Und täglich grüßt der Schlamm…

Wacken Open Air 2017

Text: Roksana H., Nico
Bilder: Anja P., Roksana H.

Das Wacken Open Air in Schleswig-Holstein ist nicht nur eines der größten Festivals Deutschlands sondern auch das größte, auf dem unsere beiden Redakteurinnen Anja und Roksana bisher unterwegs waren. Beide nicht ganz neu in der Konzert- und Festivalfotografie, wurden sie von diesem Festivalgiganten trotzdem an einigen Stellen überrascht. Sie berichten aus ihrer Sicht über ihr erstes Wacken.
 
Da Roksana bereits am Tag zuvor angereist war und bei einer Freundin auf dem Campingplatz Unterschlupf fand ging es relativ früh vom Campingplatz hinunter in das ruhige und idyllische Dorf Wacken zur Anmeldung und Bändchenausgabe für Presse und VIPs. Solche Menschen, die auf dem Festival arbeiten müssen, sollen den Fans nicht im Weg stehen und haben daher ihren eigenen Check-In. Der liegt am Rande des Dorfes fernab des ganzen Festivaltrubels. Auf dem weg dorthin, durch das Dorf bemerkt man wie unglaublich gut sich dieses mit dem Festival arrangiert, auf den Straßen in Festivalnähe stellen Anwohner Wägen auf und verkaufen Bier und essen zu einem Bruchteil der Preise auf dem Festivalgelände, andere stellen Holzbauten in den Gärten auf, in die die Festivalbesucher ihren Pfand gezielt werfen können, Kinder und Jugendliche fahren für ein Taschengeld für die Besucher zum 1,5km entfernten Edeka zum einkaufen und nur eine Seitenstraße weiter ist… nichts. Absolute idylle im Dörfchen, auch wenn wenige Luftmeter entfernt tausende Metaller feiern.
Anderthalb Stunden Anstehen konnten wir mit interessanten Gespräche mit Leuten, die die schon öfter in Wacken waren leicht überbrücken und sich einige Tipps einholen, denn Wacken ansich ist besonders, selbst für die Presse.
Roksana hatte danach wieder eine halbe Stunde Fußmarsch bis zum Festivalgelände vor sich. Anja hatte es dabei wesentlich einfacher, da sie mit dem Auto unterwegs war. Check-In, mit dem Auto schnell zum Pressecampingplatz und direkt ab zum Pressezelt, kurz und schmerzlos und ohne Verlaufen. Im Pressezelt wurden wir eingewiesen, wann wir im Graben fotografieren dürfen. Daraufhin zogen wir auch los, um uns das Gelände anzusehen und uns zu orientieren, wo welche Bühne steht und welche Schleichwege es gibt. Nach ein paar Stunden auf dem Gelände und den ersten Fotos ging es für uns zurück zum Campingplatz, die nächsten Tage sollten lang und schlammig genug werden.
 
Aufgrund einiger Ereignisse aus den letzten Monaten waren auch die Wacken-Veranstalter dazu gezwungen schärfere Regelungen zu treffen, was auf das Festivalgelände darf und was nicht, so wurden die Full Metal Bags kleiner und der allgemein erlaubten Taschengröße auf dem Gelände angepasst. Fotografen dürfen ihre Rucksäcke nur mitnehmen, wenn diese einen neongelben Überzieher haben – nebenbei ein prima Regenschutz, den man auch sehr gut gebrauchen konnte – der von den Veranstaltern gegen Registrierung ausgegeben wird. Lustigerweise dienten diese neongelben Überzieher auch sehr gut zur Lokalisation seiner Kollegen aus einer erhöhten Position, da diese Farbe wunderbar aus der dunklen Menge herausstach.
 
Dass das Festival nicht nur eins der größten Metal Festivals der Welt ist, sollte bekannt sein. Auch der Fakt, dass viele der Besucher nicht in Deutschland leben ist bekannt, doch dass mehr als ein Drittel der Besucher nicht nur aus den Nachbarländern anreisen ist mal eine Zahl! So kamen 2017 auch viele Besucher aus Südamerika und Ostasien nach Wacken. Viele tragen ihre Landesfahnen mit sich; bei so manchen Auftritt erkennt man aus einer erhöhten Position ein buntes Flaggenmeer. Doch nicht nur die Besucher stehen für das Festival, sondern auch der Schlamm. Die einen genießen es, sich in den Schlamm zu werfen, andere versuchen möglichst sauber zu bleiben, aber eins ist klar: gäbe es keinen Schlamm, hätte man Staub. Ob das besser wäre, muss jeder für sich selbst entscheiden.
 
