Bericht: Freitag auf dem Wolfszeit Festival, 25.08.2023

A

Am Freitag, dem 25.08.2023 begann der zweite Tag des Wolfszeit Festivals. Früh am Morgen zog ein dichter Nebel auf, so dicht, dass die Bäume vom Campingplatz aus nicht mehr zu sehen waren. Umgeben von dieser traumhaften Melancholie erwartete die Zuschauer ein weiteres großartiges Line-Up aus Black- und Pagan Metal und wir berichten euch von den einzelnen Auftritten.

Vorab wollen wir aber von einer Neuheit auf dem Wolfszeit berichten, dem heidnischen Dorf. In Form eines zweiten Infields wurde dort ein kleines Lager für historische Schausteller aufgebaut und bot für die Besucher Vorträge, Bauworkshops und Bogenschießen an. So wurde am Donnerstag eine Waffenschau für die Zuschauer absolviert und es gab einen Vortrag über die Herstellung von Met. Auch gab es dort Abends live Musik, die Band Durangir spielte dort am Freitag, und es wurde vom festivalinternen DJ Crow Musik aufgelegt. Es bleibt spannend, ob diese Attraktion im kommenden Jahr wieder aufgebaut wird und wenn Ja, ob dieses weiter ausgebaut bleibt. Immerhin bietet das heidnische Dorf ein Merkmal, welches nur wenige andere Festivals in Deutschland haben. 

Eine Verbesserung zum letzten Jahr sind die ausgebauten Sanitäranlagen. Der Container mit den Duschen und die Toilettenwagen sind größer im Vergleich zu den Anlagen in Crispendorf. Dafür gab es keine kostenlosen Waschräume und somit war die Nutzung der Sanitäranlagen mit einer Gebühr von 10 Euro verbunden. Diese Anlagen waren aber leider nicht rollstuhlgerecht. Es fehlte auch auf dem Campingplatz an Wasserstellen, an denen sich die Besucher mit Trinkwasser versorgen konnten. Die einzige Wasserstelle war auf dem Infield, welches vor dem Mittag nicht betreten werden konnte. Dieser Umstand wird hoffentlich bis zum nächsten Jahr ausgebessert. 

Jetzt aber genug von diesen ganzen Beschwerden, ihr wollt über die Auftritte lesen und den ersten Auftritt durfte die norddeutsche Band Thjodrörir absolvieren. Unter Paukenschlägen und mit Rufhörnern betrat die Band die Bühne. Ihr Frontmann, Denny, betrat die Bühne mit erhobener Spitzhacke, passend zu dem zentralen Thema der Band: Die Dunkelalben oder auch Zwerge genannt. Thjodrörir spielten Pagan Metal mit guthörbaren Wurzeln aus dem Black Metal, welcher schon früh am Mittag ordentlich Druck auf der Bühne schaffte. Für die Zuschauer der ersten Show gab es gleich zwei Premieren: Zum einen wurden zwei neue und bis dato unveröffentlichte Lieder gespielt und eine Neubesetzung wurde vorgestellt. Die genannten Lieder heißen Zwerge von Hedeby und Alwis und könnten auf zukünftige Neuveröffentlichungen hindeuten, aber dazu hat sich die Band auf der Bühne nicht geäußert. Das neue Mitglied der Band heißt Kim und übernimmt für die Zukunft den Platz am Bass. Zusammengefasst war dies ein toller Auftritt für die Fans von Thjodrörir.

Als die zweite Band, Helgrindur, die Bühne betrat, änderte sich die Stimmung auf dem Infield schlagartig. Die Zuschauer pilgerten scharenweise vor die Bühne und füllten den Platz fast vollständig aus. Aus dem bedächtigen Genießen bei Thjodrörir wurde Bewegungsfieber, sobald Helgrindur mit ihren ersten Lied An der Mühle anfingen. Dutzende Skalps flogen wild umher, es wurde gemeinsam gerudert und ein Circle Pit entstand im Lauf des Auftrittes. Damit wurde das gesamte Arsenal an Bewegungsformen für Zuschauer aufgefahren. Für das Lied Ein Sturm verließ der Sänger Beast die Bühne und stellte sich an den Wellenbrecher. An der Position dirigierte er einen geteilten Chor für den Refrain und eine Wall of Death gleichzeitig. Ähnlich wie bei Thjodrörir wurden die Zuhörer mit neuem Material, zum Beispiel dem Lied Herr der Wälder, verwöhnt und es wird dieses Jahr noch ein neues Album veröffentlicht.  

