Konzertbericht: Grausame Töchter in Frankfurt im „Das Bett“ 05.09.2025

Ist schon im Vorfeld von „Wenn Lust, Schmerz und Klang eine gemeinsame Sprache sprechen, entsteht ein Raum jenseits aller Konventionen“ die Rede, dann kann es sich nur um etwas Extravagantes, Ausgefallenes, Ungewöhnliches und etwas, das ein wenig kinky ist, handeln.
Vor dem Das Bett sammelten sich bereits Menschen, entsprechend dem vom Club ausgegebenen Dresscode: „ob Fetisch, Gothic, Couture, Burlesque, Plüsch oder Kunstfigur – zeig Dich. Straßenklamotten bleiben draußen. Es geht nicht ums Verkleiden, sondern ums Sichtbarwerden. Sei nicht irgendwer. Sei Du – auf Maximum.“, gekleidet. Get your Overdose stand auf dem Abendprogramm der Grausamen Töchter und im selben Genre unterwegs, der Vampyros Lesbos

Und diese, Vampyros Lesbos wird wahrscheinlich mittlerweile jeder kennen, schließlich hat das Duo vor knapp zwei Jahren ihr Debut Willst Du mal? veröffentlicht. Im schwarzen Schleier, mit viel Nebel und im standesgemäßen, schwarzen Latex traten die zwei Damen vor den Altar… ähem, das Publikum. Mit Angemessen wurde gleich die Richtung vorgegeben. Bei Schwarz und Weiß, auch etwas neuer und bei Wir tragen schwarz war das Duo richtig in seinem Element. Unschwer zu erkennen war, dass es ihnen Spaß machte, mit intelligenten, lasziven Deutlichkeiten ihre Statements einem Publikum klar zu machen, das diese ohnehin nur unterstreichen konnte. Instrumente sollte man auf der Bühne jedoch vergeblich suchen , denn diese würden nur von der Performance ablenken, also volle Konzentration auf die Akteurinnen. Elisabeth Brenner und Ostara Männel lieferten tanzbaren, harten Elektrosound mit durchaus auch melodiösen Elementen, die als eine Abwechslung im gewohnten Dark-Elektro-Gewitter erschienen. Die Menge tanzte und hatte Spaß, was will frau mehr. Zumal bei Flüssigkeiten die Seifenblasenpistolen gezückt wurden und somit das Publikum Teil der Performance wurde. Unterstützt wurde der Seifenblasenrausch durch die Erweiterung der Bühne mittels der Video-Leinwand im Hintergrund. Ein sehr guter Einstieg in den Abend, der dann mit den Töchtern weiterging.

Setlist: Angemessen // Schwarz und Weiß // Wir tragen schwarz // Willst Du mal? // Sinnlichkeit // Sklavin // Flüssigkeiten

Fotostrecke Vampyros Lesbos:

no images were found

Bevor diese nun komplett auf der Bühne standen, wurde im Hintergrund , unter sich bewegenden Augen und einer Schlinge, die ungeduldig hin und her schaukelte, der Countdown von zehn Minuten runtergezählt. Aber es ging schon vor Ende des Countdowns los, die nichttextil bekleidete Sängerin Nana Nocturnal hielt Schilder hoch, die vom Publikum teils mit lauter Zustimmung bestätigt wurden, als da wären z.B. I demand to be severely punished, Satisfaction through pain oder BDSM for satisfaction.  

Ansage completed. Die Show begann. Gleich nach Berlin Kok41n folgte als zweiter Song Göttin und Miststück. Da wusste man doch direkt, was geboten war. Oder auch nicht. Musikalisch irgendwo zwischen Industrial, Darkwave und Elektro, aber eigentlich passte alles in keine Schublade, so breit gefächert und unterschiedlich war es. Fontfrau Aranea Peel zeichnete sich durch ihre markante Stimme, ihre kreativen Inszenierungen und die immer präsente provokante Ästhetik aus. So auch heute, mit gelb-grünlicher Langhaar-Perücke, ungewöhnlichem Zahnschmuck, Mega-Wimpern, aber angezogen. Begleitet wurde sie diesmal von Nana Noctural als Sklavin, Performerin, Flötistin und den Vocals von Thenia Afentoulidou und Nataly Nichil. Diese natürlich standesgemäß in schwarzen, sexy Latexoutfits. Die erste Reihe hatte viel zu tun, ihre Handys beim Filmen gerade zu halten.

Nach Göttin und Miststück kam die erste Ansage, dass es heute abend viele neue Songs geben würde, eben Get your Overdose und dass sie sich freuten, heute Abend hier sein zu dürfen und dies verdankten sie nur ihren Fans. Bitte sehr, sehr gern geschehen. Mit Wahrheit ging es weiter, ebenso noch nicht veröffentlicht. Das mittlerweile achte Studio-Album kommt nämlich erst am 26. September 2025 heraus. 

