Worlds Collide – Within Temptation and Evanescence – Frankfurt (FFM) 23.11.22

Worlds Collide Tour 2022 in Frankfurt 23.11.2022

Gespannt auf die vier Mal verschobene Tour, sammelten sich viele Besucher draußen vor der Festhalle in Frankfurt und gingen, fast wie in der Grundschule, gesittet und geordnet in einer langen Schlange zum Eingang. Ob das am eher höheren Durchschnittsalter des Publikums lag?

Angekommen in der Festhalle versuchten sich sogleich die Smash Into Pieces an einer Art Partystimmung, mit der in dem Fall wirklich undankbaren Aufgabe, zwei solch großen Headlinern den Weg zu bereiten. Aber das Publikum nahm dies neugierig mit und die ein oder anderen Gäste sangen einige Lieder auch mit. In Schweden wohl bekannter als hier stellt sich die Frage, ob diese Band mit ihrem Alternative Rock mit Elektro-Beats angemessen war für die Größenordnung und das Setting der nachfolgenden Bands. Aber immerhin, optisch mal was Neues, der Schlagzeuger bearbeitete sein elektronisches Schlagzeug mit einer leuchtenden Maske, was in dem reduzierten Licht schon sehr eindrucksvoll war.

Kommen wir nun zu den beiden Bands, weswegen die Besucher hauptsächlich gekommen waren und deren meisten Tickets wahrscheinlich seit 2020 am Kühlschrank hingen, bis sie jetzt eingelöst werden konnten.

Worlds Collide wurde für das Jahr 2020 konzipiert, aber der Titel überholte nun die Wirklichkeit und wurde damit brandaktuell. Der Beginn stellt schon klar, dass jetzt die ganze Bühne als Kulisse genutzt wird. Eine übergroße Maske, das zentrale Element, wurde mit beweglichen Elementen umrahmt. Diese Elemente sahen teils wie Spiegel aus, waren mit Scheinwerfern umrandet und wurden als Monitore benutzt. Das Auge bekam bei der sehr eindrucksvollen Bühnengestaltung einiges zu sehen.

Während der Festivals wurde vor und nach den Konzerten der Band, wie auch hier, immer ein riesiger QR-Code auf den Bildschirmen gezeigt, mit dem man die bandeigene App öffnen konnte und dort exklusives neues Songmaterial, sowie später auch das Gruppenfoto mit dem gesamten Publikum bekam.

So beginnt Within Temptation mit Our Solemn Hour und geht direkt nach der Begrüßung durch Sharon del Adel mit Faster in die Vollen, Paradise folgt, während bei Stand my Ground, zusätzlich zu dem ohnehin sehr variablen, abwechslungsreichen Bühnenbild, die Pyrotechnik zum Einsatz kommt.

Beim Song Angels steht Sharon plötzlich auf der riesigen Maske in der Mitte der Bühne und nutzt diese als Empore und wurde von der sensationellen Lichtgestaltung entsprechend in Szene gesetzt. Konzentriert, minimiert, steht sie da im Rampenlicht wie auf einem Balkon, wie am Anfang der Coronazeit von Musikern oft gesehen.

The Purge folgt gleich hinterher, bis Sharon bei Raise Your Banner auch Taten folgen lässt und zu Bildern von Flüchtlingen, Kriegsschauplätzen und politischen Szenen, die auf dem riesigen Hintergrund in Filmschnipseln ablaufen, eine große Ukraine Flagge schwenkt und damit das aktuelle Weltgeschehen mit auf die Bühne bringt und ein deutliches Zeichen setzt. Das muss man sacken lassen, die Aussage, die Emotionen, das Bühnengeschehen. Es geht nahtlos über in das anschließende Entertain You, der Song mit klarer Botschaft und akustischem Hinweis an alle, die der Meinung sind, dass jedermann nach ihrer Pfeife tanzen muss.

