Festivalbericht: Mahlstrom Open Air 2025 – Freitag

Matthias Funcke

Am ersten vollständigen Festivaltag, dem Freitag, wurde den Besuchern des Mahlstrom Open Air 2025 viel geboten. Von melodisch-modernem Metal, über Folk- und Death Metal, bis hin zu atmosphärischem und anregendem Black Metal war das Programm sehr vielfältig und hielt für jeden etwas bereit, dass sie oder ihn begeistern kann. Trotz großer Hitze und anstrengender Sonneneinstrahlung trotzten alle Beteiligten den Wetterbedingungen, um den Tag zu einem rundum gelungenen Erlebnis zu machen.

Ferndal

Mit einem epischen Intro samt Fackeln, Cello und einem Orgelspiel „aus der Box“ läuteten die Melodic Black Metaller von Ferndal den Freitag des diesjährigen Mahlstrom Open Air ein. Was vielversprechend begann, wurde vom ersten Akkord an erfüllt. Der Verzicht auf hochfrequente Ansagen oder übertriebene Show-Elemente (lediglich wohldosierter Nebel aus den klassischen Mahlstrom-Schädeln mit ihren LED-Augen rahmte die Bühne ein) erschien dabei sinnvoll und stimmig, gab er der Musik doch den Raum, sich in ihrer ganzen atmosphärischen Dichte zu entfalten. Harmonisch und melodisch, stellenweise auch melancholisch bis beinahe heroisch, dabei aber nie mit plattem Pathos, stets mit Tiefgang und teilweise ordentlichen Windir-Vibes.  Insgesamt ein großartiger Einstieg in den ersten kompletten Festivaltag, an dem auch die frühe Uhrzeit und Hitze nichts ändern konnten.

Setlist: Ouverture // Weltenbrände // Ferndal // Distanz // Uncrowned // Ein später Gast

Kalt

Zum Mahlstrom Open Air passt ebenso, dass auch kleine Bands ihre Bühne bekommen. So geschehen mit Kalt aus Siegen, die sich im Spektrum des Post-Black Metals bewegen. Nun scheinen Bands dieses Subgenres in letzter Zeit aus dem Boden zu schießen und der moderne Stil und Sound, der erst mal vom aus „klassischerem“ Black Metal Gewohnten abweicht, hat durchaus Potenzial, zu polarisieren. Auch Kalt mögen vielleicht nicht das Highlight eines jeden einzelnen Festivalbesuchers gewesen sein, doch ein signifikanter Anteil, der sich trotz der sengenden Hitze (gegen die leider auch Hypothermie nicht half) vor die Bühne bewegt hatte, war sichtlich emotional berührt und mitgerissen. Durchaus verständlich meiner Ansicht nach, denn Kalt brachten eine Leidenschaft und Authentizität auf die Bühne, die beeindruckend war. Wenn Sänger Daniel schrie, dann schrie er, mit brachialer und ungeschönter Emotionalität; wenn’s musikalisch schepperte, dann schepperte es; alles kontrapunktiert mit Samples und sanfteren, aber nicht weniger intensiven musikalischen Momenten.

Derartige emotionale Tiefe und Energie live erschaffen, und allein durch Musik und Bühnenpräsenz auf das Publikum übertragen zu können, ist eine seltene, doch auf Kalt zutreffende Fähigkeit.  Wir sind gespannt, was wir von der Band noch hören und sehen werden.

Setlist: Bilder // Sterblichkeit // M.O.L. // Hypothermie // Zerfressen // Geschafft // Trauma // Wir sind Angst

Vera Lux

Im Kontrast zu den ersten beiden Bands stehen Vera Lux, die mit ihrem Folk Metal im wahrsten Sinne des Wortes das musikalische Programm wieder erhellten. Mit Geige, Drehleier und Sackpfeife, aktiver Publikumsinteraktion, eingängigen Melodien und Inaras ebenso klarem wie kraftvollem Gesang konnten die Nürnberger die Besucher begeistern. Rein musikalisch vielleicht nichts, was man nicht schon mal gesehen hätte – macht aber nichts. Das, was Vera Lux machen, machen sie sehr gut, mit Hingabe und mit Texten, die vielleicht nicht immer frei von Pathos, dafür aber auch nicht von Inhalt sind. Gerade letzteres hebt die Band angenehm vom Sauf- und Partymetal ab, dessen Schatten sich bedrohlich über so mancher Hirnlandschaft erhebt, wenn’s musikalisch tanz- und Feierbar wird. Und dann war da ja noch die Pyroshow in Form von Funken spuckenden Fontänen. Nett anzusehen, wie die komplette Show.

