Festivalbericht: Traffic Jam Open Air 2024 Freitag

Der wohl wildeste Stau Deutschlands ging wieder einmal in eine neue Runde. Zum Auftakt des Traffic Jam Open Airs ging es auf dem Verkehrsübungsplatz in Dieburg bei wohligen 31 °C im Schatten richtig ab und wen die Temperaturen noch nicht zum Schwitzen brachten, dem wurde vor der Bühne richtig eingeheizt.

Den Beginn machten Truth Grip auf der 2nd Stage und eskalierten sofort, obwohl bisher nur wenige Besucher da waren. Die Besucher, die allerdings da waren, hatten die Zeit ihres Lebens. Während ein paar den Schatten in den Liegestühlen unter dem Baum suchten, suchten einige andere den Pit, der vor der Bühne aufgemacht wurde. Denn anders, als das Frank Ocean-Shirt von Sänger Mark suggerierte, schallerte es hier aber richtig. Trotz der lichten Menge versuchten sich einige im Crowdsurfen, allerdings endete es darin, dass fünf Leute eine Person zur Bühne trugen und der Security übergaben. Die Band bedankte sich beim Publikum, denn es war das erste Mal Crowdsurfing, Circle Pit und Wall of Death für sie, und auch bei der Security, dass sie so einen guten Job machten. Ein fulminanter Auftakt für das Festival, obwohl es deutlich wärmer als im Proberaum war.

Weiter ging es auf der Entega Stage, der großen Bühne, die nach dem Sponsor benannt wurde, mit All Will Know. Während die 2nd Stage zwischen den Bäumen etwas im Schatten lag, wurde man vor der Entega Stage buchstäblich gebraten. So wunderte es auch nicht, dass sich die Leute in den Schatten der Absperrungen und des FOHs drängten und sich nur wenige wirklich vor die Bühne trauten. Hier wurde sich durch den Wind, den wildes Headbangen erzeugt, zumindest ein bisschen Abkühlung erhofft. Leider ging einiges der Stimmung verloren, was die Band auszugleichen versuchte. Wie ein wildes Wiesel wuselte Sänger Steve über die Bühne, während die anderen auch sichtlich sehr viel Spaß hatten. Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass der Bassist von Sapiency und der Gitarrist von Burden of Life eingesprungen waren.

Zurück auf der 2nd Stage versuchte Neverland das Publikum mit Pfeffishots vor die Bühne zu locken. Das war nur mäßig von Erfolg gekrönt, denn kaum jemand traute sich am massiv ausgedehnten Moshpit vorbei, der direkt vor der Bühne tobte, auch wenn er nur aus wenigen Leuten bestand. Irgendjemand dort machte sogar einen Flickflack. Inzwischen war auch schon deutlich mehr los und die Stimmung der absolute Hammer. Wer sich bei den Breakdowns hier nicht das Genick gebrochen hat, hat es nicht richtig gemacht. Selbst das Mikro brach sich das Genick, denn nach wenigen Songs fiel es einfach aus. Aber zum Glück konnte das Problem nach nur kurzer Verzögerung wieder gefixt werden. Zur Abkühlung spritzten die Helfer das Publikum mit einem Wasserschlauch ab, ein Service, der an diesem Abend noch sehr oft dankend angenommen wurde. Eine Überraschung gab es auch noch auf der Bühne, denn Bassist Hendrik feierte seinen Junggesellenabschied, wovon er aber bis eben noch nichts wusste. Die anderen überraschten ihn mit Bier und das Publikum jubelte ihm mit „Hendrik“ und „Bass Solo“-Rufen zu. Obwohl es hieß, dass es wahrscheinlich mehr bräuchte, um ihn zu einem Solo zu bringen, gab es kurz danach ein Solo, welches sofort mit tosendem Applaus quittiert wurde. Oh, und Wrecking Ball von Miley Cyrus wurde auch gecovert und sind wir ehrlich, diese Version ist so viel besser als das Original.

Henriette B aus der Schweiz kamen für ihr einziges Deutschlandkonzert angereist. Sänger Nicolas entschuldigte sich in einem sympathischen französischen Akzent, dass sein Deutsch nicht so gut sei, was aber absolut niemanden störte. Inzwischen war es vor der Entega Stage etwas kühler geworden, die Sonne stand schon tief über den Bäumen und die Leute trauten sich aus dem Schatten heraus. Somit war auch die Stimmung so phänomenal wie das Wetter, obwohl es immer noch brutal warm war. Aber der Gartenschlauch kam auch hier wieder zum Einsatz und bald trieften erste Shirts, während auf der Bühne ein Breakdown den anderen jagte.

