder gar hässlich. Wenn ein Portrait ehrlich ist, dann ist es für mich schön, weil es wahr ist.
Die dunkle Seite des Lebens zu zeigen ist spannend und da ich eine neugierige Person bin, leuchte ich gerne mal hinter Türen oder in düstere Kellergänge (metaphorisch ausgedrückt), in menschliche Abgründe. Es gibt sie und sie zu ignorieren oder in unseren künstlerischen Ausdrucksformen auszusparen bringt die Menschheit auch nicht weiter.

Aber Du malst ja nicht nur „düster“. Wenn man durch Deine Auftragsarbeiten geht, sieht man tolle farbige ausdrucksstarke Kinderportraits beispielsweise.
Hast Du Lieblingsmotive?

Nein, ich habe keine Lieblingsmotive. Jeder Mensch hat etwas Interessantes in seinem Gesicht. Ich male auch gerne im Auftrag. Kinderportraits sind natürlich besonders schön zu malen, weil sie so viel Strahlkraft in ihren Augen haben.
Ich brauche tatsächlich auch viel Farbe und Schönheit zum Ausgleich zu den dunklen Bildern. Alles braucht seinen Ausgleich.

Auch aus Sagen oder der Mythologie nimmst Du Deine Motive. Du bildest den Samhain ab, malst Nornen, die Lorelei oder auch Hexen beispielsweise. Sind Dir Naturverbundenheit und Spiritualität wichtig?

Oh ja, sehr wichtig. Meine Spiritualität erlebe ich am stärksten in der Natur. Ich verstehe absolut, warum unsere Vorfahren Naturgottheiten verehrten. In der Natur lebt die Schöpfung doch unmittelbar, sichtbar und begreifbar. Ich verstehe auch die Jahreszeiten mit ihren Besonderheiten. Samhain, die ersten Novembertage, die sind voller Mystik. Wenn Du da im Wald spazieren gehst, die fallenden, bunten Blätter am Boden, oder noch fragil, an den Ästen hängen siehst, dann weißt Du, das Leben zieht sich zurück. Die vergehende Zeit ist spürbar und sichtbar. Unsere Vorfahren beobachteten die Jahreszeiten noch intensiver. Sie fühlten es und sie feierten die Mystik der Zeit, die Vergänglichkeit. Sie fanden Geschichten, Gottheiten oder Mythologien, wie die Nornen es symbolisieren. Das ist faszinierend und ich würde sagen, ich folge diesem Spirit auch in meiner Kunst sehr gerne.

Bei Deinen „Runen-Art-Work(s)“ handelt es sich oft um Gemälde mit Darstellungen von Menschen mit düsterem Background – so will ich das mal formulieren. Auch hier spielt in gewisser Weise der Tod eine Rolle. Was sind das für „magische Bilder“?

Die entstanden eigentlich nur, weil ich am Fantastica Festival vor einigen Jahren, in Regensburg teilnahm. Ich konnte dort einen Stand aufbauen und meine Idee war, als Runenhexe meine Kunst den Leuten unterzujubeln, indem ich Kopien von einigen meiner Bildern anfertigte, kleine Holzrahmen dazu bastelte und die jeweiligen Titel in der Runenschrift darauf schrieb. Für jedes erworbenes Bild, gab es ein Runenorakel von mir dazu. Dafür fertigte ich Runen an, selbst gesägt, von einem Wildkirschbaum. Es konnten 3 Runen gezogen werden, wir sprachen um deren Bedeutung und ich zeichnete diese auf den unteren Rand des Rahmens. Das war eine tolle Erfahrung für mich, denn es funktionierte sehr gut. Die Leute erzählten mir sehr viel über sich und ich ließ die Runen sprechen und ich hatte meine Bilder, wenn auch nur die Motive unter die Leute gebracht. Das ist allerdings nur eine einmalige Sache gewesen und es war nur eine Idee, um an diesem Festival teilnehmen zu können. Trotzdem war es ziemlich magisch.

Mit welchen Materialien arbeitest Du? Ich habe gesehen, Du hast Zeichnungen, Gemälde und Skulpturen im Repertoire hast.

Ja, ich mache sogar ab und zu Skulpturen aus Ytong oder Ton, das Bedürfnis überkommt mich von Zeit zu Zeit. Am meisten male ich allerdings mit wasserlöslichen Ölfarben auf Leinwand, Aquarelle, Pastellkreide/Kohle auf Tonpapier, Bleistiftzeichnungen auf Papier.

Wo kann man sich Arbeiten von Dir anschauen? Sind Ausstellungen geplant?

Ja, in Planung wäre eine Ausstellung in Italien, Padua in der Gallery Duomo. Dort habe ich Landschaften, Aquarelle und Ölbilder im September hin gebracht.
Den Termin für die Eröffnung meiner Ausstellung habe ich noch nicht.
Aber, sobald ich ihn bekomme, werde ich ihn natürlich über Instagram posten.

Vielen Dank, Christina!

Gerne Dani, war mir ein Vergnügen!

 

Links: 

https://www.instagram.com/christina.bauer.129/
https://christinabauer.de/

 

Mehr aus dem Bereich Kunst und Fotografie bei Dark-Art findet ihr hier:

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*