Festivalbericht M’era Luna 2023 – Sonntag

Den 13.08, einen Sonntag und somit den zweiten Tag des Festivals, eröffneten Dragol, die sowohl stilistisch als auch klanglich an Wardruna oder Heilung erinnern und die zweiten Gewinner des Newcomer-Contest waren. Die deutsche Band setzt auf Geschichten aus alter Zeit und benutzt dementsprechende Instrumente, obwohl sich dann, wie beim ersten Song, mal eine E-Gitarre verirrte. Auch an diesem Tag war trotz der frühen Stunde schon sehr viel los auf dem Infield und vor der Bühne hatte sich eine beachtliche Menge versammelt, die zahlreichen Sitzgelegenheiten waren ziemlich gut besetzt. Währenddessen floss der Sound von Dragol melancholisch über das Gelände und stimmte auf den zweiten Konzerttag ein.

Auf der Club-Stage war die erste Band Blitz Union. Die Tschechen hatten bei der Tour von Subway to Sally schon einige deutsche Bühnen gerockt und mit Sicherheit viele neue Fans gewinnen können. So war es nicht weiter verwunderlich, dass sich eine große Menschentraube vor der Bühne tummelte, die begeistert mitsang und für die frühe Spielzeit voll dabei waren. Der Sänger war in ständiger Bewegung und nutzte die Fläche der Spielstätte komplett aus. In den vorderen Reihen stand keiner still und alle klatschten und sangen begeistert mit.

Währenddessen konnten sich die Freunde des NDH-Genres auf Heldmaschine freuen. Diese, auch bekannt als Rammstein Cover-Band Völkerball, konnten sich in den letzten Jahren einer immer größeren Beliebtheit erfreuen und sind zu einer eigenständigen Größe in ihrem Genre geworden. Natürlich herrschte dadurch reges Treiben vor der Bühne, als die Herren in schwarzen Masken die Szenerie betraten und mit „Guten Morgen M’era Luna, willkommen zu Heldmaschine!“ loslegten, was das Zeug hielt. Im Publikum produzierte jemand fleißig Seifenblasen und es flogen schwarze und orange Luftballons durch die Menge. Der Sänger ließ die Leute mitsingen und klatschen, was diese sich natürlich nicht nehmen ließen. Obwohl noch relativ früh am Morgen, konnte man die Band durchaus als eins der Highlights des Tages nennen.

Manntra ließen es sich nicht nehmen, die ersten Pyros zu zünden und waren sehr erstaunt über die vielen Menschen vor der Bühne, die sich die Kroaten nicht entgehen lassen wollten. Die Jungs waren allerdings in den letzten beiden Jahren nicht ganz untätig und rockten, was das Zeug hielt, quer durch Deutschland. Kaum ein Festivalbesucher kam an Manntra vorbei und man wurde unweigerlich von der Spielfreude und Energie, mit welcher sie auf der Bühne performten, mitgerissen. Der sympathische Mix aus Deutsch und Englisch, den der Sänger innehatte, um die ein oder andere Ansage zwischen den Songs zu bringen, begeisterte das Publikum zusätzlich, was den kurzen, aber prägnanten Auftritt zu einem weiteren Erlebnis machte.

Nun stand Eisfabrik schon in den Startlöchern und auf der Bühne sah es tatsächlich so aus, als befände man sich in einer Eisfabrik. Mit stampfendem Bass ging es los, was die Leute sofort zum begeisterten Applaudieren brachte. In die aufgebaute Maschinenanlage war das Schlagzeug integriert und so wirkte es, als würde die selbige zum Trommeln verwendet. Sowohl beim Bandnamen, als auch bei den Texten, erwartet man nichts außer Kälte, aber den Zuschauern wurde ganz schön eingeheizt. Der eingängige Sound brachte die Leute unweigerlich zum Tanzen und kaum einer konnte sich dem entziehen.

Als Nächstes stand dann ein Urgestein der Schwarzen Szene im neuen Gewand auf der Club-Stage. Chris Pohl, besser bekannt als Frontmann von Terminal Choice oder Mastermind von Blutengel. Er stellte sein neues Projekt She Hates Emotions vor. Der einfache, cleane Sound, der stark an den Postpunk der Achtziger erinnerte, ist natürlich kein Abklatsch seiner anderen Bands, sondern durchaus etwas anders als das, was man sonst erwartet. So geht Chris Pohl musikalisch wieder einmal neue Wege und bleibt der Schwarzen Szene natürlich treu ergeben. Beim Publikum kam es gut an und wieder einmal bewies Chris Pohl, dass er weiß, was er tut.