Mit Nornir bekamen wir den (leider) einzigen Abstecher in den reinen Black Metal für den Freitag. Meeresrauschen ertönte aus den Lautsprechern und zwei Kohlepfannen brannten auf der Bühne. In diesem Ambiente betrat die Band die Bühne und stellte sich mit dem Rücken zu den Zuschauern. Dort verharrten sie bis zum Ende des Intros, nur um dann ohne Ansage mit der Musik zu beginnen. Dieser schnörkellose Anfang war der Auftakt für eine übergangslose Show, welche von einem Lied zum nächsten führte, ohne aber zu rasen oder auf nötige Pausen zu verzichten. Es wurde schlicht und einfach nichts gesagt und das tat dem Auftritt erstaunlich gut. Ähnlich wie Gaerea leitete Nornir nicht nur einen Genrewechsel ein, sondern bildete einen krassen Kontrast zu der bisherigen Band Helgrindur. Die Musik erinnerte stark an Ableger der 90er Jahre und nur wenig an modernen Atmospheric- oder Post Black Metal. Trotzdem ist die Musik nicht das reine pechschwarze Maschinengewehr, welches zum Beispiel Marduk bei ihren Songs ausdauernd abfeuert. Es versteckten sich kleine Überraschungen in den Liedern:  kurze Heavy Metal Riffs, kurze, klare und hohe Gesangsparts oder die Nutzung einer Rahmentrommel. Einige Lieder wurden mit Rahmentrommeln eingeleitet, währenddessen die Sängerin Lethian die Songs mit einem hohen, kühlen Gesang anstimmte. Darauf folgte der kompromisslose Black Metal und schaffte einen grandiosen Bruch in der angefangenen Liedstruktur. Dieses Konzert spielte sich dabei mit dem dunklen Nadelwald und dem grauen Himmel im Hintergrund ab. Zusammengefasst wurde Nornir dadurch zu einem echten Highlight des Wolfszeit Festival 2023.

Die darauffolgende Band, Minas Morgul, hatte in vielerlei Hinsicht einen spannenden Auftritt und konnte erstaunlich gut einen Übergang zwischen Nornir und Obscurity schaffen, aber dies erkläre ich in aller Ausführlichkeit. Vorab gab es zwei neue Besetzungen innerhalb der Band. Zum einen übernahm Stef von Jörmungand den Gesang, nachdem Robse die Band verlassen hat. Stef war schon aktiv an ihren neusten Album Nebelung beteiligt und dieses Werk war ein zentrales Grundgerüst in der Setlist und es wurden mehrere Lieder aus dem Album gespielt. Mit diesen Songs änderte sich der Sound der Band dahin, dass es kein Keyboard mehr gibt und der musikalisch reduzierte und teilweise angenehm schlichte Sound mit spannenden Clean-Passagen aufgewertet wurde. Auch war das Verhalten der Band ruhiger und mehr auf die Musik, statt auf Showeinlagen auf der Bühne, ausgelegt. Stef scheint ein ruhiger und bescheidener Sänger zu sein, im Gegenteil zu Robse. Die zweite Neubesetzung war Albion von Eis, der die Position an der Gitarre übernimmt. Gründungsmitglied Saule, an der anderen Gitarre vertritt, fiel leider krankheitsbedingt aus. Ich möchte den Abschnitt über Minas Morgul mit einem interessanten Fakt beenden: Seit 2017 sind Minas Morgul bereits dreimal aufgetreten und jedes Mal mit einem anderen Sänger. Ich hoffe, dieser Trend setzt sich nicht fort, scheint Stef die Band doch gut zu bereichern.