Auf der 2nd Stage ging es derweil mit XO Armor weiter, der ein oder andere kennt sie vielleicht noch unter dem alten Namen Coda. Der Post-Metalcore mit Rap-Einlagen ballert sehr und das übertrug sich auch sofort auf das Publikum. Die Stimmung war unfassbar gut, der Moshpit war riesig, der Circle Pit auch und da macht es auch nichts, wenn man mal eben nicht auf der Bühne, sondern mitten in der Menge spielt. Den Spaß merkte man der Band in jeder Bewegung an. Das Bandfoto wurde vor dem letzten Song gemacht, ein smarter Move, denn die Leute kamen näher an die Bühne und blieben für den Song dann auch da. Es kamen sogar deutlich mehr als beim Pfeffi vorhin bei Neverland. Einige setzten sich auf den Boden und ruderten, sogar noch bevor die ersten Töne überhaupt gespielt wurde. Wer mehr von XO Armor hören möchte, darf sich freuen, denn ein neues Album ist auf dem Weg.

Novelists aus Frankreich wurden anschließend auf der Entega Stage begrüßt, während die Sonne unterging und den Himmel in Orangetöne tauchte. Die Band ist seit letztem Jahr female fronted und es tut der Musik sehr gut. Die alten Songs wurden von Sängerin Camille genauso gemeistert, wie die neuen Songs, die schon mit ihr veröffentlicht wurden. Die Musik war sehr kontrastreich, so folgten auf ruhige, glasklare Passage, sehr harte „auf die Fresse“-Parts, aber ohne das rhythmusbetonte Rückgrat zu verlieren. Dadurch, dass es vor der Entega Stage nicht mehr so warm war, wurde sich im Publikum durch viel Bewegung aufgewärmt, die Stimmung war wieder einmal (oder immer noch) absolut großartig.

Nach einer Ansage, die sich für Gleichberechtigung und gegen Hass aussprach und dass jeder, der das nicht respektiert, hier falsch sei, betraten Noise for the Voiceless die 2nd Stage. Es sei erwünscht, sich zu bewegen und auszurasten, aber man solle dabei aufeinander aufpassen. Das, das Regenbogenmuster auf der Bassdrum, der „Say their names“-Patch auf der Brust des Sängers und der „Feminist“-Schriftzug auf Top und Hose machten die Gruppe sehr sympathisch. Es wurde sich musikalisch für Transrechte, Minderheiten und Frieden ausgesprochen. Es gab sogar Triggerwarnungen vor einigen Songs, die sensible Themen behandelten. Obwohl es im Vergleich zu den anderen Bands so hochgradig politisch war und auch viele Meinungen vertreten wurden, denen nicht unbedingt jeder zustimmt, kam der Auftritt sehr gut an und die Stimmung war mindestens genauso gut wie bei den anderen Bands, was sehr für das Traffic Jam Publikum sprach.

Der Headliner auf der Entega Stage fiel komplett aus dem Line Up. Während der Tag sehr Core-lastig war, kam nun mit Audio88 & Yassin ein Hip-Hop Duo auf die Bühne. Der Uhrzeit und dem Genre entsprechend war es schon relativ leer, aber die Stimmung unter den Verbleibenden war immer noch ziemlich gut. Einige standen neugierig verhalten im Hintergrund herum. Nach einem sehr langgezogenen Intro zu Who Wants To Live Forever von Queen, was lautstark mitgesungen wurde, trat zunächst der DJ hinter sein Pult und forderte direkt, den Kreis aufzumachen, denn sonst kämen die beiden anderen nicht auf die Bühne. Also gesagt, getan. Studentenrap mit ironischen Texten kommt anscheinend auch beim Traffic Jam Publikum gut an, obwohl es von Yassin auf einer Skala von 1 bis 10 als „hessisch“ verortet wurde. Hessisch, denn sie hätten erst Spaß, wenn sie betrunken seien. Es dauerte eine Weile, aber bald ließen sich auch diejenigen mitnehmen, die anfangs noch unsicher waren, was sie von diesem Duo halten sollten.

Abgesehen von der fragwürdigen Headlinerwahl, war es wirklich ein großartiger Festivaltag bei bestem Wetter mit noch besserer Musik. Das Essen war sehr gut und es hat sehr viel Spaß gemacht, heute hier gewesen zu sein. Das Traffic Jam ist auf jeden Fall einen Besuch wert.

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