Review – Nocte Obducta – Irrlicht (Es schlägt dem Mond ein kaltes Herz)

Erscheinungsdatum: 23.10.2020

Label: Surpreme Chaos Records

Genre: Avantgarde Black Metal

Spieldauer: 52:06

Tracklist:

1. Zurück im bizarren Theater

2. Von Stürzen in Mondmeere

3. Rot und Grau

4. Der Greis und die Reiterin

5. Der alte Traum

6. Bei den Ruinen

7. Noch

http://www.nocte-obducta.de/

https://www.facebook.com/Nocte-Obducta-189142951148369/wall/

https://open.spotify.com/artist/2d58mhKUvYuXsZND2vWu5v?si=ttlED1EJTN2-lITTmweogA

25 Jahre ist es nun her, dass so ein außergewöhnlicher Name; ein, gerade in jenen Jahren, außergewöhnliche Projekt aus dem Ei schlüpfte. Black Metal der zweiten Welle, als diese noch entstand, und dennoch auch schon damals anders als der komplette Rest. Drei Jahre später konnte man das dann auch zuhause hören, als das „…doch lächeln die blutleeren Lippen / Begräbnisvermählung“ Demo Tape auf die Szene losgelassen wurde. Und direkt auch mit der Titulierung dieses Werkes wurde wieder gezeigt, dass hier etwas Exklusives gehandelt wird. Ein viertel Jahrhundert und 13 sehr experimentelle Studioalben später sieht man sich so nun wieder und ist gespannt, in welche Sphären man diesmal entführt wird. Wir von Dark-Art haben neugierig einen Blick auf den neuen Streich der Mainzer um Mastermind „Marcel Breuer“ geworfen, um euch mitzuteilen, wie es um „Irrlicht (Es schlägt dem Mond ein kaltes Herz)“ steht.

Gleich zum Auftakt kommt die erste Überraschung. Ein, wie im Proberaum eingezählter, fast schon punkiger Start, eröffnet die CD. Wer dies komisch fand, dem wird aber gleich klar, Nocte Obducta haben mit ihrem neuen Werk einmal wieder eine nicht auf Feinglanz polierte Produktion gesetzt, sondern es wieder einmal gezielt als Stilmittel gewählt, sich soundmäßig zwischen Punk und old school Black Metal zu bewegen. Dies kennt man ja bereits von der großartigen „Schwarzmetall – ein primitives Zwischenspiel“ oder dem Erstwerk nach ihrer Pause, 2011, „Verderbnis – Der Schnitter kratzt an jeder Tür“. Vielleicht ist es auch hier wieder Ausdruck für einen Schritt zu alten Zeiten und Supreme Chaos Records, bei denen bereits der Nektar Zyklus veröffentlicht wurde. Denn in diese Richtung geht die gesamte Scheibe dann auch. Vielleicht soll das Intro aber auch etwas auf die Zeiten vor Nocte Obducta erinnern, in denen die Band unter dem Namen „Desîhra“ (welcher auch wieder auf Netar II auftaucht) Hardcore Punk spielte, bevor man sich dem Schwarzmetall zuwandte. Doch wenn man weiter hört, wird einem dennoch direkt wieder die Stilgebende Struktur der Songs auffallen, welche einfach unverwechselbar für Nocte Obducta steht.

„Von Stürzen in Mondmeere“ nährt sich dem Zuhörer langsam und eingänglich an. Oberflächlich wirkt der Song ehr etwas weicher, kann man sich in ihn einfühlen, bemerkt man aber, welche Energie er von innen herausschreit. Diese leicht „doomige“ Atmosphäre steht jedoch auch ganz klar für die Band und beleuchtet so die drei Blickwinkel „Mare Serenitatis – Gelassenheit im Meer“, „Mare Frigoris – kaltes Wetter Meer“ und „Mare Crisium – Meeresglied“. Von Hoffnung, Sturz und dem Wandel, denn „Das Fieber ist die Wahrheit und das Land ein Traum – nichts weiter als ein Traum“

Mit „Rot und Grau“ kommt wieder Farbe ins schwarz-weiße Black Metal Gefilde. Klassische Monotonie trifft auf Ambient und wechselt stetig die Facetten, ohne dabei die depressive Stimmung aus den Augen zu verlieren, während lyrisch auf bizarre und poetische Weise ein Sinnbild der Vergänglichkeit geschaffen wird.