Gothminister bestachen durch ihre durchdachte Bühnendekoration, so zierte ein großes Skelett die ansonsten schwarze Bühne und auch die Mikrofonständer bestanden aus zahlreichen Knochen. Mit einem Hey und einer Bewegung, welche andeutete, die Hände nach oben zu strecken, betraten Gothminister den Schauplatz und betonten mit „Wonderful to be back“ ihre Freude darüber, mal wieder in Hildesheim auftreten zu können. In ihren Anfangstagen eindeutig elektronischer, sind Gothminister gerade bei Liveauftritten sehr gitarrenbetont, was die inzwischen aufgeheizte Menge ausgesprochen begrüßte und ordentlich am Feiern war. Mit lautem Applaus verließen sie die Bühne.

Mesh kamen als Ersatz für die leider ausgefallenen London After Midnight. Die Briten, die schon des Öfteren auf dem M’era Luna auftraten, konnten sich dennoch über einen gefüllten Platz freuen. Seit einigen Jahren sind Mesh nur noch zu zweit unterwegs, was dem satten Synthpop, den sie liefern, keinen Abbruch tut. Spätestens bei einem ihrer großen Songs You Didn’t Want Me war die Menge in Bewegung, tanzte und sang mit. Der letzte Track, wie sollte es anders sein, war It Scares Me, und so klang ein richtig guter Auftritt aus.

Nun wurde es mit der Letzten Instanz wieder etwas mittelalterlicher, sollte man meinen. Waren sie bei ihrer Gründung Mitte der neunziger Jahre durchaus diesem Genre zuzuordnen, sind sie trotz Geige und Cello aber eher im deutschen Rock angesiedelt. Während bei anderen Bands der Sänger als Letztes die Spielstätte betritt, kam er bei der Letzten Instanz als Erstes und animierte das zahlreiche Publikum vor der Bühne, was natürlich sehr gut ankam. Fast fühlte man sich, als hätte ein Zeitsprung in das Jahr 2000 stattgefunden, als sie hier das erste Mal gespielt hatten. Mit ungebremster Energie, so als wären sie nie gealtert, tanzten und sprangen sie auf der Bühne herum und zogen alle in ihren Bann. Sänger Holly ließ es sich nicht nehmen, zwischen den Fotografen im Graben auf die Absperrung zu steigen, um die Fannähe zu genießen. Mit einem Mix durch die Bandgeschichte war für jeden Zuhörer etwas dabei. So wurde mit Komm ein Song von 1998 performt und auch ein Lied vom letzten Album durfte nicht fehlen, der auch Namensgeber war, Ehrenwort. Die Textsicherheit war beim Publikum bei allen Songs gegeben. So wurde die Letzte Instanz ordentlich gefeiert.

Auch am Sonntag durfte eine große Portion EBM nicht fehlen, diese kam nun mit Frozen Plasma. Trotz ihres Namens folgte keine willkommene Abkühlung in der Hitze des Tages, mehr noch sorgten sie für schweißnasse, begeisterte Tänzer vor der Bühne.


Mit „M’era Luna we are The 69 Eyes, we f*cking love you“, betraten die finnischen Dark-Rocker gut gelaunt den Schauplatz. Bereits 1989 gegründet, haben sie bis 1998 Glam Metal und Sleaze Rock gespielt, bis sie sich dem Dark-Rock zugewendet haben. Diesem Stil sind sie seitdem erfolgreich treu geblieben, was das Publikum begeistert bewies.


Währenddessen standen Ashbury Heights schon in den Startlöchern. Das schwedische Synthie-Pop Projekt von Sänger Anders hat schon einige Höhen und Tiefen hinter sich, auch eine Auflösung hatte es schon gegeben. Aber zur Freude der Fans treten Ashbury Heights nach wie vor auf. Außergewöhnlich, ein bisschen an der Masse vorbei, durchweg elektronisch, kommen die Songs dieses besonderen Projekts daher. Anders steht im weißen Anzug auf der Bühne, die derzeitige Sängerin im schwarzen Catsuit und so ergänzten sie sich wie Yin und Yang.

Peter Heppner (Ex-Wolfsheim) steht in ganz neuem Stil auf der Bühne, aber seine Songs fesseln wie eh und je die Menge, die freudig den Auftritt herbeigesehnt hat. Zwischen seinen Liedern mischt sich immer mal wieder ein Wolfsheim Song mit rein und wie immer folgte ein Dankeschön nach jedem einzelnen Track. Auch holte er mal wieder einen alten Bekannten auf die Bühne und so sangen Peter Heppner und Joachim Witt ihren zweiten Song, den sie zusammen aufgenommen haben, Was bleibt.

