She Past Away mit Aux Animaux in Das Rind in Rüsselsheim – 18.04.2023

Am Dienstag den 18.04.2023 waren wir sehr kurzfristig im gut gefüllten Rüsselsheimer Das Rind zu Gast. Dort fand das Konzert von She Past Away mit Vorgruppe Aux Animaux statt. Dieses war kurzfristig wegen Bürokratieschwierigkeiten der Band um fünf Tage verlegt worden.

Aux Animaux ist ein Soloprojekt der türkischen Sängerin Gözde Düzer die heutzutage in Stockholm lebt. Sehr stark an den 80er Jahren orientiert, arrangiert die Künstlerin seit 2017 kraftvollen, atmosphärischen, fast magischen „Hauntwave“. Dadurch, dass sie ein Theremin* verwendet, wirkt es in ihrer Art sehr düster und gespenstig. In ihren Songs spiegelt sich ihre Tierliebe, der Hang zum Okkulten und die Liebe zum Horrorfilm der 80er wieder.

Pünktlich um 20.00 Uhr ging das Licht aus. Der Auftritt wirkte von Anfang an sehr avantgardistisch und wie eine ganzheitliche künstlerische Darstellung von Schauspiel und Musik, denn nur eine rot verschleierte Frau betrat langsam die Bühne, dort angekommen, setze leise Musik  ein und Aux Animaux begann, zur Performance sehr passend, mit einem okkulten Ritual. Erst danach fing das erste Lied an, sehr Noise- lastig, experimentell und mit verzerrter Stimme. Dazu Samples vom Band und mit Einsatz des Theremins, das bei fast jedem ihrer weiteren Songs zum Einsatz kam.

Der rote Schleier fiel, fast unbemerkt, und Gözde Düzer ging auf den bereitstehenden Bass am Ständer zu, ergriff ihn, als Teil der Inszenierung, und mit dieser Eleganz spielte sie die ersten Töne. Klassische Post-Punk Elemente trafen auf Bass und den fast kreischenden Ton des Theremins, dazu die Kombination mit einer samtig, tiefen Gesangsstimme. Was dem Gesamtspiel die Stimmung verlieh, direkt aus einem alten Horrorfilm zu kommen. Diese zog sich durch den ganzen Auftritt, was dem Ganzen etwas Unheimliches und dennoch sehr Schönes verlieh und das Publikum in den Bann zog. So sang Aux Animaux auch eine sehr eigene Interpretation von Björks Army of Me, die sehr gut ankam.  Dabei fielen ihr, wie bei den meistens Songs, die langen Haare wie ein Schutzschirm vor das Gesicht. Es wirkte, als wäre sie in ihrer eigenen Welt und die Menge vor der Bühne hatte einfach das Glück, sie dabei beobachten zu können. Viel zu schnell war der 45-minütige Auftritt zu Ende und hinterließ mich, wie das Publikum, in Faszination, die noch weit in die Umbaupause nachhallte. Und damit ihr wenigstens etwas von der Stimmung mitbekommt, hier ein paar Fotos vom Abend:

 

Die türkischen Ausnahmekünstler She Past Away fanden sehr schnell Anklang im Rest der Welt, weil man aus der Türkei nicht unbedingt ein Dark-Wave-Projekt erwartet, und man sie gerne als Exoten bezeichnet. Bereits 2006 von Volkan Caner und Idris Akbulut, der 2015 von Doruk Öztürkcan abgelöst wurde, gegründet, kam 2012 der erste Longplayer auf den Markt. Da die Szene in der Türkei relativ klein für Anhänger dieses Genres ist, befinden sich She Past Away immer wieder auf Welttourneen. Der Stil ist zu 100% vom Post-Punk der 80er Jahre geprägt. So findet man verschiedene Elemente die an Sisters of Mercy, The Cure oder auch an Joy Division erinnern. Aber alleine dadurch, dass She Past Away auf türkisch singen, drücken sie dem Ganzen ihren eigenen Stempel auf und sind damit einzigartig.

Der Auftritt von She Past Away begann planmäßig nach der kurzen Umbaupause. In blaues Licht gehüllt betraten zwei Menschen den Schauplatz. Undefinierbares Rauschen stellte das Intro, in das sich langsam der typische Synthesizersound mischte. Nebel waberte über die Bühne und gab dem minimalistischen Set den passenden Rahmen. Weiße Lichtstrahlen bildeten ein Diadem, das die beiden Musiker umhüllte. Während Sänger Volkan Gitarre spielend, sehr introvertiert wirkte, agierte der Keyboarder Doruk mit dem Publikum, animierte sie zum Klatschen und zum Hände emporstrecken. Diese, vom Alter her sicherlich mit der Postpunk-Zeit und Nachfolgenden groß gewordene, dunkelbunt gemischte Besucher im Saal waren sichtlich begeistert von dem Auftritt. Ab den ersten Klängen waren sie in Bewegung, einige tanzten das ganze Konzert über ausgelassen und völlig versunken zu der Musik.

Nachdem ersten Song kam ein „Vielen Dank“ und ein „Guten Abend“ in Deutsch, was die Menge da schon begeistert aufnahm und mit lautem Applaus belohnte. Vereinzelt sangen einige die Texte mit, was wohl darauf schließen ließ, dass She Past Away auch einige Landsleute angelockt hatte. Volkan bestach durch seine fast statischen leichten Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen, Doruk mit seinem Spiel an Keyboard und Drum-Pad. Teilweise spielte er beide in einem Song oder loopte eins immer live eingespielt mit rein. She Past Away sollte man sich merken, sie sind gerade auf ausgedehnter Tour in verschiedenen Ländern bis Dezember 2023. Hier der Link zu den Tourdaten:

https://shepastaway.org/tour-dates/

Und hier ein paar Eindrücke:

* Das Theremin ist ein 1920 erfundenes elektronisches Musikinstrument. Es ist das einzige verbreitete Musikinstrument, das berührungslos gespielt wird und dabei direkt Töne erzeugt. Sein Name geht auf den Erfinder, den Russen Lew Termen, zurück, der sich im Westen Leon Theremin nannte.

Beim Theremin steuert die Position der Hände gegenüber zwei Elektroden die Tonhöhe sowie die Lautstärke. Die Ausgabe des Tones erfolgt nach Verstärkung über einen Lautsprecher. Obwohl das Theremin in vielerlei Hinsicht eine Pionierrolle im Instrumentenbau einnahm, blieb sein Gebrauch auf musikalische Nischen beschränkt. Dabei kam es in so verschiedenen Bereichen wie neuer Musik, Science-Fiction-Filmen und experimenteller Musik zum Einsatz. Erst seit den 1990er Jahren hat es sich etwas popularisiert.

Eine besondere Rolle in der Musikgeschichte nahm das Theremin durch den Instrumentenbauer Robert Moog ein. Dieser baute in seiner Jugend Theremine und nutzte die dort gewonnenen Erfahrungen zur Entwicklung seiner Synthesizer.

 

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