Review: Dagdrøm – Dagdrøm

Review: Dagdrøm – Dagdrøm

Erscheinungsdatum: 18.02.2022

Label: Rising Nemesis Records

Genre: Post-Black Metal

Spieldauer: 14:45

Tracklist:

  1. Schreie
  2. Unschuld
  3. Zelle

Die Corona-Pandemie hat uns schon ein paar vielversprechende Bands geboren, heute richten wir den Blick auf die neue Post-Black Metal-Formation Dagdrøm aus Würzburg. Erst im letzten Jahr gegründet, bringen sie am 18. Februar diesen Jahres ihre erste EP raus, für die bereits das Label Rising Nemesis Records aus dem bayrischen Kleinheubach gefunden wurde. Hier werden sie eine der wenigen Black-Metal-Bands sein, da dieses eher auf Slam, Grindcore und Death Metal ausgerichtet ist und mit Künstlern, wie den Darmstädtern von Bösedeath und Carnal Decay aus der Schweiz, aber auch von weit her mit Maggot Colony aus Taiwan zusammenarbeiten.

Hauptverantwortlich für die Musik von Dagdrøm ist Songwriter, Sänger, Gitarrist und gleichzeitig Basser Max Macharowsky, der den ersten Song Schreie mit Worten aus dem Mund des amerikanischen Serienmörders Edmund Kemper beginnen lässt. Mit dem ersten Scream startet er instrumental mit einer gewissen Schwere, die auf den Hörer einwirkt, doch gleichzeitig sehr energiegeladen ist. Schnell wird anhand der komponierten Riffs klar, dass es sich hier um eine moderne Form des Black Metal handelt, die sich atmosphärisch und gleichzeitig kraftvoll aufzeigt und den Hörer in den folgenden knapp 15 Minuten ordentlich fordern wird. Treibende Drums, eingeschlagen von Oliver Kraus, unter anderem bekannt von Agathodaimon, kombinieren den ganz eigenen Stil in besonderer Art und Weise auch mit melodischen Parts, die das Gesamtkunstwerk des ersten Tracks ausmachen.

Mit den Zeilen „Mutter, zu was hast du mich gemacht?“ entstehen Gänsehautmomente, die in dieser Form, besonders aufgrund einer vielleicht eintretenden Abgestumpftheit durch die Fülle an emotional aufgeladenen Black-Metal-Bands, nochmal ganz speziell zur Geltung kommen, da sie nicht nur sehr gut platziert, sondern eben auch entsprechend authentisch dargeboten werden, was nochmals verstärkt wird, wenn man die Hintergrundgeschichte zu den Lyrics kennt.

In Verbindung mit grandiosen Vocals lässt sich die komplette EP als recht düster bezeichnen, nicht im Sinne von Wald und DSBM, doch im menschlich düsteren Sinne aus ganz eigener Perspektive, was sich mit dem modernen Sound, an dem nicht zuletzt auch ein gewisser Nikita Kamprad von Der Weg einer Freiheit für das Mastering beteiligt war, und Stil in einer sehr interessanten Umsetzung zeigt. Das Ende des ersten Aktes wird wieder mit Worten von Kemper belegt, es ist schlicht gruselig, wie hier der menschliche Horror aufgezeigt wird, der sich Lebensrealität nennt.

Dies verhält sich genau so auch im zweiten Song Unschuld, der ebenso zeigt, wie sich ernste Atmosphäre mit technisch anspruchsvollen Riffs verbinden lässt, die teilweise zur Bewegung anregen. Dafür mitverantwortlich: Seb Sellinger, der wie alle Beteiligten keinen Zweifel daran lässt, dass hier mehr als nur gute Musiker am Werke waren. Die Ausflüge in den Gitarren sind hervorzuheben, weil sie in Sound und Kombinationen der Kompositionen, seien es nun cleane, verzerrte oder gar Leadparts, ein Potential aufzeigen, dass sich nach nur wenigen Minuten die Ungeduld auf weiteres Material aufzwängt.

Auch der letzte Song Zelle bleibt der Idee des Debüts gerecht, gestaltet sich atmosphärisch, melodisch und anspruchsvoll und neigt schon fast zu einem spaßigen Genuss der Musik. Fast ginge die Düsternis der Scheibe verloren in der verspielten Art, wären da nicht die Texte, die sie beibehalten. Am Ende wird also nochmal ordentlich reingehauen, was den Hörer unter Umständen definitiv vollkommen fertig und aufgewühlt zurücklassen kann.

Schweiß und Herzrasen sind das Ergebnis einer EP, die in besonderer Weise einen Einblick in die Abgründe und die lebende Pein des menschlichen Daseins gewährt. Allein das macht dieses Debüt schon sehr beeindruckend, welches vielen mittlerweile großen Bands in dieser Form zu Anfang noch nicht gelungen ist. Es ist, vielleicht gerade im Black Metal, eine ganz eigene Kunst, ein Release zu schaffen, das in so viele Situationen gleichzeitig passen kann. Trauer, Wut, Leere und doch ein Hauch von gutem Gefühl, Verspieltheit und Offenheit. Wenn es um Potential, und gleichzeitig um hohe Erwartungen für eine weitere Veröffentlichung geht, dann lässt sich für dieses Projekt getrost eine Hand ins Feuer legen. Augen und Ohren bleiben offen, wir dürfen gespannt sein.

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