Einen Campingplatz mit so vielen Besuchern in Ordnung zu halten ist keine leichte Aufgabe, auch wenn 2017 mehr Duschen und Toiletten auf dem Gelände aufgestellt wurden, bemerkte man einen bestimmten Trend bei den Campern: Klozelte. Eine interessante und nicht blöde Idee, wenn einem nachts der Weg zum Dixie zu weit ist. Über Sauberkeit der Sanitäranlagen kann man sich in der Regel nicht beschweren, die Reinigungen geschahen regelmäßig und gründlich. Das alles hält aber die Wildpinker nicht auf. Trotz genug Toiletten pinkeln sie entgegen der Regel ins Gebüsch oder in den Schlamm. Na Lecker. Nicht einmal die Plakate mit der Aufschrift „Please don‘t Pee on the Holy Land“ etwas daran ändern. Was man aber trotzdem sagen muss ist, dass große Teile des Zeltplatzes wie fast immer im Schlamm versunken sind. Vielleicht nicht so wie die Jahre zuvor, doch zumindest an den größeren Kreuzungen waren Schlammschlachten genauso gut möglich wie auf dem Festivalgelände. Neue befestigte Strecken halfen das Ganze in Grenzen zu halten, jedoch nur auf einem kleinen Teil des Wegs. Wer auf den hinteren Zeltplätzen campierte hatte trotzdem eine riesige Schlammwanderung vor sich. Die Idee mit einer neuen Grassorte der Verschlammung entgegen zu wirken, war gut, ging aber nicht zu 100% auf. Nach drei Jahren Regen in Folge darf Wacken 2018 ruhig mal wieder trocken bleiben.
 
Campen, feiern, Schlammschlacht – gehört alles dazu, aber die Hauptsache für ein Festival sind immer noch die Bands. Gut 150 Formationen spielten, wer Wacken also als „Metal-Ballermann“ bezeichnet hat vielleicht nur die ganzen Nebenangebote aus Wrestling, Feuershows, Yoga(ja, wirklich), … gesehen. Von 11 Uhr morgens bis mindestens 2 Uhr nachts gibt es parallel stets mehrere Konzerte auf den acht(!) Bühnen, wer da nicht auf seine Kosten kommt, ist selber schuld. Die drei Hauptbühnen heißen nun, einem Vorschlag von Fans folgend, getreu einem alten Wacken-Motto Faster, Harder, Louder und stehen in dieser Reihenfolge im Infield, also auf dem Acker, den Metalheads das „Holy Land“ nennen.
 
Große Acts wie auch die Newcomer des Talentwettbewerbs „Metal Battle“ lassen sich bei den Konzerten entdecken. Den Battle gewannen dieses Jahr Jet Jaguar aus Mexiko, die in Sound, Auftritt und vor allem Vocals wie die jungen Iron Maiden klingen – was durchaus als Kompliment gemeint ist. Sie dürfen sich über 5.000 Euro, einen Sack Instrumente und viel Berichterstattung freuen – Glückwunsch! Bei 150 Bands aus aller Welt ist es unmöglich über alle genau zu berichten, also konzentrieren wir uns auf die Bands, die uns am meisten beeindrucken konnten.
 
Als überall gelobte Highlights galten Alice Cooper, Accept, Megadeath und Volbeat, welche mit imposanten Shows auf den großen Bühnen begeisterten. Während Cooper routiniert sein Best-Of-Programm samt Gruselelementen – ja, die Guillotine kam auch diesmal zum Einsatz – bei Tageslicht durchzog, gab es für traditionelle Metaller mit Accept mehr als Routine. Die Show fiel in drei Teile: Zuerst das neue Album, dann klassische Stücke von Wolf Hoffmanns Nebenprojekt „Headbangers Symphony“ – und zwar mit komplettem Orchester! Das durfte dann gleich bleiben, um die Accept-Klassiker im dritten Part zu unterstützen. Ein musikalisch wie logistisch beeindruckender Auftritt.

Wenn am ersten Festivaltag mittags mit die Worte „It‘s the final Cowndown“ vernehmen vermag, kann es nur eins bedeuten, Europe stehen auf der Bühne!
Die schwedische Band hat in den letzten 38 Jahren so einige Lieder produziert, doch keins davon ist so berühmt geworden wie „The final Cowndown“, das heutzutage jedes Kind mitsingen kann, auch auf dem Wacken Opan Air, am frühen Mittag konnten sie die Menge zum kochen bringen.

Volbeat gelten ja für viele als „Mädchen-Metal“, und in der Tat ist die erste Reihe recht fest in Frauenhand. Weil die Band aber groovt wie der weiche Boden, auf dem ihre Fans hüpfen, reißt sie auch die Kerle mit. Zudem ist der Sound dermaßen laut, dass auch auf dem Zeltplatz klar ist, welche Dänen derzeit im melodischen Heavy-Rock die Hosen anhaben. Frontsau Michael Poulson ist bestens aufgelegt und spielt so gut Gitarre wie er singt. Man mag die Elvis-Vocals mögen oder nicht, live funktioniert das prima. Nie an diesem Wochenende ist das Infield voller.
 
Härter geht natürlich auch: Nile begeistern spätnachts im Zelt mit technischem Death Metal, der nicht nur sportlich gesehen herausfordernd ist, sondern live mitreißen kann. Ein unprätentiöser Auftritt: Gitarre, Marshall-Verstärker, Jeans, T-Shirt – die Musik allein zählt. Wegbereiter für solchen Sound sind Possessed, die sich auf Wacken zurückmelden und immer noch stabiles Todesblei spielen – kein Wunder, das erste Demo von 1984 prägte den Begriff, denn das war sein Titel: „Death Metal“. Im Jahr 2018 soll das insgesamt dritte Studioalbum der Band erscheinen, wer sich rar macht, kann im Metal durchaus länger leben.

