Ein Samstagabend, Ende September. Etliche schwarz gekleidete Menschen pilgerten am 30.09.2023 in die Stadthalle in Lichtenfels, das kennt man mittlerweile nur noch von dem jährlich im Frühjahr stattfindenden Ragnaröck Festival. Umso überraschter war ich, dass genau diese Halle für ein Blind Guardian Konzert bekannt gegeben wurde. Eben diese Herren warfen letztes Jahr ihr aktuelles Album The God Machine auf den Markt und um dies gebührend zu feiern, wurde auch eine Tour angekündigt. Bereits zu Beginn des Einlasses war der Parkplatz der Location schon komplett ausgelastet und die restlichen Besucher mussten auf das naheliegende Parkhaus ausweichen. Die nächste Überraschung für den geneigten Ragnaröck-Gänger war die Position der Bühne, denn diese befand sich aufgrund der Höhe der Traversen auf der kurzen Seite der Halle. Leider hatte das zur Folge, dass die wunderbare Tribüne somit seitlich war und auch nur zur Hälfte nutzbar. Schade, denn eigentlich hätte ich mir das ganze gerne von oben angeschaut. Vielleicht war das aber auch wegen der späteren Lasershow nicht möglich. Aber mal von Anfang an:
Den Abend eröffnen durfte die israelische Formation Scardust mit ihrem spannend klingenden Mix. Mit einem kleinen Teil der ansonsten riesigen Bühne mussten sich die fünf Musiker begnügen, was zeitweise etwas sehr gequetscht aussah. Symphonic Metal mit einem großen Anteil an Progressive Metal, die teilweise abrupten Stilwechsel machten es nicht einfach zu hören. Man merkte auch direkt, dass das Publikum da auch so seine Probleme mit hatte. Die klaren und auch symphonischen Gesangselemente saßen bei Sängerin Noa, allerdings hatte sie bei den einzeln eingestreuten Screams, welche es eigentlich auch nicht gebraucht hätte, ihre Probleme. Besonders agil zeigte sich Bassist Orr Didi, welcher vermutlich vor der Show einen Flummi verschluckt hatte, denn Stillstehen kam irgendwie nicht infrage. Auch zog er Grimassen oder riss seinen Bass in die Höhe. Umso erstaunlicher, da er wohl eine nicht geringe Sehbeeinträchtigung hat, denn er stand später mit einem Langstock (Blindenstock) am Merch. Auch Drummer Yoav Weinberg hatte sichtlich seinen Spaß. Er wirbelte seine Sticks durch die Finger oder schmiss sie beim Spielen in die Luft. Generell fand ich die Bühnenpräsenz aller Mitglieder sehr gut. Beim ruhigeren Song Sands of Time gab es dann den ersten Mittmachpart für das Publikum, welcher aber überhaupt nicht funktionierte. Ich vermute, ein ganzer Satz war dann doch etwas zu viel für den Anfang, obwohl der geneigte Blind Guardian Hörer damit ja ansonsten keinerlei Probleme hat, wie sich später auch wieder herausstellen sollte. Vor kurzem veröffentlichten sie einen neuen Track, Game of Now, welcher auf dieser Tour erstmalig live gespielt wurde. Dieser klang deutlich härter und hatte sehr interessante Ansätze, was den Stil anging. Hier funktioniere die Interaktion mit den Besuchern auch tadellos und sie sangen munter mit. Als Letztes gab es einen Symphonic Folk-Metal Song auf die Ohren, normalerweise gesungen als Duo mit Patty Guardy. Hier fehlte halt leider live die Drehleier und die Streichinstrumente, welche aus der Konserve kamen, wie leider recht viel. Ganz mein Fall war es nicht, aber ich bin auch kein großer Fan des Progressive Metals und wenn ich mich so umhörte, dann ging es anscheinend vielen so. Trotzdem war es definitiv kein schlechter Auftritt.
