Release: 03.05.2024
Genre: Pagan Black Metal
Spieldauer: ca. 39:17 min.
Label: Northern Silence Productions
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Tracklist:
- Braud 05:40
- Daudsaom 04:47
- Likentog 04:33
- Broth 06:07
- Dagetostaon 05:13
- Antoniusfeuer 04:21
- Pyres 03:09
- Landrake 05:27
Es ist so weit und nach 22 Jahren Bandgeschichte, erscheint nun das 10te Album von Solokünstler Nerrath und seinem Projekt Horn. Nun, dem Szeneinternen wird dieses Projekt bisher sicher nicht unbekannt geblieben sein und wir sind alle gespannt, was dieses Mal dabei herausgekommen ist. Die Erwartungen sind hoch und Horn steht ja bekanntlich für Qualität. Doch wollen wir das Album einmal etwas näher beäugen und uns hineinvertiefen. Daudswiärk – „Werk des Todes“, heißt der neue Silberling, welches auf die plattdeutsche Variante, die früher im Münsterland gesprochen wurde, zurückgeht. Doch diesmal ist alles etwas anders und es wird komplett auf Intros/Outros, so wie folkige/altertümliche Instrumenten verzichtet und man besinnt sich mehr auf die Metal-Basics hinter der Klangkunst. Dies macht Daudswiärk zu einem prägnanten und direkten Album, das ohne große Kompromisse und Verzierungen direkt zur Sache kommt.
Klingt spannend und anders? Ist es auch, da dies ja teils ein wenig gegen das bisherige Konzept hinter Horn verstößt. Doch was soll’s? Dies muss ja nichts Schlechtes oder direkt Stilbruch bedeuten, wie ich in über 25 Jahren Metalmusik zu oft gelernt habe. Eher vielleicht ein spannender Neuanfang oder eine Neudefinition der eignen Musik. Thematisch und als Erstes in der Geschichte Horns enthält Daudswiärk verschiedene Passagen in den niederdeutschen Volkssprachen Westfalens, vor allem „Westfälsk“ und „Mönsterlänner Platt“, die aus verschiedenen historischen Quellen (Wörterbücher/Gedichte/kurze Prosatexte) stammen. Das Album dreht sich um das ländliche Leben in dieser Region um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert und behandelt vor allem die Themen Landwirtschaft, Hunger, Krankheit und Tod, aber auch den Fortschritt der Medizin in dieser Zeit. Doch hören wir auf zu spekulieren und kommen wie das Album auch lieber direkt zur Sache.
Den Auftakt macht der Titel Braud und startet mit einem klassischen Horn Auftakt, das als Vorspiel dient. Und so geht es nach einem kurzen, darauffolgenden Zwischenspiel direkt und schlagkräftig zur Sache. Im gleichen Groove wird der Rhythmus mit drückenden Vocals vorangetrieben und wirkt nicht ganz so schleppend, sondern eher antreibend, sodass man sich direkt beim Kopfschütteln vor seinem inneren Auge erwischt. Und so treibt sich der Albumeinstieg selbst voran, wie Kriegstrommeln, die das Heer in die Schlacht führen.
Daudsaom folgt und damit auch der erste Hammer, der sich gnadenlos und von der ersten Sekunde an durch die Gehörgänge wütet. Der Sturm bricht los und gönnt uns nur eine kure Verschnaufpause, bevor die Atmosphäre einen gefangen nimmt und davon trägt, während im Hintergrund die Brutalität und Wucht der Musik wieder anzieht. Und das, ohne dass man es zu sehr bemerkt, jedoch als innere Unruhe wahrnimmt, während man noch am Träumen ist und darin voll aufgeht. Jedoch mit klassischen Elementen, die man von der Band kennt und den “Charakter” der Musik voll zu spüren bekommt, bevor alles in einem feurigen Gewitter endet.
Dagegen startet Likentog eher wieder schleppend und abgespeckt vom Soundgewand, jedoch auch im eigenständigen Sound der Band und mit einer schönen Single-Note-Melodie, bevor komplett neue Soundeffekte für Horn folgen, die teils etwas abgespaced wirken, jedoch perfekt harmonieren und so nicht skeptisch, sondern neugierig machen, bevor es wieder zur Sache geht. Schnell, eingängig und mit Vocals, die gnadenlos voran peitschen und sich in cleaner Form im Refrain in ganzer Völle ergießen und auch ein so bandtypisches Element verkörpern.
Und nun, da man ja nun mit allem bereits bedient wurde, was Horn definiert, kommt mit Broth noch einmal die erhobene Faust, die ordentlich nachschiebt. Direkter Einstieg, mehr Tempo und dennoch verspielt und nicht nur runtergeblastet. Mit Finessen, die es in sich haben und ruhigen Passagen, die typischer nicht hätten sein können, jedoch teils etwas unerwartet und aufregend herüberkommen, wenn sie auf einen Umbruch deuten, der auf den Gitarren sehr stark Black Metal heißt. Super kombiniert und ausgereift im Detail, ich ziehe meinen Hut. So entsteht ein wilder Wirbel aus eingängig, ruhig und innig, genauso wie völlig eskalierend. Eben schön eckig und kantig und dennoch genauso rund, bevor der Song immer stiller werdend ausklingt.
