Konzertbericht: ULTIMA RATIO FEST 2023 – Wiesbaden

Das ULTIMA RATIO FEST 2023 ging in die nächste Runde und hat sich wieder einige Hochkaräter an Land gezogen. Dieses Jahr waren Harakiri for the Sky, Omnium Gatherum, Primordial und Paradise Lost mit dabei. Am 01.10.2023 machte diese Konstellation im Schlachthof in Wiesbaden halt. Anders als im Vorjahr war die Bandauswahl dieses Jahr sehr unterschiedlich, 2022 lag der Fokus auf dem Melodic Death Metal. Eine wilde Mischung, auf welche ich im Fazit nochmals eingehen werde.

 

Den Anfang machten in Wiesbaden die Österreicher Harakiri for the Sky. Feinster Post-Black-Metall mit raffinierten Melodien, melodisch und einprägsam. HFTS sind live eine Band, welche man unbedingt mal gesehen haben sollte. Sänger J.J, welcher immer ruhelos wirkend über die gesamte Fläche der Bühne pilgert, agierte laufend mit seinem Mikrofonkabel, wenn er nicht gerade emotional singend auf dem Boden der Bühne kniete. Auch die abgestimmte Lightshow, welche ausschließlich aus rückwärtigen Licht bestand, unterstützte die atmosphärische Stimmung. Passend zu den Songs wurde die Stage in Rot und Orange oder sanftes Blau getaucht. Auch das angestrahlte Backdrop, welches typischerweise ein Hirsch zierte, erstrahlte fluoreszierend. Ein toller Effekt. Während des letzten Songs sprang J.J dann auch wieder in den Graben, um dort auf der Absperrung einen Teil des Liedes zu spielen. Auch legte er sich mitten in dem Graben auf den Boden, um den Emotionen des Songs Ausdruck zu verleihen. Ein, wie eigentlich immer, überragender Auftritt einer der Szenegrößen des deutschsprachigen Post-Black Metals.

Wer auf finnischen Melodic Death Metal steht, kommt um den Namen Omnium Gatherum nicht herum. Sänger Jukka Pelkonen stürmte regelrecht die Bühne, ein ziemliches Kontrastprogramm zu den Österreichern. Außerdem animierte er das Publikum von Beginn an zum Mitmachen, was nach und nach besser funktionierte. Auch sie hatten kein Frontlicht, was ich hier allerdings nicht passend fand, denn bei den Finnen herrschte eine komplett andere Stimmung vor. Dynamisch und mit übersprudelnder Spielfreude legten sie Vollgas los. Schnell, aber auch melodisch, das haben sie richtig drauf. Auch die Interaktion untereinander war sehr schön zu sehen. Leider konnten sie mich trotzdem nicht so richtig catchen, denn bedauerlicherweise klang der Sound etwas flach und die Gitarren gingen etwas unter. Und auch dass sie nach HFTS spielten, war für mich nicht die optimale Konstellation. Ich hoffe, die sympathischen Finnen bald mal wieder zu sehen, denn ich bin mir sicher, dass es das nächste Mal anders sein könnte.

Primordial brachte dann den nächsten Stilwechsel auf das Ultima Ratio Fest. Als das Intro ertönte, betraten nach und nach die Musiker die Bühne, gefolgt von Sänger A.A. Nemtheanga (Alan Averill), welcher sehr schwungvoll Richtung Mikro stürmte und dann erstmal einen Schlenker rückwärts machte, sich aber sofort wieder fing. Ob da wohl schon die obligatorische Weinflasche im Spiel gewesen ist? Mit seiner Henkersschlinge um den Hals und dem weiß geschminkten Gesicht, bot er schon einen sehr starken Kontrast zu den restlichen Bands. Auch musikalisch ging es in eine komplett andere Richtung. Mit ihrem Mix aus Black-, Pagan- und Celticfolk- Metal hatten sie nach kurzer Zeit keine Mühe, das Publikum in ihren Bann zu ziehen, was auch an der unfassbar starken Bühnenpräsenz von Alan liegt. Wenn er nicht gerade einen beherzten Schluck aus der besagten Weinflasche auf der Stage nahm, war er immer auf ebendieser unterwegs. Gestikulierend und laufend das Publikum animierend, zog er alle Blicke auf sich. Gleich in der ersten Ansage rutschte ihm ein Schimpfwort durch und im nächsten Song riss er im Spaß dem Gitarristen die Kapuze vom Kopf. Sonst war er diesmal aber überhaupt nicht in Pöbellaune, im Gegenteil. Die andauernden Mikrofonprobleme brachten ihm nicht aus der Ruhe, er nahm es mit sehr viel Humor und machte seine Späße. Natürlich schafften es auch drei Songs aus ihrem neuesten Album in die Setliste. Das namensgebende How It Ends, Pilgrimage to the World’s End und Victory Has 1000 Fathers, Defeat Is an Orphan wurden zum Besten gegeben. Natürlich durfte auch der Primordial Song schlechthin, To Hell or the Hangman, nicht fehlen, bei dem die Crowd auch nochmals merklich munterer wurde. Den Auftritt beendete Empire Falls, welches meiner Meinung nach aber auch ein richtiges Brett und perfekt für den Abschluss ist!

