Review: Firtan – Marter

Firtan - Marter - Beitragsbild

Release: 30.09.2022

Genre: Pagan/Black Metal

Spieldauer: 58 Minuten

Label: AOP Records

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Tracklist:

  1. Fadir
  2. Amor Fati
  3. Labsal
  4. Lethe
  5. Parhelia
  6. Odem
  7. Menetekel
  8. Peraht
  9. Medomai (Bonustrack nur auf Vinyl und in der CD Box dabei)

Firtan - Marter - Cover

Es ist vollbracht und Firtan ist wieder da. Mit voller Motivation, jeder Menge neuen musikalischen Ideen im Gepäck und jeder Menge Spielfreude, macht sich das Quartett auf eine neue Reise und präsentiert uns ihr drittes Album Marter. Aufgenommen und produziert wurde die Scheibe bei keinem geringeren als dem in der Szene bestens bekannten Markus Stock in der Klangschmiede Studio E. Es darf also viel erwartet werden und darum schauen wir Marter auch gerne einmal etwas genauer für euch an.

Auf geht’s und ja es geht direkt auf ins Neuland. Fadir steigt direkt mit vollem brachialem Sound ein und zeigt auf, dass hier ordentlich Dampf hinter der Musik steht. Und so walzt sich Fadir seinen Weg, der stets nur voran geht, ohne dabei monoton zu wirken. Mit klassischen Black Metal Riffs bis hin zu verspielten kreativen Auswüchsen ist alles dabei und wirkt ansprechend auf den Zuhörer, ohne dabei an Energie einzubüßen oder den Song besonders langwierig wirken zu lassen. Und erst als kurz nach der Hälfte, welche gefühlt sehr schnell verfliegt, die Akustikgitarren einsetzen, hat man kurz Zeit das erste Mal Luft zu holen. Jedoch ist dies nicht von langer Dauer, bevor die Dampfwalze zurückkehrt. Und wenn man denkt, jetzt kommt nichts mehr, überrascht der Song mit neuen Soundauswüchsen und in der musikalischen Gestaltung ohne dabei verstörend oder ungewohnt zu klingen. Eingängig bis zur letzten Sekunde muss man sich von diesem Song einfach mitreissen lassen. Top Auftakt für eine CD, die gleich klarstellt, wo der Hammer hängt.

Amor Fati startet dagegen etwas gesetzter mit Gitarrenvorspiel und baut sich langsamer, gefühlt je doch schnell noch größer auf und erschafft eine einzigartige Atmosphäre in der man direkt aufgeht. Düster, brutal und episch vereint sich hier zur Perfektion. Untermalt von Instrumenten die man so bei Firtan noch nicht wahrgenommen hat und dennoch verspielt. Der so entstehende Wechsel zwischen ruhigen Parts und denen, die vom Bums dahinter mit Dissection mithalten können, machen diesen und längsten Song des Albums (mit 9 Minuten) zu einem wilden Wirbel, der einer Achterbahnfahrt gleicht. Wobei es weniger bergab geht als bei dieser. Eher sind die ruhigeren Stellen da um das vorherige Level zu halten bevor es weiter bergauf geht. Doch eine Richtung ist klar, es geht nur voran, ohne Güte und ohne Gnade. Eine sehr starke Nummer, die ich hoffentlich einmal live bewundern darf, da dann niemand im Saal ruhig stehen bleiben können wird und in einem längeren Outro angemessen verhallt.

Doch was rede ich von „ruhigen“ Zwischenparts? Das Outro von Amor Fati war wieder nur eine kurze Ablenkung um mit seinem Genick zu knacken, bevor das Flaggschiff Firtan wieder mit 150% Leistung ins Meer sticht und einem keine „Pause“ gönnt. Labsal heißt die nächste Waffe von Marter. Und so geht es mit dieser gekonnten Dynamik weiter, für die Firtan steht, mit einer Kreativität, die einfach nur überwältigend ist. Ob gefühlsbetonte Geige oder atmosphärische stumpfe Black Metal Riffs, hier passt einfach alles perfekt von Einsatz und Arrangement. Die so entstehende emotionale Ebene hat immer einen philosophischen Eindruck und lässt sich schwer in Worte fassen.

Und um den philosophischen Kern noch auf die Spitze zu treiben geht es weiter mit Lethe. Egal ob der Fluss in der Unterwelt im alten Griechenland oder die Göttin der personifizierten Vergesslichkeit gemeint ist, denn eigentlich wurde der Text von Rainer Maria Rilke (1875 – 1926) inspiriert. Das Gedicht Der Tod der Geliebten (1907) diente hier als Vorlage und wurde spannend neu interpretiert und ist in Reimform geschrieben. Und wieder geht es voll auf die Maske. Donnernde Bassdrums, melodiöse Gitarren, vorantreibende „Off-Beats“ und abwechslungsreich eingesetzte Vocals, die von Kreischen, Growlen bis zum Flüstern reichen. Und das alles in einer drückenden Stimmung, der man sich nicht entziehen kann. Diese findet ihren Höhepunkt des Schöpferreichtums, als sakral anmutende Chöre im Hintergrund ein neues Level an Emotionen über die Musik transportieren. Und diese wilde Fahrt geht weiter, bis sich am Ende des Songs alles im Klang der akustischen Gitarren verliert.

