Erscheinungsdatum: 04. März 2022
Genre: Post-Metal
Spieldauer: 49:51
Label: Season of Mist
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Tracklist:
- Nova
- Mono No Aware
- Nowhere, Still Somewhere
- Fortapt
- I Close My Eyes So I Can See
- Everything Must Come To An End
- Dissolution (Bonus Track)
Mit etwas Verspätung zum Releasetag beschäftigen wir uns heute mit dem neuen Album der norwegischen Solokünstlerin Sylvaine, bürgerlich Kathrine Shepard. Es handelt sich bereits um ihr viertes Album, das diesen Monat unter dem Namen Nova („Neu“) veröffentlicht wurde. Insgesamt folgt es dem Stil der vorherigen Werke und passt dementsprechend sehr gut in ihre Diskographie. Doch schon beim ersten Hören wird deutlich, dass sich hieraus ein besonderes Album entwickelt hat, welches Emotion und Atmosphäre noch einmal wesentlich stärker visualisiert als seine Vorgänger.
Es beginnt mit dem Titeltrack Nova, welcher sehr ruhig und gediegen mit ihrem engelsgleichen Klargesang startet und zu Anfang sich sehr gut als Intro zum Gesamtwerk etabliert. Es wird eine Weite kreiert, die folgend das komplette Album ausmachen wird.
Mono No Aware ist dann der erste „richtige“ Track, welcher mit den Drums von Dorian Mansiaux energisch beginnt und über kraftvolle und doch atmosphärisch angepasste Gitarrenriffs in die harschen Screams einleitet. Auch hier, wie schon bei vorherigen Releases, ist es unabdingbar anzumerken, welch immenses Talent vor allem hinter der Stimme von Sylvaine steckt; es sind eben nicht nur die wunderschönen Klargesänge, die sich immer wieder zeigen, sondern auch diese unvergleichlichen Schreie, die sie ebenfalls in besonderer Weise beherrscht und nahezu perfekt in ihre emotionale Musik einbindet. Schon hier beginnt ein relatives auf und ab, das musikalisch stellvertretend für dieses Release ist. Der Name dieses Stückes kommt aus dem Japanischen und beschreibt – wobei es sehr schwer ist, in anderer Sprache in Worte zu fassen – eine gewisse Empathie gegenüber Dingen und des Unbeständigen.
Mit Nowhere, Still Somewhere wurde ein Song aufgenommen, der im Vergleich zum Rest des Albums am stärksten an die vorherige Arbeit von Shepard erinnert. In der Art und Weise der Produktion und Umsetzung fügt er sich jedoch nahtlos ins Album ein und bildet einen schönen Übergang zum aktuellen Stil von Sylvaine, der wohl nicht nur die Künstlerin, sondern auch die Anhängerschaft auf eine musikalische Reise ihres Schaffens bringt und, so wie wir es an diesem Release hören, nicht abschließend wirkt, sondern ein weiteres Kapitel auf ihrem musikalischen Weg darstellt, welches glücklicherweise und mit großer Sicherheit nicht das letzte sein wird. Im Interview mit Dark-Art sprach Shepard vom Album als ein „Audio-Tagebuch“, was diese Gedanken über die Musik sehr gut zusammenfasst. Am Ende ist auch sie eine Künstlerin, die durch ihre Alben kapitelweise ihr Leben durchläuft und musikalisch beschreibt, was für manche ein zu romantischer Gedanke sein mag, doch immerhin nicht nur die Emotionen besser aufzeigt, sondern auch die Stärke der Musik als Medium beweist.
