Am Abend des 13.11.25 bebte die Posthalle in Würzburg unter dem Banner der wohl schrägsten Institution der deutschen Musiklandschaft: Knorkator. Schon beim Betreten der Halle lag eine Mischung aus gespannter Erwartung und purer Vorfreude in der Luft. Das Publikum, eine bunte Mischung aus Szene-Veteranen, Neugierigen und eingefleischten Fans, wusste genau, dass dies kein gewöhnlicher Konzertabend werden würde.
Knorkator, die sich selbst als „Deutschlands meiste Band der Welt“ bezeichnen, sind berüchtigt für ihre irrwitzige Mischung aus Metal, Kabarett und experimenteller Performancekunst. Und so war es auch in Würzburg: Die Bühne versprach nicht nur Musik, sondern ein Spektakel, das zwischen brachialem Sound und trockenem Humor pendelte.
Der Auftakt – Chaos trifft Genialität
Zum Aufwärmen wurden über eine tragbare Leinwand Musikvideos abgespielt. Schon bevor die ersten Töne erklangen, war klar: Hier wurde nicht einfach ein Konzert gespielt, hier wurde ein Erlebnis zelebriert, das sich irgendwo zwischen Chaos und Genialität verortete. Das Intro hatte es schon in sich, und es wurde mit einer Kinderstimme die Textzeile „jede Zelle meines Körpers ist glücklich und fühlt sich wohl“ zelebriert. Mit den ersten Keyboardtönen von Alf Ator ging das Konzert mit Das Unheil los.
Alle Musiker waren in Lila gekleidet und Stumpen trug einen Anzug. Er kam tänzerisch und barfuß auf die Bühne und startete den Song. Während des Gesangs und auch in Pausen bewegte er sich roboterhaft über die Bühne. Passend zum Text, der mich persönlich etwas umwarf. Neben mir wurde textsicher jedes Lied gestenreich mitgesungen, und wir standen gebannt da. Nach dem Song erinnerte uns Stumpen daran, dass wir uns auf einer Tanzveranstaltung befanden.
Kabarett trifft Neuen Deutsche Härte
Mit Buchstabe kamen, neben den Einflüssen der Neuen Deutschen Härte, auch die gewohnten kabarettistischen Züge. Wir durften laut mit Stumpen pupsen, ekstatisch anfeuern, headbangen und tanzen. Wer jetzt auf Durchatmen hoffte, irrte: Mit Es kotzt mich an ging es weiter in der wilden Jubiläumsfeier, und Alf Ator kam das erste Mal ans Mikro. Stumpen und Alf Ator brüllten den Songtitel ins Mikro und holten an der passenden Textstelle die (Schwimm)nudel hervor, um sich in den Fotograben, und Buzz Dee, zu schlagen. Schlag auf Schlag ging die Show weiter, und ISMUS wurde für alle nicht textsicheren Fans mit einem Whiteboard hinterlegt.
Spektakel mit Requisiten
Knorkator sind ja nicht nur für ihre Musik bekannt, sondern auch dafür, dass Stumpen gern mal die Hüllen fallen lässt. Bei Halb voll wurde dementsprechend das Sakko abgelegt. Hardcore begann mit den Tönen von Alf Ator und dem Gesang von Stumpen – ein Liebeslied an die tollste Musikrichtung der Welt. Doch plötzlich trug Stumpen einen glitzernden schwarzen Motorradhelm, der wie eine Diskokugel wirkte. Während des Gitarrensolos am Ende des Songs begann Alf Ator, seine Zerstörungswut rauszulassen und zerstörte zwei Keyboards, um am Ende die letzten Töne aus seinem noch verschonten Keyboard erklingen zu lassen.
Während die Bühne von Stage Head Enrico gefegt wurde, versteigerte Stumpen Teile des zerstörten Keyboards und lief mit Kescher und den Teilen über die Bühne. Die Fans feierten die Aktion, und so wurden mehrere Einzelteile verteilt.
Familienpower auf der Bühne
Für den nächsten Song kam erstmals die Backgroundsängerin auf die Bühne: Agnetha, die Tochter von Stumpen. Sie wurde von Tim Tom, dem Sohn von Alf Ator, unterstützt. Beide sangen, Ich verachte Jugendlichr, mit einer stimmlichen Gewalt und mit der passenden Parodie hinten dran. Während des Songs kam dann Stumpen mit Konfettikanone um die Ecke und befeuerte die Kids. Danach folgte ein Solostück von Tim Tom: Böse. Vorher noch im Sopran unterwegs, growlte er jetzt, was das Zeugs hergibt und die Mimik hatte er sich von den Großmeistern Alf Ator und Stumpen abgeguckt. Während des Songs Böse kam Stumpen kurz an die Bühne, ließ seine Hose noch fallen und performte fortan den Rest des Konzerts in goldenen Boxershorts.