Annika war auch wieder dabei, diesmal in einer Trilogie, „Lieder voll Ektase unter anderem bis zu ihrem Tod“, letzteres passierte allerdings erst im vierten Teil, in der Zugabe. Hintergründigkeit und Tiefgründigkeit findet man bei den Grausamen Töchtern in jedem Song. Ehrlich einfach. Provokant, kinky und ironisch bekommt die Gesellschaft die Abrechnung mit den Missständen und unschönen Alltäglichkeiten, die täglich zu sehen sind, oder eben denen, die in den Abgründen unserer Seelen stattfinden. Herausgeholt von einer Sängerin. Sängerin? Nein, sehr viel zu wenig. Einer begnadeten Künstlerin, Entertainerin, Schauspielerin, Tänzerin und nebenbei noch Psychologin.

Zur Feuerhexe kam mit einem roten Cape und roten Bändern , die sich lustvoll über die Bühne bewegten, etwas Farbe ins Spiel. Nana hatte die Flöte ausgepackt und benutzte diese im weiteren Verlauf dann, den Anzüglichkeiten entsprechend, eben nicht musikalisch. 

Wuff, wuff… die Fans wussten, was nun kommt. Aportieren war angesagt und nichts Schlimmeres angedacht, was wohl als Zwischenruf aus dem Publikum kam. Die Bälle, die nun in die Menge geworfen wurden, mit der Unterstützung von Vampyros Lesbos, sollten natürlich „alle wieder zurück auf die Bühne, zum nächsten Auftritt in München werden die ja schließlich wieder gebraucht. Alles klar??“.

Performt wurde anschließend das Stück Messer, das sich neben den Textzeilen auch mit der irr wirkenden Darstellerin Peel in die Gedächtniszellen des Publikums eingrub, die nun im weißen Hemdkleidchen auf der Bühne stand, genüsslich armlange Gummihandschuhe angezogen bekam und dann das Textwerkzeug in Natura in die Hand nahm und dieses ziemlich provokant den Menschen entgegen streckte. Wer hormonell etwas bewandert war, erkannte sofort die chemische Formel, die per Beamer im Hintergrund projiziert wurde, nämlich Dopamin. Der goldene Reiter, ein endlich mal sehr gelungenes Witt-Cover, nahm zumindest im Hintergrund auf dieses Glückshormon Bezug, während Aranea sich langsam die Haare vom Kopf riss (Anm. d. Red.: natürlich die Perücke). Mit einem Benzinkanister in der Hand – man hatte sofort erschrocken den Fortgang vor Augen –  stand sie da und tatsächlich, sie übergoss sich, durch den Beamer voll angestrahlt,  mit der Flüssigkeit. Das nun nasse Kleidchen mit den nassen Haaren gab dem Ganzen ein inquisitorisches Ausmaß. Fehlte nur der Scheiterhaufen. Aber all das diente nur der Vorbereitung zu Nord-Süd-West-Ost, bei dem sie mit einer Plastikplane kämpfte, während sie mit Kunstblut bespritzt wurde und diesen Song in ein Blutbad verwandelte. Live-Performance in Perfektion, die nun mit dem Kultsong Ich darf das! erstmal endete. Abgang. Applaus. 

Unterhaltung, Subversion, Poesie, Trash, Porno, Punk, wie soll man diese Show und eben die Töchter beschreiben? Schubladen gibt es nicht, bzw. einfach zu viele oder eben auch keine. Ein Hauch von Nina Hagen, eine Prise Alice Cooper, eventuell noch etwas Ozzy, DAF, wobei diese alle dem nicht gerecht werden. Gemischt mit Varieté, punkigem Chanson, unterlegt mit derben Elektro-Beats, die die mittlerweile verschwommene Möchtegern-Schwarze-Szene wieder zu ihrem Ursprung zurück bringt. Das ist echt.

Die Zugaben fehlten natürlich auch nicht. Sie kamen nochmal auf die Bühne. Annika beendete ihr Leben und Himmel und Hölle aus 2023 monierte, dass die guten Zeiten vorbei sind. Die gute Zeit dieses Abend, die wir alle hatten, leider viel zu schnell. Grausam. 

Setlist: Berlin Kok41n // Göttin und Miststück // Wahrheit // Nothing More to Say // Arroganz muss man sich leisten können //  Annika nimmt Drogen // Annika wird Filmstar // Annika geht in den Knast // Banana Split // Shark // Ratten // Opt1kf1ck // Feuerhexe // Hund // Head Up Do It // Fickstück // Fette Katzen // Messer // Passiert // Zuckerwatte // Goldener Reiter // NSWO //  Ich darf das ! // Annika ist tot // Himmel-Hölle

Fotostrecke Grausame Töchter:

Bericht und Bilder: Patrick

 

Mehr von den Grausamen Töchtern und Vampyros Lesbos bei Dark-Art findet ihr hier:

 

 

Über Patrick Süß 97 Artikel
- Photographiere Konzerte seit 2012 - Musikrichtungen: Iron Maiden-Fan seit 1982, Epica, WT, Nightwish, Avatar, aus der Region Rhein Main Pentarium, Snow White Blood und alles was rockt. - Wacken-Photographer - Hexentanzfestival Losheim am See / Großrosseln (ab 2023) - Stammgast beim Flörsheimer Open-Air und beim - "das Rind" in Rüsselsheim und das "Moshpit" in Flörsheim sind meine "Wohnzimmer" - Seit November 2020 bei Dark-Art - Wer mehr wissen möchte... einfach fragen.

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*