
Wenn die Lebenszeiten von Künstler/innen die 60 überschreiten, und man sie noch nicht live gesehen hat, sollte man das noch schnellstens nachholen. Ich darf das, als ältester Schreiber von Dark-Art, auch so schreiben, denn wir sind in etwa gleich alt und mir läuft auch die Zeit weg. Die Rede ist von Alison Moyet, der Grande-Dame der 80er, die beim Konzert in der ausverkauften Batschkapp zeigte, dass älter werden auch was mit reifer werden zu tun haben kann und dass man sich nun ganz lässig, ohne eine Beweispflicht seiner Qualität, auf die Bühne stellen kann.
Den jüngeren Lesern unseres Magazins sagt der Name wahrscheinlich nicht viel, aber bei den ersten Takten von zum Beispiel Don’t go (aus Yazoo-Zeiten) oder Only You dürfte der ein oder andere doch feststellen, dass er oder sie das schon mal gehört hat. Wahrscheinlich über die Eltern, wie bei so vielen Bands, die mittlerweile ihre 40-jährigen und aufwärts Bühnenjubiläen feiern. In dem Zusammenhang kommt man einfach nicht umhin, sie zeitlich einzuordnen. Begann sie ihre musikalische Karriere als Teenager mit Punk und R&B, hatte sie mit Yazoo, dem Duo, das sie 1981 mit Vince Clarke, der gerade Depeche Mode verlassen hatte, die ersten größeren Erfolge. Moyet stand so am Anfang ihrer beeindruckenden Karriere, die eben auch über die nur zweijährige Zeit mit Yazoo weiterging. Sidefact: Mit Martin Gore und Andrew Fletcher, zwei-Drittel der zukünftigen Depeche Mode, ging sie zur Schule. Nach der Trennung von Yazoo 1983 veröffentlichte Moyet ihr Soloalbum „Alf“, benannt nach dem Spitznamen, den Clarke ihr gegeben hatte. Dieses Album läutete ihre Solokarriere ein und enthielt Hits wie Love Resurrection, das für die – Achtung Spoiler – Zugabe an diesem Abend aufgehoben wurde.
Keine große Show ist vonnöten, ein einfaches, sehr statisches Bühnenset, mit ihr selbstverständlich in der Mitte, links und rechts die zwei Musiker im Halbdunkel. Reduziert auf die Wirkung der verschiedenen Lichtstimmungen, entstanden somit immer passende Untermalungen zu den jeweiligen Songs. Multiinstrumentalist und Co-Produzent, Sean McGhee, der links von ihr stand, steuerte neben den öfter gewechselten Gitarren und der Elektronik auch durchgehend den Hintergrundgesang bei.
Los ging’s ohne Ansage mit Fire aus dem Jahr 2007, bevor sie sich sehr artig bedankte, wohl auch, dass ihre Tour fast komplett ausverkauft ist, bzw. war. Eine schnörkellose Begrüßung der Frau, so alleine im schönen Licht. Sie ist eben eine Dame und keine Diva, zum Thema Lässigkeit wie eingangs geschrieben. Zu Nobody’s Diary aus 1983 vom Erfolgsalbum Alf gingen erstmals viele Handys nach oben, ein Zeichen, dass ein Song aus „früher“ gespielt wurde. Hach, die Erinnerungen… Wohl jede und jeder aus dem doch durch die Bank weg älteren Publikum hat dazu den einen Moment, an dem man diesen Song das erste Mal gehört hat oder man eine Situation damit verbindet. Viele Gesichter, die sich glücklich, wissend anschauen. Geht ihr ja auch so… „a song as I was a teenager“. Hier kam auch erstmal mehr Bewegung in die Menge, Tanzbewegungen; Tanzbewegungen aus den 80ern, auch das war ein Zeitsprung. Mit noch frenetischem Beifall ging es direkt in So Am I über. So bin ich, mal eben schnell wieder zehn Jahre nach vorne.
