Festivalbericht: Metal Gods Open Air V Tag 1 – 07.06.2024

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Factory Of Art
Dekadenza
Redestruction
Abandoned Humanity
Belligerence
Campa 
Bloodfang

Zum fünften Mal wird das Metal Gods Open Air in der verschlafenen Gemeinde Waldesruh in Berlin auf dem Gelände des Fußballvereins Blau Weiß Hoppegarten/Mahlsdorf ausgerichtet.
Der freitagliche Feierabendverkehr lässt mich den Einstieg um 15:15 Uhr von Factory of Art leider fast verpassen, schaffe es dann aber doch noch während des Auftritts auf Gelände, puh.

Factory Of Art
15:15  – 16:00 Uhr

Für die Band ist der Tag und der Auftritt schon etwas Besonderes, denn es ist Album-Release des dritten Albums seit Bandgründung und zu diesem Anlass werden uns nur neue Songs dieser Scheibe präsentiert. Die Leipziger sind seit den frühen 90ern aktiv, dann nach langer Pause ab 2019 wieder, wie der Albumtitel richtig vermittelt, Back to Life.
Für einige humoristische Einlagen sorgt der Seitenwind, indem er den mitgebrachten Aufsteller mit Bandlogo immer wieder hartnäckig auf den Gitarristen Thoralf Schulze wirft. Nervig für ihn, Comedy fürs Publikum. Der dritte Song Silent Room sorgt für kleinere Soundprobleme, die der Keyboarder und Backgroundsänger Gunter Lange gekonnt mit der Frage überspielt, ob die schon anwesenden fünfzig Personen denn alle schon Getränke hätten.
Der nächste Song, Walking to a place I trust, beginnt mit einem Keyboard- und Schlagzeug-Intro und zieht die Answesenden dann mit melodiösen Klängen in seinen Bann. Da 40 Minuten für einen Festivalauftritt nun mal relativ kurz sind, gibt es mit Back to life schon den letzten Song und Frontmann und weiteres Gründungsmitglied Jens Schmikale bedankt sich im Namen von Factory Of Art für die Möglichkeit beim MGOA spielen zu dürfen und ihr Release vom Back to life Album feiern zu dürfen.


Dekadenza
16:20  – 16:50 Uhr

Nach kurzer Umbaupause betreten Dekadenza die Bühne und sorgen mit Epic Groove / True Metal für Aufsehen, der mit einigen Ska-Elementen wie z.B. Saxophon und E-Cello daherkommt. Die Anwesenden lassen es sich nicht nehmen, dieses virtuose Schauspiel, das man immerhin nicht alle Tage geboten kriegt, entsprechend abzufeiern.
Fünf Leute musizieren sich durch ein abwechslungsreiches Set mit Gitarre, Bass und Schlagzeug und oben erwähnt eher bei Orchestern, Jazz-Bands oder Apocalyptica verorteten Instrumenten.
Dazu dominieren schnelles punkiges Gefiedel und Gespringe des Sängers Raphy die Bühne während des ersten Songs. Mit Snake Eyes wird ein cooler Flitzer nachgelegt, Raphy am Cello und sein Bruder Adry am Saxophon machen die Darbietung stilististisch interessanter, als es viele Bands können.
Der vierte Track ist eine coole Mische aus Groove und Klassik und sorgt durch die lockere Spielfreude auf der Bühne für Wohlwollen beim interessiert lauschenden Publikum.
Beim nächsten Song Wasteland, der das Ende der Welt besingt, wünscht Raphy sich einen friedlichen Umgang miteinander und dass alle Spaß haben sollen. Da dieser Song wiederum ohne das Cello auskommt, nutzt der Sänger seine neue Freiheit vom Instrument, um das Publikum in Gesangsgruppen einzuteilen, eine für „Wasteland“ und eine für „Get out of my way!“, was wir jetzt im Wechsel beim Refrain gern mitsingen bzw. der Bühne entgegenrufen.
Den nachfolgenden Track leiten Saxophon und E-Gitarre ein. Das Saxophon bleibt Hauptinstrument und Sänger Raphy lässt sein Cello weiter ruhen und es entsteht ein schöner Midtempo-Swing. Mit Timeout ist der letzte Song ein Midtempo-Track und wird wieder mit Cello und Blasinstrument serviert. 17:00 Uhr verlassen Dekadenza nach einem recht ungewöhnlichen und damit einprägsamen Gig die Festival-Stage.