Parhelia beginnt wieder außergewöhnlich, mit gesprochener, verzerrter Sprechstimme, die in einem „orientalisch“ anmutenden Übergang mündet, bevor der „Black Metal“ mit voller Wucht zurückkommt. All das sorgt bereits jetzt für Gänsehautmomente und dabei hat der Song gerade einmal Fahrt aufgenommen. Doch wie in Trance geht es trotz kräftigem Geballer weiter und der Song fühlt sich wie ein Rausch an. Bis alles plötzlich stoppt und man mit sanfter Geige gekonnt aus dem vorherigen Sog gezogen wird. Doch bevor man dies so wirklich wahrnimmt, zieht es einen schon wieder mit den Melodiegitarren mit und entlädt sich wieder in einem Gewitter, welches in einem sanft ausklingenden Nieselregen auf den Gitarren endet.

Passend dazu startet Odem mit einem weichen Riff, das sich stetig steigert und alle Instrumente nach und nach einsteigen. Und wie zu erwarten wird auch hier keine weiche Seite der Band gezeigt. Kräftig und immer voran, treibt die drückende Stimmung bis „Marter, Marter“ perfekt akzentuiert durchs Mikro hallt und danach noch einmal die Geschwindigkeit angezogen wird. Tragende Gitarren, die mal spielerisch die Melodie tragen und im stetigen Wechsel dazu wieder durchpeitschen. Die dadurch entstehende innere Ruhe, trotz des sonst harten Songs, zeigen wieder wie detailbewusst die Band hier arbeitet und wie gut die Kompositionen harmonieren.

Mit Menetekel folgt bereits der vorletzte Song, was jedoch bei fast einer Stunde Spielzeit des Albums eine stolze Leistung ist. Auch wenn man beim Durchhören komplett Zeit und Raum verliert. Mit einem leicht „rituell“ anmutenden Sound, der irgendwo zwischen Belphegor und Post Black Metal liegt. Der Song wirkt dadurch etwas ruhiger aufgebaut und erinnert mich von der Umsetzung irgendwie an Harakiri for the Sky. Hier wird weniger Fokus aufs Geballer gelegt (obwohl trotzdem voll vorhanden) sondern auf verpeilte Gitarrensolos aus der klassischen Metalecke. Dies bietet eine nette Abwechslung und zeigt erneut, wie umfangreich die Band aufgestellt ist und trotzdem kein Stück an der Ausdrucksstärke ihrer Songs einbüßt. Groovig treibt der Song voran, wie eine Kriegstrommel, die das Heer antreiben soll.
Und nun ist es so weit, wir kommen zum Ende von Marter. Hier wird zum Abschluss noch einmal alles was das Album an Stärken und Neuheiten hat geeint. Geschwindigkeit, Härte, Headbangfeeling und die sakralen Chöre im Hintergrund. Gut aufeinander abgestimmt entsteht so eine Harmonie, die auf den Zuhörer übergeht. Und so bestätigt Peraht noch einmal all das Können von Firtan und so findet dieses „heftige Erlebnis“ namens Marter seinen gelungenen Ausklang in einem ruhigen Gitarrenspiel, zu dem dann noch eine Geige ihren Teil beisteuert und einen langsam in die Realität zurückkehren lässt.

Mit Marter setzen Firtan einen neuen Meilenstein in ihrer Karriere und zeigen auf, dass sie immer noch einen drauf setzen können. Wieder ein Anwärter für die Top Metal Alben des Jahres 2022. Ich schreibe diese Zeilen immer noch ein wenig fassungslos und überwältigt von dem, was ich gerade gehört habe. Denn wirklich JEDER Metaler, der es etwas härter mag, sollte an dieser Scheibe nicht vorbeigehen, sondern sich von ihr überzeugen lassen, was jedoch nicht schwer seien sollte. Hört euch Marter an und erfahrt all die Genialität, die dahintersteht. Mehr kann ich dazu gerade nicht sagen, da ich noch überwältigt bin. Dies sollte jedoch für sich selbst sprechen, denn mit ihrem dritten Studioalbum Marter setzt die Gruppe ihre Reise fort und kreiert ihre eigene Interpretation von Black Metal. Thematisch beschäftigen sich die Songs mit der Isolation des modernen Individuums, das sich selbst findet, hin- und hergerissen zwischen spiritueller Hoffnung und existenziellem Scheitern. Genau wie ihr Vorgängeralbum Okeanos wird Marter ein weiterer Beweis für die Vielseitigkeit der Band und ein weiterer Meilenstein in der deutschen Black Metal-Szene sein.

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