„Der Greis und die Reiterin“: Ein alter Mann, der die Welt untergehen sah und seitdem im Zwiespalt lebt. Erwartungsvoll zum Himmel blickend auf der Suche nach einem fahlen Pferd mit seiner Reiterin, um ihn heim zu holen. Fast alle Ängste überwunden und dennoch ruhelos zwischen Spiegeln, Leben und Tod. Voller Sehnsucht auf die Wiederkehr, um seine letzte Reise anzutreten. Sehr weitläufig auslegbar erscheint der Liedtext so, als müsste sich wie bei einem guten Gemälde jeder selbst eine Interpretation einfallen lassen und hebt einen so in fremde Sprähen. Ganz klar im Mittelpunkt steht jedoch wieder die Vergänglichkeit von allem.

Das Streben nach mehr wird in „Der alte Traum“ mit all seinen Hürden und Bürden aufgearbeitet. Und das wird in einem sehr Black Metal lastigen Gewand mehr als stimmungsvoll umgesetzt. Atmosphärische Single Notes die zu einer Melodie werden und sich in einem Feuerwerk mit Bassdrumgewitter entladen und geht gleich voll auf die Zwölf, bevor der Song sich durch langsamere Passagen wieder stark „verträumt“. Und wenn man denkt, es geht in eine ruhigere Richtung schleppend voran, kehrt der Dampfhammer wieder und perfekt akzentuierte Drums walzen über die Ohren. Und dieses Wechselspiel von brachialem Black Metal und langsamen Ausschweifungen im Stil von Nocte Obducta, wofür man sie kennt und liebt, führt sich fort, bis es nach fast 10 Minuten in einem letzten Schrei verhallt.

„Bei den Ruinen“ dagegen erinnerte mich direkt mit Beginn der Melodie sehr stark an das großartige „Umbriel – Das Schweigen zwischen den Sternen“ Album, mit dem 2013 eine weitere musikalische Stärke ausgereizt wurde und eine ganz eigene Emotionslandschaft aufzeigt, die leicht progressiv wirkt und zum Träumen einlädt.

„Noch“: „The Best for the rest“ sagt man so schön. Nun, kann man wirklich einen besten Song in einem Album festmachen, welches solch große Konzepte verfolgt, wie es diese Band tut? Ich denke nicht. Aber wenigstens dürfen wir sagen, „The longest at last“. Und die vorher beschriebene Atmosphäre wird hier noch einmal aufgelebt und weitergetragen. Nicht mehr ganz so dunkel wie es noch zu Beginn der Scheibe der Fall war, dennoch zermürbend, wenn auch etwas hoffungsvoller und sehr melodisch. Und so wird noch einmal geträumt, gehasst, geschrien, gestorben, vergangen und auferstanden ganz in alter Nocte Obducta Manier.

Irrlicht – Es schlägt dem Mond ein kaltes Herz, kann man eigentlich sehr wörtlich nehmen. Trotz philosophischem Spielraum ist dies der gemeinsame Nenner, den man beim Hören im Herzen trägt. Der Mond, der bei Nacht die Welt in einem etwas getrübten Licht erhellt und als einzige Lichtquelle im Dunkel, sowohl Hoffnung als auch Zerbrechlichkeit darstellt. Wie Motten die sich ums Licht sammeln, ist er so ein faszinierender Anziehungspunkt und dennoch nur Schein, der in die Irre führt, da er am Morgen wieder von der Sonne besiegt wird. Wie bereits im „Nektar Zyklus“ wird diese astrale Energie eingefangen und unterstreicht das Bild im Herzen, das diese Naturgewalt trägt. Eine schöne Zeitreise durch die Historie der Band und den Werken, für die sie bekannt wurden. Und so ist es „Marcel – Traumschänder – Breuer“ als Hauptsongwriter wieder einmal gelungen ein weiteres musikalisches und lyrisches Meisterwerk der Band vorzulegen. Das wird der Old School Schwarzmetaler eventuell etwas anders sehen, Nocte Obducta hat sich jedoch schon immer experimenteller und mit anderen Stilmitteln ans Werk gemacht. Wer auf düstere, atmosphärische und auch harte Musik steht, dem sei nur gesagt: „REINHÖREN!“

 

 

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