Redestruction
17:10-18:00 Uhr

Um 17:10 gibt’s dann schon die nächste Truppe, diesmal aus dem hohen Norden Hamburgs, auf die Ohren.
Redestruction haben mit ihrem alkoholisch sakralen Backdrop sofort meine Aufmerksamkeit und den hab ich mir auch gleich als Sticker gesichert. Bitte nochmal als Patch das Ding, ja!?
Drei Herren betreten die Bretter und Sänger und Gitarrist Robin de Winter kündigt an, uns den Heavy Rock in die Hauptstadt zu bringen. Mit Salih Gerke am Schlagzeug und Hannes Bürger an den Backing Vocals und Bass wird uns jetzt eine Schulstunde lang Groove gemixt mit Thrash Metal und Hard Rock um die Ohren gehauen. Im Rahmen der illustren Darbietung wird uns somit das erste Album von 2020 The Album (voll mein Humor) und die Fuck’n Metal EP (2012) und der neue Song St. Booze vorgestellt.
Nach dem ersten Song wird die Gitarre etwas nachgeregelt, ansonsten gibt es keine Unterbrechungen des spritzigen Sets und der zweite Track zieht mehr Publikum von den Bierständen ab und vor die Bühne. Dann gibt’s laut Ankündigung mit Beat down auf die Fresse (O-Ton de Winter). Das Ding grooved sich locker über Waldesruh hinweg, während Sänger Robin erstmals Jack Black artige Screams zur Garnitur des Songs hinzufügt.
Zum nächsten Song wird das Publikum ermuntert, noch dichter an die Bühne heranzutreten und den deepen sludgigen Groove, der nun folgt, abzubangen.
Als kurz vor Ende des Sets noch das eine Beckenstativ vom Schlagzeug episch umfällt, ist das noch ein schöner Beitrag zu diesem lockeren und doch recht humoristisch augenzwinkernden Auftritt der Drei, die konsequent mit Spielfreude, Expertise und Witz bei der Sache sind. Hat mir sehr gut gefallen, sodass ich mir das Fanpackage vom Merch mit nach Hause nehme, natürlich inklusive des tollen Stickers, der das Backdrop zeigt.


Danach gibt’s als Lückenfüller eine Ansage von Veranstalter Sven, in der er keinen Hehl aus den Komplikationen der Organisation des hiesigen Festivals macht. Er hat mehr als drei Wochen Stress hinter sich, da der Schlagzeuger einer gebuchten Band entlassen wurde, die Sängerin einer anderen erkrankte und die Band den Gig kurzfristig abgesagt hat. Eine andere Gruppierung hat sich komplett aufgelöst und noch dazu springen unterschiedliche Redakteure ab, wegen des angeblich nicht lukrativen Undergroundstatus dieses Festivals und berichten lieber über das x-te Konzert größerer Gruppen. Seine Genervtheit ist nachvollziehbar, lernt man doch aufm Metal Gods immer wieder neu Bands zu schätzen, von denen man vorher nicht mal wusste und rennt zwei Minuten nach deren Gig an einem der Essensstände schon in die Mitglieder und deren Mahlzeiten rein. Eine schön familiäre Wohlfühlatmosphäre, die auch dazu führt, dass Mitglieder der Performer vom letzten Jahr wie Markus von Panzerkreuzer nun Roadie für die Bands dieses Jahr machen und Sängerin Heike von Way2Far die Bühnenkoordination übernimmt. Selbst Hateful Agony aus München und Belligerence haben spontan zugesagt, ausgefallene Gigs zu ersetzen. Aber zu deren Auftritt später mehr.
Erstmal kommen Leute von noch weiter her auf die Bühne.