Rar macht sich Kissin Dynmite in den letzten Jahren zwar nicht, eher im Gegenteil. Die Band veröffentlicht seit 2008 alle 2 Jahre ein neues Album und zeigen wie eine Mischung aus Heavy und Glam Metal auch heute noch funktionieren kann. Auch auf der Bühhne, der Headbanger Stage zeigte die Band um Frontmann Hannes Braun, was eine Mischung aus Gefühlvollen Balladen und lautem, modernen Glam Metal bewirken kann. Gänsehaut!
 
Alte bekannte auf einer Wacken Bühne zu sehen, ist eine große Erfahrung, denn oft entfaltet sich das große Show Potential einer Band auf dieser, so wie bei Saltatio Mortis, die eine komplette Power-Show lieferten, dagegen ist ein Workout gar nichts. Zusätzlich wurde mit Pyros dem Publikum eingeheizt und überrascht, denn die Band spielt nicht so oft mit offenem Feuer bei ihren Rock Sets.

Der Spaß kam auf der Bühne aber auch nicht zu kurz, denn mit J.B.O und Russkaja fanden sich auf der Louder Stage 2 Bands ein die besonders für die gute Laune bekannt sind, die sie bei ihren Konzerten vermitteln. Beide lieferten gute Shows ab und trainierten damit unsere Mundwinkel, denn wer da nicht zumindest grinsen muss, der versteht anscheinend keinen Spaß.
In der Mitte zwischen den Extremen des poppigen Metal und der rauen Ursprünglichkeit liegen schon seit über 20 Jahren Amon Amarth: Wikinger-Appeal, Death-Metal-Groove, aber klare Vocals und vor allem Melodien, für die andere Bands töten würden. Und so gebührte ihnen der letzte Headliner-Slot am Samstag, und die Schweden räumten erwartungsgemäß musikalisch wie im Show-Faktor alles ab: Schwertkampf, Drachenschlacht, Pyros ohne Ende, und ein bestens aufgelegter Hüne namens Johan Hegg, der als Sänger wie Entertainer seinesgleichen sucht – toll!
 
Ein Fixpunkt des Festivals ist seit 2011 das „Wackinger Village“ mit inzwischen zwei Bühnen. Dort stellten zum Beispiel Versengold, eine Mittelalter-Folk-Band, über drei Tage hinweg ihr neues Album Funkenflug vor. Auch Bands wie The Dolmen, Harpyie, Skorbut, Waldkauz, Fuchsteufelswild und Corvus Corax, welche nicht als typische Metal Bands gelten, fanden im Village vor einem beachtlichen Publikum Gehör. Dumm nur, dass ausgerechnet „das Wackinger“, wie Fans den großen Mittelaltermarkt nennen, eines der tiefsten Schlammlöcher des Geländes ist – hier ließe sich sicher baulich einiges verbessern, die Drainage im Infield funktioniert ja auch.
 
Wie schon bei vielen Wacken zuvor setzte auch unser aller Lieblingsband Subway to Sally 2017 den Schlusspunkt. „Final Act“ zu sein, in diesem Fall also um 2 Uhr nachts am Sonntagmorgen auf der Bühne zu stehen, ist auf einem Festival eine Auszeichnung, keine Strafe. Nur die härtesten Feierbiester und die überzeugendsten Fans sind dann noch da, diesmal waren es jedoch erschreckend wenige. Kein Wunder, es hatte den ganzen Abend geregnet, entsprechend waren Laune und Platzverhältnisse. Erics Mannen und seine Dame machten das Beste daraus, sparten nicht an Hits und Pyros, was dann doch den Funken überspringen ließ. Und auch dieses Jahr endete das Wacken Open Air mit den „Blut, Blut, Räuber saufen Blut, …“ Gesängen, wie es sich für ein gutes Subway to Sally Konzert gehört!
Es wäre dennoch schön, die Band auch auf Wacken einmal zu einer besseren Spielzeit erleben zu können. Für´s Wetter kann auch dann keiner was, denn ein anderes Motto heißt schließlich: „See you in Wacken – Rain or Shine“.
Nächhstes Jahr sind mitunter dabei: Nightwish, Epica, Oomph!, Amorphis, Arch Enemy, Judas Priest, Korpiklaani, Unzucht, Feuerschwanz und Bannkreis.
Wir freuen uns drauf!

Über Roksi 521 Artikel
Roksana Helscher, Fotografin und Redakteurin. Seit 2016 bei Dark-Art dabei, ein Teil der Chefredaktion und das Mädchen für alles. Seit meinen ersten Konzertfotografie-Gehversuchen in 2011 bis heute unterwegs und versuche das Geschehen auf großen und kleinen Bühnen zu dokumentieren.