Nach einer kurzen Umbaupause ging es mit den diesjährigen Headlinern Paradise Lost weiter. Seit ihren Anfängen im Death Metal haben sich die Jungs ganz schön gewandelt. Mittlerweile sind sie deutlich ruhiger und melodischer geworden, aber lassen sich auch nur sehr schwer in eine Schublade stecken. Ihre Musik ist beeinflusst von Elementen des Gothic-, aber auch des Dark-Rocks. Als das Intro ertönte, hatten sich die Räumlichkeiten wieder schlagartig gefüllt. Mit sichtlicher Spielfreude legten sie los und gaben direkt alles. Leider war der Sound in den ersten Reihen wohl leider überhaupt nicht gut, was einige dazu veranlasste, sich neue Plätze zu suchen. Weiter hinten konnte ich den Klang nicht bemängeln. Ich muss auch sagen, dass gerade nach Primordial mit einem sehr präsenten Alan, Sänger Nick Holmes fast etwas langweilig wirkte. Kaum Interaktionen mit dem Publikum, spärliche Ansagen, das kennt man sonst so nicht von ihnen. Einzig ihr Gitarrist war merklich aktiver, denn er riss immer wieder sein Instrument in die Luft und grinste dabei über beide Ohren. Musikalisch führten sie uns einmal quer durch ihre Diskografie, denn mit mittlerweile sechzehn Full-Lenght- Alben haben sie da einiges zu bieten. Bedauerlicherweise schaffte es, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe, kein einziger Track ihres kommenden Werkes Icon 30 in die Setliste. Eigentlich sehr schade, denn Release ist ja schon Anfang Dezember. Im Gegensatz zu der vorausgegangenen Band spielten sie das Zugabespiel relativ ausführlich. Es sah aber so aus, als gäbe es kurzzeitig technische Probleme. Als Zugabe hauten sie uns dann noch Say Just Words und Ghosts um die Ohren. Paradise Lost schafften es, die Menge größtenteils abzuholen, auch wenn das bei mir nicht so gut geklappt hatte.

Was soll ich sagen? Fand ich die Bandauswahl gelungen? Jein. Jede Band für sich selber gesehen ist verdammt stark, allerdings in der uns gebotenen Kombination schafften es Omnium Gatherum und Paradise Lost leider überhaupt nicht, mich von den Socken zu hauen. Was aber keineswegs heißt, dass diese schlecht gewesen sind. Überhaupt nicht. Ich finde nur, dass gerade J.J von Harakiri for the Sky und Alan von Primordial unfassbar starke Persönlichkeiten sind, welche jeder auf seine Art die Bühne einnimmt. Daher hatten es nachfolgende Bands meiner Meinung nach einfach etwas schwerer. Das fand ich letztes Jahr tatsächlich stimmiger vom Billing her mit Hinayana, Wolfheart, Borknagar, Insomnium und Moonspell. Trotzdem war es ein sehr schöner und gelungener Abend und ich bin gespannt, in welche Richtung es nächstes Jahr geht!

 

Über Steffi 200 Artikel
Fotografin und Schreiberling. Seit Frühjahr 2022 dabei, bin ich bevorzugt auf kleineren Festivals und Veranstaltungen im Bereich Pagan, Viking und Folkmetal, soweit atmospheric Black Metal und Melo Death unterwegs. Zu meinen Lieblingsbands zählen unter anderem Vanaheim, Cân Bardd und Dark Tranquillity.

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*