Review: Kallomäki – Roka Ukri

Review: Kallomäki – Roka Ukri

Erscheinungsdatum: 21.09.2018

Label: Symbolic Records Finland

Genre: Pagan/Folk Metal

Spieldauer: 41 Minuten 57 Sekunden

Tracklist:

  1.  Ukrijuhla
  2.  Jouhien herra
  3.  Nahkavitsa
  4.  Suruton saattaja
  5.  Ajastaika
  6.  Kuoleman renki
  7.  Kaiho
  8.  Kunnes katoan
  9.  Ikiaikaisille
  10.  Kalmankehto
  11.  Halla

Roka Ukri ist das Debut der 2018 gegründeten finnischen Band Kallomäki. Sie spielen Pagan/Folk Metal.

So weit, so gut, Metal Archives.

Aber stimmt das?

Die Kategorisierung hinkt. Es gibt nicht einmal eine Gitarre.

Man könnte es vielleicht „elektrischen Pagan Folk“ nennen. Es klingt ein bisschen wie Garmarnas rockige Stücke, oder als hätte man Wardruna en bloc durch ein Overdrive Pedal gejagt, die Melodik kennt man am ehesten von Jonne Järveläs schamanistischen Soloalben…

Um am Anfang anzufangen:

Kallomäkis Kopf und Kern ist der fast eponyme Frontmann Tero Kalliomäki und seine Jouhikko – ein ungewöhnliches finnisches Folkinstrument, ähnlich der schwedischen Talharpa, in etwa eine Nyckelharpa ohne Tasten, Punkt ist: ein folkiges Streichinstrument.

Dieses, elektrisch verzerrt, bildet den musikalischen Kern des Albums, die meisten Stücke basieren auf zwei, drei simplen, elektrisch verzerrten Jouhikko-Riffs, um die herum Cello, Bass, diverse Perkussion und der Gesang gebaut sind. Die Musik klingt primitiv, aber kraftvoll auf eine urtümliche Art, und hat die chaotische Energie einer Jamsession oder eines schamanistischen Rituals.

Das Innencover der CD erzählt die Geschichte von Roka Ukri, dem Anführer eines Jouhikko-basierten, heidnischen Drogen- und Todeskultes aus dem 17. Jahrhundert. Ob die Geschichte stimmt? Wer weiß, sie beschreibt die Musik jedenfalls besser als alles andere es könnte.

Das Album beginnt mit der sägenden Jouhikko, ominösem, kraftvollem Schlagwerk und einem Stimmenchor, wie aus den Tiefen eines Moores. Es klingt, als würde man zu einem schamanistischen Ritual gerufen, und wegen Drogen, Trance oder bloß schierer Reizüberflutung würde das eigene Gehör übersteuert und verzerrt.

Wenn man sich von diesem Intro in den Bann schlagen lässt, führt es einen in den Ritualkreis im Zentrum des Moores, den man in den nächsten 35 Minuten nicht verlassen wird. In der Mitte, hinter dem Feuer, sitzt der Schamane mit dem Tierschädel und der Leier. Um ihn herum tanzen seine Anhänger, Menschen oder Naturgeister, gepeitscht von der Jouhikko und den treibenden Trommeln, und singen mit ihm. Die Stimmen der 11 im Booklet gelisteten Sänger, Männer und Frauen, Klarstimmen und Growling verschmelzen dabei scheinbar zu einer Einheit, einer einzigen, gewaltigen Beschwörung irgendeiner urzeitlichen Kraft.

In diesem Reigen dreht sich das Album weiter und weiter, die Songs verschmelzen wie die Stimmen der Sänger zu einer monumentalen Gesamtheit, bis es nach einem letzten Crescendo plötzlich erschöpft abbricht.

Das 70-sekündige, ätherische Zwischenspiel „Kaiho“ gibt einen kurzen Moment des Durchatmens, bevor das letzte Drittel des Rituals beginnt. Das darauffolgende „Kunnes Katoan“ klingt etwas weicher und melodischer als der erste Teil des Albums. Der Gesang ist weiblicher und wechselt zwischen eindringlichem Keifen und getragenem Klargesang. Die chaotische Härte ist immer noch da, ist aber etwas zurückgestellt, als wäre sie immer noch ermattet und versuche, über den Punkt der Erschöpfung hinaus weiterzumachen.

Diese Erschöpfung nimmt Überhand in „Ikiaikaisille“. Die Jouhikko klingt beinahe zögerlich, auch Trommeln und Bass sind weich und zurückhaltend, unter der geisterhaft klagenden Frauenstimme, die in die reverb-bedeckte Leere hinaussingt.

Mit letzter Kraft bäumt sich „Kalmankehto“ noch einmal auf. Die Jouhikko klingt verzerrter als zuvor, bis ihr jegliche Melodik entgleitet, das manische Kichern, das kehlige Knurren, das Keifen, zornig und wie aus letzter Kraft, formen die chaotischste Gesangsperformance des Albums. Der Song ist trotzdem eher langsam, als würden die Kultisten aus dem letzten Loch pfeifen, die Beschwörung aber dennoch zu Ende bringen müssen.

Das Album schließt mit einer ruhigen, sehnsüchtigen Jouhikko-Melodie, die unter den kehligen, Stimmen dessen, was aus dem Moor beschworen wurde, vor sich hinsingt. Unter den einsamen Schlägen einer Schamanentrommel endet das Album.

Die Stärken dieses Albums liegen in seiner stilistischen Einzigartigkeit, seinem primitiven Charme und seiner atmosphärischen Dichte. Einzelne Songs hervorzuheben fällt dabei schwer, da die Dynamik und Variation der einzelnen Songs größer ist als die des ganzen Albums. Abgesehen von den genannten Liedern war „Ajastaika“ ein persönlicher Favorit ohne, dass diese Empfehlung in Stein gemeißelt sein muss. Dieser Mangel an Variation fällt aber durch die relative Kürze des Albums nicht negativ auf, sondern hilft eher, das nahtlose Bild des Albums zu malen, ohne zu weit zu gehen.

Kallomäki stehen mit ihrem Sound irgendwo zwischen Wardruna und eventuell Moonsorrow (ohne deren epischer Länge) ohne dabei mit irgendetwas direkt vergleichbar zu sein. Jedem Freund von ritueller oder gar psychedelischer paganer Musik sei dieses Album wärmstens ans Herz gelegt.

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