Konfetti, Chaos und Emotionen
Wir hatten also schon Dinge zerschmettert, Stumpen lief in Boxershorts über die Bühne und die Kinder sangen. Fein, also fehlte nur noch die Abendmahlzeit, und dann konnten wir lesend ins Bett gehen, oder? Die Abendmahlzeit wurde kurzerhand neben dem Song Extrawurst von Stumpen auf der Bühne kreiert: Rührei, das anschließend zu Jo Jo, einer Besucherin des Konzerts, wechselte. Nur mit Mikro bewaffnet kam das nächste, was man oft über Stumpen las: Er hatte eine gewaltige Sprungkraft und sprang vom Wellenbrecher auf die Bühne. Respekt!
Übrigens, das mit dem „ab ins Bett“ dachte sich auch Stumpen, und so wurde nach der dB-Lautstärke die Anzahl der Songs gemessen. In Würzburg kamen wir auf 15 zusätzliche Songs – und so ging es weiter im genialen Wahnsinn namens Knorkator.
Bei einem Song folgte ein Keyboardsolo von Alf Artor, das Stumpen je nach Applaus mit Konfetti befeuerte. Es war nicht wenig. Bei so viel Einsatz auf der Bühne war auch davor einiges los: Es wurde mitgesungen, getanzt und natürlich Konfettiregen produziert. Bei Eigentum fiel das römische Cape von Alf Artor, das Stumpen brav aufräumte, bevor er – das Mikro zwischen die Oberschenkel pressend – den Keyboardpart übernahm. Natürlich nicht, ohne Grimassen zu schneiden oder Konfetti vom Keyboard zu pusten.
Requisiten und Action
Es herrschte so viel Authentizität auf der Bühne, und was da alles an Requisiten herausgezaubert wurde, war unglaublich. Auch bei Eigentum kam ein Laubbläser mit Konfetti zum Einsatz, sodass die ersten Reihen komplett eingedeckt waren. Schlag auf Schlag ging die Action weiter: Tanzeinlagen, die den Rahmen sprengen würden, und dann Unkraut. Agnetha saß sonst ohne Gesangspart nur lesend auf der Bühne – ein starkes Gegenstück. Bei Unkraut trugen sie und Tim Tom Gartenzwergehüte, während ihre Väter einander mit „Unkrautvernichtungsspray“ in Form von Aqua Spray besprühten.
Liebeslied wurde gemeinsam mit den Fans gesungen, und was passte besser, als danach Fans zu starten? Doch Knorkator wäre nicht Knorkator, wenn nicht vorher etwas angesagt worden wäre. So durfte Bassist Rajko nach vorne kommen und sein Plektrum in die ersten Reihen werfen. Während des Songs sollten wir alle mit stampfen – und das taten wir nur zu gern.
Agnetha und ihr Talent
Mit Weg nach unten stellte Agnetha erneut ihre Gesangskunst vor und zeigte eindeutig das Talent ihres Vaters. Ein großartiger Moment, wie sie das Lied performte. Es wurde sehr persönlich, als der stolze Papa uns fragte, ob wir die Performance toll fanden, und er seine Tochter fragte, ob sie Applaus wolle. Wir alle wollten es – und so bekam sie ihren wohlverdienten Applaus.
Drumsticks und Publikumsnähe
Im Laufe der nächsten Songs wurden noch Drumsticks von Philip geworfen. Es wurde getanzt, Beez Duz liebenswert angefrotzelt, und ach ja – da war ja eine Frau mit Notizheft bewaffnet, die verzweifelt versuchte, nichts zu vergessen, ihre Stimme wiederzufinden und völlig geflasht war. Und was machte Stumpen? Er fragte nicht den hochaktiven Mann neben mir, sondern mich, wie ich das Konzert fand.
Gigantisch, überwältigend, verzweifelnd (wie beschreibt man diese Urgewalt an Performance?) – und was kam heraus? Daumen hoch. Stumpen nahm es dankend an, und aus einem Daumen wurden zwei, die von uns Fans in die Höhe gereckt wurden.
Ende des ersten Parts, zweites Ei und Finale
Mit Warum endete der erste Part des Konzerts – gesanglich von Alf Artos und Agnetha (auf ihrem kleinen Knorkatorpodest) beeindruckend performt. Alle gingen von der Bühne, nur Stumpen blieb auf seinem Stuhl sitzen.
Bei A wurde dann das zweite Ei des Abends gebraten. Wir werden alle sterben setzte Stumpen am Wellenbrecher fort – oder im mimischen und gesanglichen Duell mit Alf Artor. Es war eine wahre Freude, die beiden auf der Bühne zu sehen.
Mit Zähneputzen, pullern, ab ins Bett endete schließlich die grandiose Show. Und ernsthaft: Es gab nichts Besseres gegen den Winterblues als eine Runde Knorkator!
Setlist: Das Unheil//Buchstabe//Es kotzt mich an//ISMUS//Halb Voll//Hardcore//Ich verachte Jugendliche//Böse//Extrawurst//Besonderer Mann//Alter Mann//Eigentum//DMT//Unkraut//Steh auf//Liebeslied//Fans//Weg nach unten//Schmutzfink//Konflikt//Du nich//Warum//A**/Wir werden alle sterben//Zähneputzen, Pullern, ab ins Bett
Bericht: soulcritique
Bilder: Matthias
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