Zwei Topplayer der deutschen Pagan Metal-Szene durften am Freitag hintereinander spielen, Obscurity und Wolfchant. Setzten die bisherigen Bands auf Action vor der Bühne, so begann bei Obscurity die Eskalation. Schon beim ersten Song zündete der Mosh Pit und der hörte im Laufe des Auftrittes nicht auf. Das restliche Line Up bestand zum Großteil aus Klassikern der Band. Zwischen den Liedern bekamen die Zuschauer schöne Geschichten von dem Frontmann Agalaz erzählt. So bekam Isar, der Drummer der Band, einen Krampf beim Spielen und der Sänger empfahl daraufhin nur mehr Bier, weil Dehydration echt ungesund sei. Zusätzlich erfuhren wir, dass Vidar der primäre Autofahrer der Band sei, aber dass er so langsam fahre, dass sich Stau immer hinter ihm bildet. Dies tue er, laut eigener Aussage, weil er für seine Bergischen Haustiere nur das beste will. Zur ersten Zugabe wurde natürlich Bergischer Hammer gespielt, wofür Agalaz die Bühne verließ, um sich an seinem Lieblingsplatz, dem Wellenbrecher, zu positionieren. Die zweite Zugabe, Schicksal der Götter, wurde mit einem Dialog zwischen den Bandmitgliedern über die Konsistenz ihres Stuhlgangs eingeleitet und dann war das Konzert schon leider vorbei. Auch wurde ein kommendes Album für dieses Jahr angekündigt, ein Grund für Jubel. Einen Wermutstropfen gab es dann leider doch: Die Band Obscurity hatte kein Merchandise mitgebracht, aber darauf hingewiesen, dass an diesem Wochenende kostenloser Versand bei Bandcamp sei.  So mancher Besucher hätte nach dem Konzert gern ein Shirt oder ein Tonträger direkt mitgenommen.

Bei Wolfchant war allein der Soundcheck schon was ganz Besonderes. So spielten sie ein Lied an, beendeten dies und verabschiedeten sich für den Abend. Mit viel Lachen wurde dieser kurze Abstecher in die Welt des Humors genommen. Mit Sonnenuntergang fing das Konzert mit dem Lied Komet an, aber der Einschlag dieses Himmelskörpers war etwas verhalten im Vergleich zu dem Auftakt von Obscurity. Der Platz war beim Anfang zu einem Viertel gefüllt und nur tröpfchenweise kamen neue Besucher hinzu. Dies wirkte im ersten Moment entmutigend, aber der Platz füllte sich, nur etwas langsamer. Aber bei schönstem Mondenschein spielten die Wölfe unbeirrt weiter. Den Auftritt machten zwei Punkte besonders: Ihr Gitarrist Skaahl fiel krankheitsbedingt aus (ging eine Gitarristen-Seuche rum?) und dafür sprang ihr ehemaliger Bassist Sertorius an der Gitarre ein. Gleichzeitig feierten Wolfchant ihr zwanzigjähriges Bestehen! Der Geburtstag fiel nicht genau auf das Festival, aber die Besucher wurden trotzdem mit vielen alten Klassikern, wie Elemente, belohnt und bei diesem Lied zündete ein gewaltiger Moshpit in der Mitte der Crowd. Auch hatten Wolfchant den ersten Crowdsurfer für den Freitag, ein schönes Geschenk der Fans an ihre geliebten Musiker. Darüber hinaus kündigte Wolfchant zwei kommende CDs an, einmal eine Single mit ihren neuen Lied Witchfinder (welches wir live erleben durften) und eine bis dato unbekannte CD. Ob dies eventuell ein kommendes Album sein wird? Dies wurde nicht verraten, aber wir können gespannt sein. Vielen Dank Wolfchant und herzlichen Glückwunsch nachträglich zu eurem Band-Geburtstag.

Auf zum finalen Countdown für den Freitag! Der Anfang machte der Co-Headliner Korpiklaani. Die finnische Folk Metal Band spielte eine Mischung aus ihren Party-Krachern und erstaunlich sanften und fast zärtlichen Folkliedern. Versteht mich an dieser Stelle nicht falsch, zu keinem Zeitpunkt wurde der Auftritt eine Schunkel-Runde, aber für die bisherige Musik waren die Lieder von Korpiklani erstaunlich harmonisch und ruhig. Trotzdem fing das Konzert mit A Man with a Plan an, der englischen Version von Viinamäen Mies, welches von australischen Studenten ein Musikvideo gewidmet bekam. Zu den weiteren Stimmungsmachern gehörten Beer Beer, das recht junge Lied Jägermeister und natürlich der pure Abriss und gleichzeitig die Zugabe der Band, Vodka. Bei diesen Liedern rotierte der riesige Circle Pit auf Hochtouren und wurde zu einem schemenhaften Reigen. Dazwischen betonte die Band den Begriff Folk in ihrer Musik durch den Einsatz ihrer gesamten instrumentalen Bandbreite und die Musik wurde verspielter. In diesen Momenten wurden Crowdsurfer über die Zuschauer geschoben (der Trend von Wolfchant wurde weitergeführt) und auch der Circle Pit drehte sich bedächtiger. Wir durften Korpiklani auf dem Rockharz Open Air live erleben und bei diesem vorigen Auftritt wurde der Fokus der Lieder auf Tanzbarkeit gelegt und so kamen die schönen Lieder etwas zu kurz. Beim Wolfszeit Festival hat die Band den Spieß umgedreht, was zu dem Festival besser passte.