Dagetostaon beginnt schon fast ein wenig im Ambient Style. Auch eine Neuerung, die so nicht unter Horn in meinem Kopf abgespeichert war, jedoch als kurze Einleitung den perfekten Übergang zum Gebolze, das im Anschluss kommt, findet. Und dieser Sturm wird nicht verwehen, denn so knackig und gewaltig geht der Song weiter. Jedoch nicht primitiv und eintönig, sondern mit schönen Melodien im Hintergrund und genial gesetzten Akzentuierungen, die beim Anhören Freude und Abwechslung bieten, bis der Sturm im “Fade Out” das letzte Mal erschallt.
Mit cleanen Gitarren und Aufbruchsrhythmik steigert sich der nächste Song, bis er dazu übergeht, die Antoniusfeuer / heiligen Feuer zu entzünden und den Schmerz der Mutterkornvergiftung durch die Musik spürbar zu machen. Und so tanzt der Song in seiner Struktur auch wie eine Flamme durch die Nacht. Mal stärker, mal wieder etwas kleiner, aber stetig am innerlichen Wachsen und Gedeihen. Eine sehr ausdrucksstarke Nummer auf dem Album, das zwischen Schmerz, Verzweiflung und Verbrennen alle Sinnbilder dahinter auf den Zuhörer zukommen lassen.
Und so kommt es mit Pyres bereits zum vorletzten Song des Daudswiärk. Und auch hier wird noch einmal ordentlich aufgetrumpft und Gas gegeben. So viele und durchgängige Blasbeats waren bisher noch nicht vertreten und man fragt sich nur, warum? Denn das steht der Musik einfach nur gut und erfüllt seinen ganzen Zweck und Wirkung. Leider auch die kürzeste Nummer des Albums, jedoch einfach, ehrlich, direkt und ohne große Verschnörkelungen, die alles unnötig komplizieren würden. 3:09 Minuten einfach mal straight voll in die Maske und Bämm. Hier werden keine Gefangenen gemacht, sondern gnadenlos alles, was im Wege steht, vernichtet.
Mit Landrake endet Horn’s neuster Silberling leider auch schon wieder. Denn bei dieser Band kann man eigentlich nie genug bekommen. Dennoch müssen wir uns damit abfinden, dass jedes Album auch einmal enden muss. Und mit einem großen epischen “Paukenschlag” wird der Abschied eingeläutet, der eine starke Black Metal Atmosphäre vereint. Aber das dieses Album ja eh mehr in die Richtung “mehr Metal, mehr Black Metal” geht, wurde es eigentlich auch Zeit dafür. Und auf dieser epischen Welle reitet der Song weiter. Im Midtempo und Hymnenstyle, bahnt sich der Landrake seinen Weg widerstandslos voran. Untermalt wird hier zum ersten Mal mit minimalen Blasinstrumenten. Ein sehr langatmiger und epischer Song, der gespielt werden könnte, wenn das Heer sich aufmacht in die Schlacht zu ziehen, der jedoch eine riesige Atmosphäre vor sich herschiebt, die den gesamten Song über konstant anhält und einen komplett abholt.
Und so muss man zusammengefasst sagen: Klasse Album, das sehr stark hervorsticht und auch ohne zusätzliche Folkinstrumente auskommt, ohne nicht mehr Horn zu sein. Eher eine Rückbesinnung zu den Metalwurzeln dahinter, welche mehr als drückend auf den Zuhörer einhämmern und sicherlich auch live, ordentlich scheppern werden. Horn hat es halt mal wieder geschafft. 100% Pagan, 100% Black, 100% Metal, 100% Münsterländische Sagenwelt und vor allem 100% Horn stecken in Daudswiärk. Wie immer eine absolute Empfehlung an alle, die eh schon Fans sind (euch wird es auf jeden Fall gefallen) und alle, die Pagan und Black Metal lieben und erstaunlicherweise bisher noch an Horn vorbeigegangen sind, wie auch immer? 😀 Und produziert wurde das ganze wieder in den legendären “Studio E2” bei Markus Stock (Empyrium/The Vision Bleak/Sun of the Sleepless) und man kann bereits daran erkennen, dass wieder höchste Priorität auf Qualität gelegt wurde. Lehnt euch zurück und genießt Daudswiärk ganz gemütlich im Freien, jetzt, wo die warme Jahreszeit wieder über uns hereinbricht oder zerlegt live zusammen mit Horn und ihrem neuen Album im Gepäck einfach eine Konzertlocation. Egal wie ihr es macht, solange ihr es macht, ist es richtig. Daudswiärk is a must!
Mehr zu Horn bei uns findet ihr hier:
- Konzertbericht: Baphofest VII, 13.01.2023
- Festivalbericht: Ragnarök Festival, Samstag den 06.04.2024
- Bericht: Atmospheric Arts II im 7er Club, Mannheim
- Konzertbericht: Horn, Thormesis und Boötes Void in Erfurt
- Review: Horn – Mohngang
- Wolfszeit Festival 2019 – Die Bilder vom Samstag
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