Release: 12.2.2022
Genre: Folk Metal
Spieldauer: 60min 19 sec
Label: Eigenproduktion
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Tracklist:
- Äs Liäd, wa in iisch allu singt…
- Ur-Chraft
- D‘ hibsch Mailändäri
- Wassär frisst Land
- D‘ schüdärhaft Stimm
- Quatämbärchind
- Där Sippuschgattär
- Zum heidnisch Biel
- Äs ghoornuts, schüdärhafts Tiär…
- Där Rollibock
- Tylangir
- D‘ alt Schmidja
In den hinteren Ecken der kleinen Schweiz liegt der urchige Kanton Wallis, aus dessen finsteren Bergwäldern sich eine neue Folk Metal Formation erhebt.
Genauer gesagt aus dem Oberwallis, wo noch aus vorchristlicher Zeit das Volk der Tylangier lebte, unter dessen angelehnten Namen, sich die Band 2018 gründete.
Diese schon kleine Horde, fand sich aus anderen Stämmen (Bands) nach längerer Suche zusammen und besteht aus Lukas Sarbach, Sam Eyer, Aaron Hutter, Pascal Zenklusen, Manuel Jossen, Yannik Borter und Juliana Kräuchi, welche sich somit am selben Lagerfeuer versammeln.
Doch bei so vielen Instrumenten werden auch alle Hände gebraucht, sei es aus dem Subgenre bekannte Flöten, Geige oder Naturfelltrommeln, jedoch auch eine taktgebende Harfe will gezupft, gerasselt und ins Naturhorn, sowie die Bouzouki geblasen werden.
Folk Metal gibt es gen Norden auch wie Pubs in Irland, jedoch werden sie südlich des Weißwurstäquators doch all rarer, geschweige denn hier in unserer kleinen Schweiz.
Der prominenteste Vertreter ist natürlich Eluveitie, die in ihren guten, alten Zeiten auch vor allem Stil und Geschichte dem Keltenstamm der Helvetier widmeten.
Tylangir gehen dabei noch einen Schritt weiter und beziehen sich konkret auf Walliser Sagen und Legenden, welche sie auch ausschließlich auf „Mundart“ mit Aussprache ihrer Heimat vortragen.
Viel Weiteres habe ich an dieser Stelle nicht zu berichten, da Informationen sowohl auf Social Media, wie auch der Webseite, spärlich gesät sind. Jedoch war die Band während meiner Recherchen bereit, per Chat die eine oder andere Frage zu beantworten.
Da ihr Aufstieg ein wenig im Schatten von Corona stattfand, kann ich auch erst auf ein Live-Erlebnis im Vorprogramm von Causam in der Met-Bar Lenzburg zurückblicken. Deren mystische Mundart Folkmetal Melodie bannte mich jedoch direkt, also erfreute es mich umso mehr, als ihr Debüt Album Ur-Chraft am 12.2.22 wenigstens Digital erschien.
Auch Corona geschuldet, wurde das physische Release der Scheibe, zusammen mit einer ordentlichen Folk-Metal Night, auf den 14. Mai gelegt!
1. Äs Liäd, wa in iisch allu singt…
„Ein Lied, wie es in uns allen singt“ startet mit sanften Streichtönen und Lagerfeuer Kulisse, wird das Intro (nach der Stimme) von einem alten Großväterli vorgetragen. Die Stimmung bleibt dabei düster und bedrohlich, über alte Wesen und die Natur, jene Ur-Chraft in die es auch nahtlos weiter geht.
2. Ur-Chraft
Vom Intro eingeläutet, startet gleich der Titeltrack mit einem urtümlichen Schrei und wird von der Harfe geleitet. Die „Urkraft“ kommt mit einem düsteren Folk Metal Stil daher, während im Hintergrund der Wind durch die Walliser Täler zieht, begleitet von Hornstössen.
Man spürt direkt die urchigen Wurzeln der Band, speziell im letzten Teil wenn im Hintergrund die Anspielung eines Jodelchors mitsingt. Abwechslung bieten vor allem die Wechsel zwischen markanten Growls im ´Walliser Dütsch‘ in reiner Metal Manier, bevor es wieder ruhiger zurück zu Folk Elementen mit dem Naturhorn geht.