Als die Vorband die Bühne verlassen hatte, wurde diese mit einem großen weißen Tuch verhängt. Mit etwas Verspätung erklang das Intro und vier große Drachen wurden von hinten auf den Vorhang projiziert, ebenso wie der Schriftzug der Band. Als dieser dann fiel und Blind Gurardian mit Imaginations from the Other Side den Abend begannen, gab es für die Zuschauer kein Halten mehr. Von Beginn an waren diese voll dabei. Als Hansi verkündete, dass das letzte Mal in Lichtenfels schon viel zu lange her sei und sie diesen Fehler nicht mehr machen wollen, wurde das mit lauten Klatschen quittiert. Auch im weiteren Verlauf hatten die Herren keinerlei Probleme, das Publikum agierte fast selbstständig. Weiter ging es mit Blood of the Elves und Nighfall, gerade letzterer sorgte bei der Ankündigung für Jubel. Mit The Script for My Requiem ging es zurück in das Jahr 1995, bevor mit Violent Shadows der zweite Song des aktuellen Albums auf dem Plan stand. Und ja, Hansi singt gerade die älteren Songs mittlerweile in einer etwas anderen Tonlage, was aber vollkommen in Ordnung ist, sie werden halt auch nicht jünger. Mir gefiel es stellenweise sogar besser. Mittlerweile gab es auch die erste Lasershow. Ja, es sah nett aus, man hätte aber deutlich mehr rausholen können. Aber darauf liegt auch nicht der Fokus der Band. Dann wurde es erstmalig etwas ruhiger auf der Bühne, als die akustischen Gitarren ausgepackt und Skalds and Shadows angestimmt wurde. Auch hier zeigten sich die Zuschauer sehr textsicher, zur Freude und Überraschung von Blind Guardian. Time Stands Still (At the Iron Hill) forderte dann wieder etwas die Gesangskünste und mit Deliver Us From Evil wurde der letzte Song des Abends von The God Machine performt. Als Hansi dann ankündigte, dass er die nächsten Minuten quasi arbeitslos ist, da er hier nichts singen muss, wussten alle welcher Track nun kommt! Einer, welcher auf keinem Konzert fehlen darf, The Bard’s Song! Immer wieder ein absoluter Gänsehautmoment, was auch die Jungs auf der Stage immer etwas sprachlos zurücklässt, selbst nach so vielen Jahren. Majesty katapultierte uns einmal komplett zurück an die Anfänge von Blind Guardian, gefolgt von Traveler in Time. Auf die Aussage, dies war der letzte Song, folgen empörtes Rufen gefolgt von wiederholten „Blind Guardian“ Rufen. Und natürlich hatten sie noch etwas vorbereitet. Sacred Worlds erklang und die Zuschauer mobilisieren nochmal alle Kräfte. Lord of the Rings schaffte dann wieder eine kleine Verschnaufpause und auch das übliche Zugabespielchen ließ die Crowd kurz Luft holen, denn für die folgenden Zugaben wurden nochmal alle stimmlichen Kompetenzen abgefragt. Valhalla, der zweite Track, welcher immer eine unglaubliche Eigendynamik entwickelt, wurde angestimmt. Und auch diesmal erklangen minutenlang die Textzeilen des Refrains zu Ende des Songs. Leider ist auch der schönste Abend mal vorbei, und so tönte mit Mirror Mirror das wirklich letzte Lied aus den Boxen. Blind Guardian habe absolut nichts verlernt und wissen auch nach so vielen Jahren immer noch zu begeistern.
Was für ein Abend! Einmal mehr bewiesen Blind Guardian, dass sie zu Recht eine der Größen in Deutschland sind. Eine schlichte Show, wahnsinnig sympathische und putzige Ansagen von Hansi und eine Truppe mit unfassbar viel Freude, an dem, was sie tun! Auch die Vorband Scardust gab alles, auch wenn es meinen persönlichen Geschmack überhaupt nicht getroffen hatte. Aber ich bin gespannt, wo sie ihr Weg noch hinführen wird, denn das Potenzial dafür ist vorhanden. Blind Guardian, wir freuen uns auf das nächste Mal in Lichtenfels!
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