Abandoned Humanity
18:20 – 19:00 Uhr

Abandoned Humanity
hatten zu Beginn diesen Jahres ihre Releaseparty im Rock-Cafe Halford unseres Veranstalters Sven, als ich meine Geburtstagsfeier dort feierte. Das Album ist also schon eingekauft und auch live geht der melodische Death Metal der Jungs gut ab, während ich dem Merchstand kurz einen Besuch abstatte.
Der derbe Thrash-lastige Musikstil ihres Debutsalbums Against all Odds bildet die Setlist und zieht zum fortgeschrittenen Nachmittag auch schon deutlich mehr Publikum, auch da die Leute jetzt alle endlich Feierabend haben und raus ins Grüne bzw. Blau-Weiße fahren können. Mit am meisten erstaunt mich nebenbei, dass zu dem Geballer immer noch rüstige Herren auf ihrem Vereinsgelände, auf dem wir hier gastieren, Fußball trainieren, bis es tatsächlich später dunkel wird. That’s the spirit – Bolzen / Sport und Metal dat passt jut zusammen.
Divides ist als Einstieg schon mal eine Abrissbirne mit dem Stakkato-Riff der E-Gitarre und dem growligen Strophengesang, der im Refrain zum Klargesang wechselt. Zur Mitte des Songs wird das Tempo sogar noch angezogen.
Das darauf folgende The God that dwells in flames startet mit einem schnellen Riff, unterlegt mit spitzem Keyboard-Gefrickel, während die Nebelmaschine die Atmosphäre des Songs unterstreicht. Es entwickelt sich eine fast melancholische Midtempo-Nummer, die mit ihrem getragenen Chorus das Publikum zum Mitsingen animieren kann. Der Sänger bedankt sich danach für den Zuspruch und für den Auftritt auf dem MGOA. King of Ruin zieht daraufhin die Daumenschrauben wieder an und lädt einige Hartgesottene zum Headbangen ein, während sich das Feld vor der Bühne weiter füllt.
Complicit schrammt nur knapp am Metal-Core vorbei und sorgt für aufgeheizte Stimmung bei der sonst eher Heavy Metal lastigen Veranstaltung.
Mit This Hecatomb und dem mitsingbaren Rausschmeißer Unconquered, der wiederum Veranstalter Sven und den Besuchern des Festivals gewidmet wird, beschließen Abandoned Humanity ihren Auftritt, mit dem sie beeindrucken konnten und bestimmt weitere Gönner und Fans haben gewinnen können.


Belligerence
19:20-20:10 Uhr

Weiter geht’s mit den Berliner Black Metal Newcomern Belligerence, die ebenfalls zugesagt haben, um für Ausfälle Ersatz zu schaffen.
Ein schwarzes Stoff-Backdrop, wie im Black Metal üblich, mit schwer lesbarem zackigem weißen Schriftzug erzeugt Verwirrung beim Publikum. Internetversierte befragen Metal Archives und finden heraus, was da steht und wer da jetzt spielt.
Die Jungs spielen einen recht statischen Gig, aber das Schwarzmetal metert gut über das Festivalgelände. Gibt bestimmt nicht viele, die freitagabends zu Black Metal Fußball spielen. Hier wird das Realität. Die Ansagen, der noch sehr jungen Bandmitglieder, sind noch etwas hölzern, aber das kommt noch mit mehr Bühnenerfahrung. Sie sind ja auch neu auf dem Markt und spontan eingesprungen, da kann man drüber wegsehen, wenn’s noch etwas holprig ist. Brachial ist das Trio schon mal und kann einige Interessenten vor die Bühne locken. Mit einer Demo-EP The Wretched im Gepäck, die neben dem Titeltrack noch Casked of the Damned enthält, wird bei Belligerence traditioneller Black Metal geboten. Wenig Interaktion und statische Performance, dafür technisch anspruchsvolle Gitarrenarbeit und unerwartet tiefes Growlen beim Sänger sowie schnelles Schlagzeugfeuerwerk. Obendrein werden noch eine Neuauskopplung in naher Zukunft angekündigt und schon mal Hörproben gegeben.  Insgesamt ein solider Auftritt beim Metal Newcomer, dem selbst die Sonne nichts entgegensetzen kann und sich für heute final hinter die Baumwipfel flüchtet.


Campa 
20:30 – 21:30 Uhr

Irgendwoher kannte ich den Namen und als mir das schwarzweiße Bandlogo ins Auge fiel, erinnerte ich mich, dass der Frontmann mir erst ein paar Wochen zuvor auf einem anderen Konzert einen Sticker der Band in die Hand gedrückt hatte. Jetzt hab ich also Gelegenheit die Berliner Thrash-Newcomer gleich mal live zu erleben, sichere mir aber schon vor dem Gig einen Patch.
Im Herbst 2023 nach einigen vorangegangenen Jammingsessions gegründet, gehen Campa mit der gerade veröffentlichten EP To the Grave auch als Geheimtipp beim MGOA an den Start und thrashen die müden Knochen der Anwesenden warm. Der Opener vom Album wie auch des Gigs ist mit God against God ein derber Brecher und eine Ansage gegen soziale Ungerechtigkeit und Korruption, das mindert aber nicht den Spielspaß, den die Truppe hier an den Tag legt.
Der zweite Song ist bereits ein neues Werk namens Paranoid Episode und füllt das Gelände weiter mit Thrashern. Die nächste Nummer ist Lokalpatriotismus pur, geht es doch um eine Berliner U-Bahnline: U8 Life (where the Party, laut Ansage, never ends). Das ist wohl eher augenzwinkernd zu nehmen, wie jeder Berliner Nahverkehrsteilnehmer weiß, macht aber eben auch Spaß, das Teil. Beim nächsten Track wird der Gastmusiker am Bass vorgestellt und Kill the imposter röhrt aus der PA. Danach gibt’s mit Dead Walking Man für mich einen schönen Nackenrotierer.
Never come back wird als Ballade angekündigt, ist aber genauso schnell wie alles andere, was hier weggebolzt wird. Nichtsdestotrotz lassen sich zweo Mädels kurz zum Walzer-Paartanz vor der Bühne hinreißen. Das Sepultura-Cover Arise entlockt dem anwachsenden Publikum erste Mitsingchöre inklusive Unterstützung durch Belligerences Frontmann als Gesangsverstärkung on stage.
Es folgt Fill me up with Poison, ein weiterer Nackenbrecher sowie Manhunt und für mich als großen Sodom-Fan ein sehr, sehr schnelles Cover vom Klassiker Agent Orange.
Insgesamt liefern Campa ein schönes Brett von Auftritt, was man sich gern am 4. August nochmal im Berliner Kesselhaus der Kulturbrauerrei geben kann, wie ich später am Merch in Erfahrung bringen kann.