Textlich wie versprochen in ihrer Naturverbundenen Heimat verbleibend, ist der Dialekt jedoch auch für mich Ostschweizer ein wenig schwer verständlich, was sich durch das ganze Album ziehen wird.
3. D‘ hibsch Mailändäri
„Die hübsche Mailänderin“ fängt ein wenig ruhiger an, abermals geführt von der Harfe und begleitet mit der Flöte, fließt das Intro vor sich hin.
Nach kurzer Zeit geht’s dann trotzdem weiter in aller Urchraft Härte, unterbrochen von einer verzerrten Nachricht des besungenen Mädels.
Diese liebliche Geistergeschichte wechselt zwischen melodischen Flötenspielerei und harten Growls, welche schon nahe am Pagan Black Bereich kratzen.
4. Wassär frisst Land
Fliessend wechselt das Album zum „Wasser frisst Land“ welches auch live durch die Naturfelltrommeln eingeleitet wird. Schamanisch angehaucht, geht es um ein Opferfest am Sumpf, ja wir Schweizerli waren früher nicht zimperlich.
Auch wenn ich lyrisch nicht ganz mitkomme, reisst jedoch der Wechsel zwischen Riffs, gepaart mit hektischer Fiedel, Duett im Refrain und düster melodischen Stellen, den Song im Lauf wie ein Wildwasserbach mit.
5. D‘ schüdärhaft Stimm
Komm zu mir. Auf den Berg fürchte meine Stimme, ich warte auf dich. Komm zu mir auf den Berg, flehe um meine Hand und fürchte meine Stimme. Ich warte auf dich.
*Ich hab’s soweit versucht zu Übersetzen.
Die schaurige Stimme beginnt mit eben jener, eine weitere Bergsage begleitet von der Harfe, welche hier durch die Gipfel klimpert. Die lockende Gestalt erinnert an die Sage einer Sirene, doch lockende Wesen gibt es in den alten Sagen wie Bierleichen auf’m Festival.
Vor allem die Harfe erhält hier einen leitenden Teil, der von der Geschwindigkeit mit den Growls und den Metal Instrumenten mithalten kann.
6. Quatämbärchind
Mit dem „Quatäm? Bärkind“ wird uns ein mystisches Bouzouki Intro, inklusive Schamanengesang und Waldgeräuschne spendiert, welche wieder nahtlos in die Metal Instrumente fliessen.
Verhältnismässig mit mehr extrem ruhigen Stellen, welche vom Holzstab klappern begleitet werden, kommt natürlich auch nicht die Knüppelseite zu kurz, vor allem in den Breaks zwischen den beiden Stilelementen.
7. Där Sippuschgattär
„Der Sippuschgattär“ ist eine weitere Sagengestalt, welche Verderben verspricht, so kommt auch der Track vor allem auf der harten Schiene daher. Nur eine kleine Auflockerungen in der Bridge: „Verstehst nur noch die Sprache von Krieg und Schwert…“ geben einen melodischen, ruhigen Part mit Clearvocals ab.
Sonst wird vom Anfang an, bis zu den Trommeln im Ausklang, mit einer Wucht durch die Zeilen geprügelt, die trotzdem noch einen gewohnt düsteren Unterton behalten. Genau passend für so eine Urgestalt, zu der ich jedoch leider keine Sagenquelle gefunden habe.
8. Zum heidnisch Biel
Zum heidnischen Biel, welche in heutiger Zeit die Hauptstadt des Kanton Wallis ist, wird keine Zeit verschwendet und gleich mit Drums und Riffs losgedonnert.
Auch wenn wieder vermehrt die Harfe die Zügel zieht, galoppiert dieser richtig dem heiligen (Bieler) Berg entgegen.
Hier sind wir definitiv im düsteren Pagan Bereich gelandet, muss sich der Song definitiv nicht vor brachialen Stücken von beispielsweise Genrekollegen wie Obscurity oder Gernotshagen verstecken.
