Die Bleed Out Tour von Within Temptation zieht die Fans in Frankfurts Jahrhunderthalle – die Schlange der Wartenden erstreckt sich bis zum Parkplatz, bevor der Einlass um 18:30 Uhr offiziell startet. Schon vor der Öffnung sichern sich Fans die besten Plätze, doch VIP-Karteninhaber haben das Privileg eines frühen Zutritts, je nach gebuchtem Paket inklusive Soundcheck.
Aus der Ukraine in die Tour
Blind8 eröffnen den Abend. Die Ukrainer waren für die Tour angekündigt, konnten aber die ersten Shows aus bekannten Gründen nicht spielen. Das Quartett bringt Metalcore auf die Bühne und passt stilistisch deutlich besser zum eigentlichen Support ANNISOKAY. Trotz energiegeladener Performance und markanter Bühnenpräsenz will der Funke nicht ganz aufs Publikum überspringen. Ungewöhnlich: anstelle eines Backdrops schmückt ein QR-Code das Bühnenbild. Blind8 wollen auf die Lage der Bevölkerung in der Ukraine aufmerksam machen und nutzen die Tour, um Spenden zu sammeln.
Setlist: Laniakea // Nightmare // O.K.P. // Overcome the Darkness // Abandoned // Bulletproof
Der heimliche Headliner
Nach einer kurzen Umbaupause von zehn Minuten betreten ANNISOKAY die Bühne. Die LED-Sidedrops hinter Gitarre und Bass und die zurückgesetzte Schlagzeugposition verleihen der Bühne einen kompakten Eindruck. Für viele im Publikum sind sie der eigentliche Headliner des Abends. Schlagzeuger Nico Vaeen erlebt hier seinen letzten Heimauftritt mit der Band. Die Spielfreude der vier Musiker ist unübersehbar, besonders bei Sänger Christoph. Gemeinsam mit Sharon den Adel performt er Like a Parasite, und die Begeisterung ist ihm deutlich anzumerken.
Mit nur 35 Minuten Spielzeit bleibt der Auftritt von ANNISOKAY knapp, aber intensiv. Das Publikum ist begeistert, auch vom Linkin Park-Cover One Step Closer. Ein Circle Pit bleibt jedoch aus, da die Symphonic-Metal-Fans tendenziell ruhiger sind. Nach dem Set folgen Rufe nach einer Zugabe, die Christoph und Nico mit einem Lächeln quittieren. Nico lässt es sich dennoch nicht nehmen, neben dem Band+Publikums-Bild ein persönliches „Abschiedsfoto“ auf der Bühne zu machen.
Setlist: Into the Abyss // Throne of the Sunset // Ultraviolet // Like a Parasite (with Sharon den Adel) // One Step Closer (Linkin Park Cover) // Human // Calamity // STFU
Bleed Out: We go to War
Mit einer kleinen Verspätung geht es um 21:00 Uhr mit Within Temptation los. Wie im Symphonic Metal üblich, beginnt das Konzert mit einem epischen Intro aus dem aktuellen Album: We Go to War. Das Bühnenbild ist diesmal weniger opulent als auf der Tour mit Evanescence. Antike Säulen bilden ein Atrium, in dessen Bögen LED-Leinwände verborgen sind. Zwei gewaltige Kronleuchter flankieren die Bühne und verstärken die düstere Atmosphäre. Die Projektionen auf den Leinwänden spiegeln die Themen der Songs wider und tauchen die Szenerie in intensives Rot – passend zum Titel der Tour: Bleed Out.
Sharon den Adel trägt beim Opener eine kunstvolle Maske, die wie eine Mischung aus Krone und mystischem Kopfschmuck wirkt. Die ersten Songs stammen vom neuen, härteren Album und greifen Themen wie Krieg und Leid auf. Dunkle, abstrakte Visuals auf den Leinwänden unterstreichen die Intensität der Show. Für Shed My Skin gesellt sich, wie auf der Platte, Christoph Wieczorek auf die Bühne. Mit Gitarre am Mikrofon scheint er fast schüchtern – ein ehrlicher Ausdruck von Freude und vielleicht ein Hauch von „this is unreal“ im Gesicht des ANNISOKAY-Sängers.
Die Setlist entfaltet sich als Potpourri aus nahezu allen Alben, in modernem Sound. Jetzt mischen sich Blautöne und Grün in die Farbpalette, was der Szene weiterhin einen getragenen, melancholischen Ausdruck verleiht. Mit The Reckoning beginnt der zweite Block des Abends, in dem Klassiker wie Stand My Ground und The Promise nicht fehlen dürfen. Ruud Jolie zeigt sich an diesem Abend besonders beweglich und übernimmt die Bühnenmitte für ein Gitarrensolo, das die Fans mitreißt. Der zweite Gast des Abends ist Alex Yarmak, und da Raise your Banners durch A Fool’s Parade ersetzt wird, ist die Botschaft klar: gegen Krieg und für die Unterstützung der ukrainischen Bevölkerung. Gemeinsam mit Sharon appelliert Alex an das Publikum, Spenden zu leisten, und der QR-Code vom Anfang der Show erscheint erneut als zentrales Motiv auf der Bühne.
In einem weiteren Höhepunkt übernimmt Stefan beim Gitarrensolo in Faster die Bühne, während Sharon ihm den Platz in der Mitte förmlich überlässt. Paradise (What About Us?) leitet schließlich das Ende des Abends ein – doch wie so oft fehlt die zweite Stimme: Tarja Turunen.
Das Publikum muss nicht lange auf das Finale warten. Ganz in der Tradition von Within Temptation gibt es zum Abschluss drei Songs aus den frühen Alben, und mit Mother Earth findet der Abend sein Ende. Zuvor dankt Sharon den Fans und betont ein letztes Mal, dass die Botschaft ihrer Musik Frieden und Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung ist.
Für Fans – und jene, die es noch werden – ist dies ein beeindruckender Abend. Mit dem neuen, härteren Album und dieser intensiven Show könnten die Niederländer den Thron im Symphonic Metal einnehmen und vielleicht Nightwish ablösen.
Setlist: We Go to War // Bleed Out // Ritual // Shed My Skin (mit Christoph Wieczorek) // Wireless // The Reckoning // Shot in the Dark // Stand My Ground // A Fool’s Parade (mit Alex Yarmak) // The Promise // Supernova // Angels // Faster // Paradise (What About Us?) // Our Solemn Hour // All I Need // Mother Earth
Bericht: Clemens
Bilder: Thomas
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