Umfangreiches Songmaterial hat sie zur Genüge, auch wenn sie mal für einige Zeit von der Musikbühne verschwunden war. Auszeit eben. Sie hätte es sich nicht vorstellen können, nach dem Erfolg in den Achtzigern nach so langer Zeit immer noch gefragt zu sein, sagte sie kürzlich einer Zeitung. „Oma geht auf Tour“ betitelte sie dies sehr amüsiert. Dass sie keine ist, zumindest stimmlich nicht, beweist sie mit einer Leichtigkeit am Ende von This House. Der Ton im Outro wurde von ihr gehalten, auch in der Höhe. Sie kann’s eben. Immer noch.
Die Statik vom Anfang ließ mittlerweile nun auch nach, anstelle von Syntie wurde auch zur Gitarre gegriffen, zum Intro zu Can’t Say It Like I Mean It zum Beispiel, zur Mundharmonika, gespielt von Alison herself bei Dorothy, das schon countrymässig lässig mit Tambourine daherkam. Frau möchte ja auch nicht alles eins zu eins nachspielen, zum Thema „Reifer werden“ wie eingangs erwähnt. Neuinterpretieren sagen die anderen, was manchen Songs guttut, wie auf dem Album Key auch nachzuhören ist. Bei Beautiful Gun wurde der Mikroständer einmal mehr als Showelement eingebaut, während sie gespenstisch in dem roten Licht stand.
Die Lässigkeit und Schnörkellosigkeit des Abends kommt bei Only you auch wieder zum Tragen, diesmal mithilfe des Publikums, das nur die ersten zwei Töne brauchte, um zu wissen, dass man jetzt mitsingen könne. Dabei gingen wieder die Handys auf über Kopfhöhe, um dieses Erlebnis irgendwie zu konservieren. Das kennt man. Riesen Applaus. Wo war sie die letzten dreißig Jahre eigentlich? Is this love?, ja, eine gegenseitige Liebe zwischen Publikum, der Künstlerin und der verbindenden Musik. Funky, jazzy Footsteps hat sie bis jetzt schon so viele hinterlassen, auf der Bühne an diesem Abend hinterließ sie wieder welche.
Bei den Zugaben unterbrach sie Love surrection einfach. Einfach so. Denn der Einsatz hatte nicht gepasst. Das Publikum war schon aufgefordert mitzusingen, aber die Band war noch nicht soweit. Eine durchaus lustige Situation, die sie meisterhaft gehändelt hat. Das ist eben Profi, dem Publikum maximale Qualität zu bieten und auch ihr innerer Monk. Und dann beginnt man auch mal einen Song von vorne. Darf sie. Einfach so. Das Publikum nimmt sowas dankbar auf und ein ganzer Saal lächelt vor sich hin.
Müßig zu erwähnen, dass beim finalen Zugabesong Don’t Go der Saal nochmal richtig in Fahrt kam und nun auch die Tribüne sich von den Sitzen erhob. Insgesamt ein schöner Abend voller musikalischer Kunstfertigkeit, gefühlvollem Gesang und einer spürbaren Liebe zwischen Künstlerin und Publikum. Wer eine Chance hat, sie auf ihrer Tournee durch fünf Länder zu sehen, macht es einfach.
Leider gibt es ausnahmsweise keine Fotos, das Management hatte für Frankfurt keine Fotoakkreditierung erteilt, schade eigentlich, denn erstens kann sich die Grande-Dame sehr gut sehen lassen und wir geben uns große Mühe und geben nur ausgewählte Fotos raus. Im Netz dürften dafür nun aber sehr viele Filmchen und Fotos in unterschiedlichster Qualität zu finden sein…
Setliste:
Fire // More // Such Small Ale // Nobody`s Diary // So Am I // The Impervious Me // Can`t Say It Like I Mean It // This House // Changeling // Beautiful Gun // All Signs Of Live // Only You // Ordinary Girl/Dorothy // Is This Love // All Signs Of Life // Footsteps // Whispering Your Name // All Cried Out //// Situation // Love Surrection // Don`t Go
Bericht: Patrick
Mehr von Alison Moyet bei Dark-Art findet ihr hier:
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