Agonoize ließen den Blood Dance beginnen. Harte Texte, die auf harte Beats treffen, serviert mit einer großen Portion Kunstblut. Noch während das Intro lief und Nebelwellen über den Platz wallten, war die Menge in Bewegung, die vollkommen eskalierte, als Sänger Chris die Bühne betrat. Von da an gab es kein Halten mehr in der dichtgedrängten Menschentraube, die sich gebildet hatte. Auch auf der Bühne gab es keinen Stillstand, in ständiger Bewegung nutzte Chris den kompletten Platz, der ihm zur Verfügung stand. Obwohl Agonoize für die großzügige Verwendung von Kunstblut bekannt ist, hielten sie sich die ersten paar Songs damit zurück, was aber wohl auch dem stilistischen Accessoire vom Sänger bei Dein Gott lag, bei dem er mit weißen Flügeln und Dornenkrone den Song performte. Danach kam das Publikum, aber voll auf seine Kosten. So sah man den restlichen Abend immer wieder mal jemanden, der sichtlich den Anschein erweckte, in Kunstblut gebadet zu haben. Immer wieder kam ein Dankeschön von Chris ans Publikum, weil dieses nicht müde wurde, wieder zu klatschen, mitzusingen und nicht mehr aus dem tanzen heraus kam.

Es begann mit Feuer und einem Knall, der über das M’era Luna hallte, um die letzten Leute vor die Bühne zu ziehen. Die Rede ist von Subway to Sally, die in diesem Jahr mal wieder zu Gast waren, um ihre Weisen dem Publikum darzubringen. Mit Was ihr wollt, aus dem neuen Album ging es los, die Menge jubelte und sang begeistert mit. Auch wenn die Temperaturen das Gegenteil sprachen, gab es dennoch unglaublich viele Eisblumen an diesem Abend und eigentlich hätte Eric gar nicht singen müssen, ähnlich wie Hansi Kürsch beim Bard’s Song, musste er nur das Mikrofon halten und ließ die Menge den Refrain einfach alleine singen. Natürlich durfte der Schrei nicht fehlen und schallte aus hunderten Kehlen der Bühne entgegen, brandete und rauschte über die Leute zurück auf das ganze Gelände. Beim Geigensolo von Ally war das Publikum verhältnismäßig still, um dem zauberhaftem Spiel zu lauschen. Zu Tanz auf dem Vulkan spuckte Eric Feuer, was die Zuschauer zu Begeisterungsstürmen veranlasste. Trotz der enormen Masse entstand beim Veitstanz ordentlich Bewegung und niemand konnte an sich halten, während bei Kleid aus Rosen jeder fast schon andächtig mitsang. Den Abschluss bildete, wie sollte es anders sein, Julia und die Räuber. Ein letztes Mal waren die Leute am Eskalieren.

Mit De/Vision kamen nochmal ruhigere Töne auf die Bühne. Seit 1988 machen sie klassischen Synthi-Pop, mit dem sie immer wieder die unzähligen Fans beglücken. Ohne aufwendige Bühnendekoration, überzeugten sie einfach mit Gesang und gelungenen Sound-Arrangements.

Eigentlich sollten Fields of the Nephilim auftreten, aber nachdem diese kurzfristig ausgefallen waren, konnte man Mono Inc. gewinnen. Dadurch, dass technische Probleme auftraten, gab es nur ein verkürztes Intro, mehr als Ich bin der Rabe gab es nicht zu hören. Was die Fans natürlich nicht übel nahmen. Mit Louder than Hell legten Martin und seine Truppe los. Und wie man sich denken konnte, dort wo Mono Inc. auftreten, eskaliert das Publikum sofort. Die kleinen Soundaussetzer, die noch durch das Technikproblem auftraten, gingen im Lärm der Masse fast unter und waren ab dem zweiten Song nicht mehr zu hören. Wie immer beanspruchte Martin die ganze Bühne, er rannte von links nach rechts und wieder zurück, stand mal bei Carl Fornia, dann bei Val Perun und bei Katha Mia. Er animierte die Zuschauer zum Klatschen, was diese sowieso die ganze Zeit taten. Mit Princess of the Night wurde ein neuer Song gespielt. Sehr gewagt war die Coverversion von Leonard Cohens Hallelujah, das auf M’era Luna umgedichtet wurde. Selbstverständlich durfte ein Drum Solo von Katha Mia nicht fehlen und den krönenden Abschluss bildete, wie sollte es anders sein, Children of the Dark, dessen Videoclip größtenteils beim M’era Luna gedreht wurde.

Hocico überraschten beim Intro mit einer folkloristischen Darbietung aus Mexiko, ihrem Heimatland, was sehr ruhig und getragen daher kam, während rechts der Bühne für die Besucher ein letztes Mal die Sonne des M’era Luna 2023 unterging. Dann ging es aber richtig los und die Zuschauer bekamen das typische Hocico Programm auf die Ohren, sind sie doch im Industrial oder Aggrotech beheimatet. Mit sozialkritischen Texten, machen sie auf die Ungerechtigkeiten der Welt, aber insbesondere in Mexiko aufmerksam. Der verzerrte aggressive Gesang in Englisch oder Spanisch fesselte das Publikum, das wieder wie wild am Tanzen war und nach jedem Song frenetisch applaudierte. Weltweit gerechnet hat Hocico in Deutschland die größte Fangemeide, was den Sänger dazu verleitet hat inzwischen hier auch zu leben.