Während der nun folgenden emotionalen Zwischenansprache wird es still im Saal. Sharon erzählt mit leiser Stimme vom Tod ihres Vaters und auch davon, dass sie damit lange nicht abschließen konnte, sondern auf ein Zeichen des Universums wartete. Es gehe ihm in der jenseitigen Welt gut und sie könne nun mit ihrem Leben trotz des Verlusts fortfahren. Verarbeitet in Supernova, bei dem der runde Monitor in der Mitte wie ein Schild fast ganz herrunterfährt und drohend fast direkt hinter der fulminanten Sängerin zum Stehen kommt. Es folgt The Reckoning und nach Don’t Pray For Me, der Absage an die Religion und Unterdrückung im Namen der Religion, die sonst ja „eine schöne Sache sein könnte“. Danach kommt die Bühnentechnik wieder zum Einsatz. Fast wie im Zirkus, wird Sharon auf einem Ring sitzend in die Höhe gezogen und präsentiert von dort, mit einer zentrierten Spotbeleuchtung angestrahlt, All I Need. Wieder ein Gänsehautmoment für den sich das lange Warten gelohnt hat.

Und auf was wartete das Publikum ebenso lange? Genau, es wünscht sich die Ice Queen, der wohl bekannteste und erfolgreichste Song der Band, wenn man den Publikumsgesang als Richtlinie wertet. Das „Woohoo“ kann ja auch jeder mitsingen. Bei What have you done to me? ist das Publikum wieder mit dabei und wieder textsicher. Zu erwähnen ist, dass keine Gastmusiker bei der Tour dabei waren. Diese wurden, wie Tarja oder der Produzent Daniel Gibson, per Video auf diesen sensationellen Spiegel, Schild oder auch Monitor genannt und projiziert. Der Schlusssong Mother Earth entlässt die Menschenmenge mit großem Gefühl in die Umbaupause, denn… es geht ja weiter…

Setlist Within Temptation:

  1. Our Solemn Hour
    02. Faster
    03. Paradise (What About Us?)
    04. Stand My Ground
    05. Angels
    06. The Purge
    07. Raise Your Banner
    08. Entertain You
    09. Supernova
    10. The Reckoning
    11. Don´t Pray for Me
    12. All I Need
    13. Ice Queen
    14. What Have You Done To Me?
    15. Mother Earth

Nach einem gefühlten kompletten Bühnenumbau stand auf einmal eine Person in einem roten Lichtkegel, erhöht im Hintergrund, es ist eine Stimme zu hören. Der Schlagzeuger zählt den Countdown, der in Zahlen projiziert wurde, mit, und ein Gefühl breitet sich aus, dass die riesige Bühne zu groß für dieses Set sei. Aber die Stimme von Amy Lee, der Sängerin von Evanescence, beweist das Gegenteil, als sie mit ihrer Klangwucht den Saal erfüllte.

Broken Pieces Shine, ein Song vom aktuellen Album The Bitter Truth, ist ein Opener der es in sich hat. Nicht viele Bands verstehen es mit wenigen veröffentlichten Alben und Songs, seit Gründung vor… ach, wir wollen es gar nicht wissen, das Publikum zu begeistern. Sie sind begeistert von der Präsenz dieser Frau, deren Songs so viele Menschen fast ein halbes Leben begleitet haben. Amy Lee zeigt eine andere Bühnenpräsenz im Vergleich zu Sharon del Adel. Mit vollem Klangvolumen hetzt sie über die Bühne, lehnt sich zurück, beugt sich vor und das alles im Rausch des Auftritts, der im Gegensatz zu WT vom Bühnenbild her, auf den ersten Blick etwas minimalistischer aussieht. „It`s an honour to share the stage with Within Temptation for the first time.“, sagte sie. In diesem Moment gehörte die Bühne ihr und sie füllte sie vollständig aus, rastlos und mit Power.

Made Of Stone und Take Cover folgten von dem neuen Album, bevor es zurück in das Jahr 2003 geht, zurück zum Ursprung, zurück zu den Songs, die bei vielen mit Erinnerungen verbunden sind. In diesen schwelgt das Publikum auch bei Going under, bevor es ins kraftvolle, wuchtige Wasted On You übergeht, welches den Nerv des Publikums trifft, welche die Band seit den ersten Tagen begleitet und sich vielleicht in dieses Lied einfühlen können.

Amy Lee wurde die meiste Zeit per Licht als die Hauptperson in Szene gesetzt und damit wurde klar, dass sie die Band Evanescence ist.