Der Headliner des Freitags, Alestorm, war wie ein greller, bunter Fleck auf der ansonsten schwarzen Weste des Wolfszeit Festivals. Wenn wir in der Geschichte des Festivals etwas zurückschauen, so war bereits 2017 die schottische Piraten-Band auf dem Festival und somit war ihr Erscheinen keine so große Überraschung. Seit diesem Auftritt wurden Alestorm nur etwas bunter und hat das Schiff mehr in Richtung Party gesteuert. Als die Band bestätigt wurde, war die Reaktion der Besucher eher durchwachsen: Entweder freuten sie sich auf die bevorstehende Metal-Disko oder sie trauerten um den „vergeudeten“ Headlinerslot. Trotz der Kritiker platzte der Platz vor der Bühne und auf dem Abhang vor Zuschauern fast aus allen Nähten. Zum Anfang wurde Keelhauled gespielt und die Setlist erstreckte sich über alle Alben, auch wenn der Fokus natürlich auf den Liedern der letzten Veröffentlichungen lag. Diese Entscheidung empfand ich als schade, immerhin boten die Location und die Fans an, viele ältere Stücke zu spielen und somit einen besonderen Abend zu schaffen.  Stattdessen durfte der Roadies als Frau verkleidet zu Playback schauspielern oder als Hai die Musiker attackieren. In Anbetracht der Stimmung in der Crowd war ich mit der Meinung allein und keiner störte sich an der Auswahl der Lieder. Für einen besonderen Moment sorgten zwei junge Männer mit selbstgemachten Shirts für die Band Splen, dem ersten musikalischen Projekt von Christopher Alexander Bowes. Der Frontmann traf auf die beiden Fans, zeigte sich begeistert, schenkte ihnen die Setlist von der Bühne und sang sogar das Lied Wood mit ihnen. Für die zwei Fans war dies ein ganz magischer Moment.

Den Abschluss des zweiten Abends durfte das recht junge, musikalische Projekt Durangir aus Prag machen. Wie bereits beschrieben, hatte das heidnische Dorf eine eigene Bühne. Auf dieser Stage sollten an zwei Abenden je eine Band als Late-Night-Slot fungieren. Am Donnerstag wurde das Konzert auf die große Bühne verlegt, aber Durangir durften im heidnischen Dorf spielen und das war für die gesamte Stimmung nur vorteilhaft. Die Besucher saßen auf Bänken oder direkt im Gras vor der Bühne und lauschten einem besonderen Konzert. Nach den hektischen Konzerten der letzten Stunde erschufen die vier Musiker mit verschiedenen Akustikinstrumenten ein dichtes Klanggewebe, welche entfernt an die Musik von Forndom oder Wardruna erinnerte, ohne aber diesen ausgeprägten nordischen Stil oder die ritualistische Note aufzuweisen. Die Musik von Durangir ließ die Besucher in eigene Sphären abdriften und rundeten den Abend entspannt ab. Ein besonderer Moment, an den ich mich noch lange erinnern werde. Funfact: unter den Besuchern konnte man auch Christopher Bowes von Alestorm erblicken.

Damit endete der zweite Tag auf dem diesjährigen Wolfszeit Festival und es war ein Tag mit viel Bewegungsenergie. An keinem anderen Tag wurden so viele Locken geschüttelt, so viele Meter im Kreis gelaufen und so viele Schultern im Mosh Pit aneinander gerammt. Leider bleib der Black Metal etwas auf der Strecke, aber am Samstag sollte sich dies ändern. Davon werden wir aber erst nächste Woche im nächsten Bericht erzählen. 

 

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*