Bloodfang
21:55 – 22:55 Uhr

Es ist nun dunkel und Zeit für den Headlinder. Bloodfang sind ebenfalls ein frisch aus dem Fledermausei gepelltes Berliner Quintett, das schon den ersten Festivaltag headlinen darf.
Welches Klischee wollen sie? Ja! – wie Fotograf Andi passend anmerkt. Es ist eine fulminante Show, die hier aufgezogen wird. Glam-Metal Outfits bis hin zu dämonischen Nietenoutfits und wabernden Tuniken lassen die Band von der Optik am besten zwischen Dokken und Portrait einordnen. Dazu kommen gigantische aufgespannte Flügel hinter dem Drumkit, die den Schlagzeuger wie den Leibhaftigen selbst in Erscheinung treten lassen – Dave Grohl Belzeboss aus The Pick of Destiny lässt grüßen!? Dazu kommen dickste Nebelschwaden, die sogar die aufgestellten Banner verhüllen bzw. verhöllen.
Wer die Optik erst mal verarbeitet hat, wird nun in die Zange des als Metal-Punk betitelten Musikstils genommen. Ob jemand außer mir bis zu diesem Text wusste, dass es einen Song von Venom mit eben diesem Titel gibt, wird wohl ungeklärt bleiben.
Der Sänger in Lederweste begrüßt das Publikum – „Habt ihr Bock?“ – und lässt zum Sound von zwei E-Gitarren, Bass und Schlagzeug ordentlich knacken. Hier ist Spielfreude par excellence auf den Bühnenbrettern und obwohl hier hauptsächlich Düsterkram gegniedelt wird, macht das alles einfach derbe Laune. Das Publikum ist auf vielleicht 150 bis 200 Personen angewachsen, das Feld vor der Bühne also voll. Man merkt, dass die Berliner sowohl vor als auch auf der Stage einfach Spaß haben.
Beim zweiten Song Hail the Cult springt der Gitarrist von links bereits von der Bühne und rockt durchs Publikum, das diesen enthusiastischen Stil sichtlich feiert. Das war aber nur ein lauer Auftakt, denn beim dritten Track werden Fackeln von „Priestern“ in Roben hereingetragen und rituell auf Säulen links und rechts des Drumkits platziert, während sich der Frontmann Kunstblut über den nackten Oberkörper träufelt. Die Show hat starke Anleihen bei frühen Black Sabbath, Mercyful Fate bis hin zu W.A.S.P.. Zusätzlich wird von einer knapp bekleideten Dame in Netzstrumpfhosen Hochprozentiges direkt aus der Pulle von der Bühne aus an die ersten Reihen des Publikums ausgeschenkt. Das können sie beim nachfolgend schnellen Brecher Riding the Storm gleich wieder ausschwitzen. Zum Ende des Gigs hin taucht die uns schon bekannte Dame nun als elegante Feuerspuckerin wieder auf und untermalt, mit beeindruckender Kunst, die, an heidnische Rituale erinnernde, Bühnenperformance. Zu sehen gab es also einiges, nur zu hören offenbar nichts mehr, da Bloodfang nun am Ende ihres Sets angekommen sind. Somit endet etwas plötzlich nach schon 30 Minuten ein erinnerungswürdiges Konzert, das sich bei vielen in die Gehörgänge und Netzhäute gebrannt haben dürfte.
Cooler Abschluss von Tag eins und wir freuen uns bereits auf den Anschlusstag, wenn es am Samstagnachmittag weitergehen wird mit der Huldigung der Metalgötter.

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