9. Äs ghoornuts, schüdärhafts Tiär…
Ein reines Intro für den nächsten Track, um ein wenig Spannung aufzubauen.
„Ein gehörntes, schauderhaftes Tier“, kommt vom Gletscher herunter zu dir
Das Bächlein ???? das ist der Rollibock mit den glühenden Augen
Am schimmelnden Fell ??? Tod und Misere bringt er uns
Mit Haaren im Teer von den Bäumen bringt ???? ein wahrer Albtraum
Ich habe so weit versucht, den Text abzutippen und zu übersetzen, jedoch macht die Aussprache und vor allem das Gewitter im Hintergrund, dies nur so lückenhaft möglich.
Weiteres zur Sage findet ihr in diesem interessanten Artikel.
PS: Damit ist nicht eine Gestalt Satans gemeint, da das Christentum erst ein paar Jährchen später auf diese Kugel geplumst ist.
10. Där Rollibock
„Der Rollibock“ ist wohl die bekannteste Sagengestalt des Wallis, welche auch das erste Lyric Musikvideo bekam, welches im Februar 2020 als Premiere der Band auf YouTube kam. Diese enthält auch gleich das Intro, welches auf dem Album ein eigener Track ist.
Finster, fast schon im Black Metal Bereich, wurde der harte Stil, mit melodischer Untermalung, schon damals so einzigartig geprägt. Auch wenn dieser Song speziell düster ist, passt es doch zur schaurigen Gestalt, welche besungen wird.
Vor allem der Einsatz des Horns gefällt mir hier speziell, um zwischen den Black Metal Parts die melodischen Stellen noch mehr zu unterstützen bzw. betonen. Überraschend gut ist jedoch dann auch die klagende Stimme mit dem traurigen Flötenspiel, im letzten Drittel des Songs.
11. Tylangir
Das Volk der Tylangir, welches der Band auch ihren Namen gab, ist zum grössten Teil in den vorrömischen Zeiten verschollen. Umstritten ist auch, ob es sich um einen germanischen oder keltischen Stamm gehandelt hat (Danke hier an die Band für den Geschichtsunterricht).
Wohl der folkigste Track des Albums, fließt ein wenig alles an Stil und Instrumenten der letzten 50min nochmals zusammen. Auch wird mehr auf Clearvocals als auf Growls gesetzt, was nochmals frischen Wind durch den Heimatsong wehen lässt.
Auch beginnt und endet es ungewohnt sanft, was dem mittleren Teil nur umso mehr Wucht verleiht.
Ebenfalls entstand dieses Lied schon Anfang Sommer 2020, als Lyric Video.
12. D‘ alt Schmidja
„Die alte Schmidja“ sitzt nach der Geräuschkulisse bei Sturm in ihrer Alphütte und arbeitet an ihrem Spinnrad, bis ein urchiger Jodelchor einsetzt. Als harmonisches Outro angefangen, wird dann trotzdem nochmals ordentlich aufgedreht, wenn auch hauptsächlich auf den Chor gesetzt wird zwischen den Riffs und Growls.
Eine Kombination, die ich so noch nie gehört habe, aber perfekt in den Stil dieser Band passt, während das Spinnrad sich langsam ausdreht.
Basierend auf der gleichnamigen Sage der frommen alten Witwe, welche sich um arme Seelen kümmerte, war dies die letzte Lyricvideo Auskoppelung der Band.
Fazit:
Eine urchige Mundart Metal Band mit Harfe ist ein wahrliches Experiment, welche jedoch eine (Ur)Kraft im Zusammenspiel hervorbringt, welche man selten gehört hat.
Fast vergessene Sagen, folkloristische Instrumente und eine mystische Stimmung sowohl auf dem Album, wie vor allem Live, lassen Tylangir als einer der besten Schweizer Newcomerbands aus dem finsteren Wald schreiten.
Ur-Chraft überzeugt in allen Facetten des heidnischen Metal Subgenes und bekommt 9/10 Sagengstalten von mir.
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