Der vierte Track nennt sich Fortapt („verloren“) und wird in Shepards norwegischer Muttersprache dargeboten. Damit wirkt er noch einmal etwas persönlicher und ein Stück weit sehr ehrlich. Musikalisch geht er stark in eine Richtung des Blackgaze, ähnlich der von Alcest. Die knapp zwölf Minuten, die hier gefüllt werden, gehen erstaunlich schnell vorbei und doch beruhigt das Lied und befördert den Hörer in eine Art Schwerelosigkeit, Zeitlosigkeit, gefangen in melodischen und härteren, energiegeladenen und ruhigen Passagen. An diesem Punkt sei auch wieder die großartige Produktion des gesamten Albums gelobt; aufgenommen wurde im französischen Drudenhaus Studio in Issé, neben Sylvaine selbst ist vor allem Benoît Roux verantwortlich für Sound und Mixing, während Karl Daniel Lidén das Mastering übernahm. Shepard selbst hat alle Haupt-Instrumente und Gesänge eingespielt, mit Ausnahme der Drums, die. wie gesagt, mit Mansiaux erarbeitet wurden.
I Close My Eyes So I Can See gliedert sich gleichermaßen ins Gesamtkonzept des Albums ein und zeigt einmal mehr wie viel Kreativität dahintersteckt. Es ist stets schwierig, einen Liebling innerhalb eines Albums zu finden, doch der formal letzte Song von Nova ist doch selbst im Vergleich zum Rest des Werkes ein ganz besonderer.
Everything Must Come To An End ist nicht nur ein wunderschöner Titel, sondern fasst das komplette Album noch einmal wunderbar zusammen. Mit von der Partie sind hier Lambert Segura von SAOR für die Violinen und Patrick Urban am Cello, die dem Song eine zusätzliche Weite geben. Viel emotionaler kann ein Lied wohl nicht sein, mit Parallelen zu Emma Ruth Rundle, auf der anderen Seite aber auch Einflüsse des Post-Rock ist er doch etwas entfernt vom Post-Metal, was dieser Musik aber in keinster Weise etwas abbricht. Verträumt endet das Album, das Erstaunen wie auch tiefe Berührung hinterlassen kann.
Vor dem Ende kommt mit Dissolution jedoch noch ein Bonus-Track, der, um in Shepards Sprachgebrauch zu bleiben, wohl eine Art Epilog im musikalischen Tagebuch darstellt. Er steht komplett im Stile des Gesamtkunstwerkes und gibt uns einen weiteren Song zur Verkürzung der Wartezeit, bis wir Sylvaine endlich auch wieder live sehen können.
Nova könnte in der Tat als das bisher beste Werk von Kathrine Shepard gesehen werden. Es zeugt nicht nur von musikalischem Talent, sondern ebenso von tiefer Emotionalität und Fragilität. Auch wenn die Szene um den Blackgaze und Post-Metal in Art und Weise von Alcest etc. mittlerweile keine kleine mehr ist, so schaffen es doch einzelne Künstler besonders herauszustechen. Eine davon ist Sylvaine, die es schafft, Ohren und Herzen selbst dort zu öffnen, wo Gewohnheit und Abgestumpftheit schon Spuren hinterlassen haben; eine Ausnahmekünstlerin, die in dieser Form weit nach Konkurrenz suchen muss.
Müssen diese Vergleiche und Konkurrenzdenken sein? Nein, denn genau darum geht es nicht. Wir erhalten hier ein musikalisches Zeugnis einer Lebensphase einer Künstlerin und können uns, wenn wir wollen, darin wiederfinden und versuchen, eigene Gefühle und Gedanken abseits der hektischen Welt zu sortieren und fliegen zu lassen. Was verweichlicht klingt, ist das Ergebnis eines ehrlichen Werkes. Deshalb ist es an diesem Punkt auch nicht nötig, mehr zu schreiben, denn nicht alle Gedanken und Gefühle können und sollten in Worte gefasst werden. Dafür haben wir Alben wie Nova.
Wenn ihr mehr über Inspiration, Produktion und das neue Album Nova erfahren möchtet, dann schaut gerne in unser Interview mit Sylvaine auf unserem YouTube-Kanal rein.
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