Sehr gefühlvoll, sehr wuchtig, schöpft sie ihren kompletten Stimmumfang aus und ging mit einem Medley aus den drei Liedern Lose Control, Part Of Me und Never Go Back in einen Rutsch in der begrenzten Auftrittszeit durch die Bandgeschichte. Natürlich erlebten wir Amy nun auch mal am Klavier, dem standesgemäßen Instrument für den letzten Song des Medleys. Vorher huschte sie jedoch noch schnell zu den Keyboards. Raffiniert kommt das Klavier plötzlich aus dem Nichts nach oben gefahren… ein sehr schöner Effekt, der durch die Lichtführung sehr zentriert wirkt. Passend zur Ballade Far From Heaven, sitzt sie da, der Lichtkegel nur auf sie und das Klavier gerichtet. Beachtet unbedingt unsere Fotostrecke, die einen Eindruck davon vermittelt. Bei Your Star kommt die Band, nach dem Solobeginn, wieder dazu und man wird wohlig, vielleicht selig, aus den Träumen gerissen.

End Of Dreams, ein technisch sehr anspruchsvolles Stück, präsentiert Amy nun ohne Klavier, dafür aber anscheinend, ohne einmal Luft zu holen, in einem Stück. Die Ansage „Everybody has an Ex, this song could be about“ bezog sich auf die Songs Better With You und Call Me, When You´re Sober. Imaginary, von einem Album noch vor Fallen zeigte, wer von den Fans das Prädikat „Ur-Fan“ verdient hatte. Sensationell, dass dieses Stück hier live präsentiert wurde, wurde es doch in der Vergangenheit seltener live gespielt.

Die Frau-Power auf der Bühne, wandelte sich bei dem Lied Use Your Voice in Frauen-Power um, als Sharon del Adel von Within Temptation auf der Bühne erschien. Zusammen gaben sie der Unterdrückung zwei Stimmen. Jede der beiden Frauen lohnt sich wirklich gehört zu werden, sind sie von der Stimmlage her doch sehr unterschiedlich. Im Duett hätte ich mir einen höheren Gesangsanteil von Sharon gewünscht. Insgesamt waren die beiden zusammen sehr, sehr eindrucksvoll. Nach Blind Belief im Anschluss kam wieder aus dem Nichts das Klavier nach oben und jeder wusste, welche zwei Songs nun kamen. Es waren die Songs mit denen die meisten aufgewachsen sind, Probleme verarbeitet, sich Trost gesucht und abgetanzt haben.

My Immortal auf dem Piano, in dieser Halle und alleine von Amy gesungen, verursacht Gänsehaut. Sorry, ich werde ebenso emotional wie der Rest des Publikums. Schwenken von irgendwelchen Handy-Lichtquellen gehört eben auch dazu. Früher waren das ja Feuerzeuge, aber wir werden alle älter. Nun fehlte natürlich noch der Song Bring Me To Live. Das Lied brachte, nach dem Emotionen-Overflow, Leben in der Halle zurück. Druckvoll, leider ohne den bekannten männlichen Gesangspart. Hier sang Amy diesen Part teilweise auch noch mit, eine Version, die durchaus in das Gesamtkonzept passte.

Setlist Evanescence:

  1. Broken Pieces Shine
    02. Made of Stone
    03. Take Cover
    04. Going Under
    05. Wasted on You
    06. Love Control /Part of Me / Never Go Back
    07. Far From Heaven
    08. Your Star
    09. End of the Dream
    10. Better Without You
    11. Call Me When You´re Sober
    12. Imaginary
    13. Use My Voice
    14. Blind Belief
    15. My Immortal
    16. Bring Me to Life

Ein sensationelles Konzert ging, für beide Fanlager sehr ergiebig, zu Ende. Das Konzept geht auf, zwei so großartige Sängerinnen (mit ihren Bands) an einem Abend erleben zu dürfen. Vielen Dank dafür auch an Live Nation für die Organisation.

 

 

 

 

Über Patrick Süß 77 Artikel
- Photographiere Konzerte seit 2012 - Musikrichtungen: Iron Maiden-Fan seit 1982, Epica, WT, Nightwish, Avatar, aus der Region Rhein Main Pentarium, Snow White Blood und alles was rockt. - Wacken-Photographer - Hexentanzfestival Losheim am See / Großrosseln (ab 2023) - Stammgast beim Flörsheimer Open-Air und beim - "das Rind" in Rüsselsheim und das "Moshpit" in Flörsheim sind meine "Wohnzimmer" - Seit November 2020 bei Dark-Art - Wer mehr wissen möchte... einfach fragen.

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*