Setlist: Insomnia // Eiskalt // Himmelhoch // Königin der Nacht // Aus der Asche // Das Spiel // Verblasste Bilder // Labyrinth // Zombies // Maskenball

Guerilla Fist

Die Hitze nahm weiter zu, Tendenz extrem bis infernalisch. Da hätte man wirklich rasend werden können, wenn es die Energie zugelassen hätte. Gelegenheit, aufgestauten Sonnenhass und Sommeraggressionen gemeinschaftlich zu entladen, lieferten dann zum Glück Guerilla Fist aus dem nahe gelegenen Limburg. Keine Show, kein Intro, einfach: auf die Bühne und Abriss.  Die Band lieferte eine astreine Kombination aus Thrash, Death und Groove, tief gestimmte Saiten und dem gesanglichen Äquivalent zum Faustschlag direkt auf die Fresse. „Mitreißend“ ist eigentlich ein zu zärtliches Wort für die explosive Dampfwalzen-Energie, die sich aufs Publikum entfaltete. Bereits zu Chaos World zeigten sich erste Ansätze eines Circle Pits, der sich wohl nur aufgrund des extremen Wetters nicht komplett entfaltete. Ordentlich gemosht wurde dennoch, nur für die Wall of Death war’s dann wohl doch zu warm.

Besonders erwähnenswert erscheinen uns auch Guerilla Fists (deutliche) Lyrics politischer und gesellschaftskritischer Natur – hier wurde eine brachiale Klanglandschaft geboten, die die nicht nur zum Moshen, sondern auch zum Widerstand anregte. Musikalisch ließ sich der Süd-/ Lateinamerikanische Einfluss nicht leugnen; passend dazu bildete ein Cover von Sepulturas Roots Bloody Roots, von den entsprechenden Fans mit Begeisterung aufgenommen, den Abschluss dieses im besten Sinne brutalen, authentischen Auftritts.

Setlist: Religion // Chaos World // Damed Forever // Fuck you Bastards // Black Desert // You Can’t Judge Me // Hatred // Dark Future // Territory // Roots Bloody Roots (Sepultura-Cover)

Dostulata

Chopins Marche funèbre im Intro, zwei Gründungsmitglieder der Apokalyptischen Reiter an Schlagzeug (Skelleton), bzw. Keyboard (Dr. Pest), und das erklärte Ziel, den ersten drei Reiter-Alben wieder neues Leben einzuhauchen und sie live zu zelebrieren. Erster Gedanke, als die Band die Bühne betrat: Jo, das wird geiler Scheiß!

Und, ganz kurz und knapp: Das war es auch. Dostulata lieferten jenen wohldosiert melodischen Death Metal, den Fans der frühen Reiter schätzen, mit maximaler musikalischer Professionalität und Bühnenpräsenz. Sänger Sören (ebenfalls bei Disaster K.F.W. vertreten, wie auch der Großteil der anderen Bandmitglieder) zeigte sich dabei als Rampensau im besten Sinn und verstand es, auch ohne großen Aufwand die Aufmerksamkeit des Publikums zu bannen. Das ließ sich bereitwillig mitziehen – die bereits zu Beginn wirklich vorzeigbare Menge vor der Bühne wurde mit der Zeit noch dichter, und sogar die Haare flogen.  Als „Ein Stück fürs Holzbein zum Mithüpfen“ wurde March of Revenge angekündigt, und tatsächlich wurde, zumindest vereinzelt, auch mitgehüpft. So prügelte man sich munter durchs Set. „Auf einfachen Wunsch“ aus dem Publikum gespielt, aber von definitiv mehr als einem Fan gefeiert wurde Unter der Asche, und bei Metal Will Never Die wurde das letzte Wort mit Elan vom Publikum zurück geschmettert. Ihren Höhepunkt erreichte die Stimmung vor der Bühne schließlich bei Dschinghis Khan, bevor mit Sometimes („Kennt wieder keiner“ – Sören) das Set endete. Schön war’s, hat Spaß gemacht und Bewegung reingebracht, obwohl wir eigentlich schon längst von der Sonne hätten festgebacken sein müssen. Gerne wieder!

Setlist: The Smell of Death // Vader // Gone // Instinct // Iron Fist // Via Regia 1987 // Winter Gales // March of Revenge // Licked By The Tongues of Pride // Geopfert // Unter der Asche // Dostulata // Metal Will Never Die // Dschinghis Khan // Sometimes

Thormesis

Ein besonderes und vor allem emotional ergreifendes Highlight war für uns der Auftritt von Thormesis aus Rothenburg o. d. Tauber. Atmosphärischer Black Metal lebt von seiner musikalischen Tiefe und den intensiven Affekten, die aus dieser emporsteigen können. Bereits bei Cold and Soundless zeigte sich, dass Thormesis es wie wenige andere verstehen, diesen Weg ins Innerliche auf- und dabei ihr Publikum mitzureißen.  Zu sehen gab es dabei für Fans barocker Bühneninszenierungen und komplexer Showeinlagen wohl nicht so viel, was bei derart raumgreifender Musik und Bühnenpräsenz aber auch kein Nachteil sein muss.

Die schnörkellose Authentizität und Hingabe, mit der hier gespielt und geschrien wurde, wurde mit entsprechender Begeisterung durchs Publikum gewürdigt, wie die Menge vor der Bühne mit Applaus und erhobenen Fäusten immer wieder zeigte. Schönerweise feierte auch ein neuer Song Live-Premiere: Am Morgen, wenn die Sonne untergeht, vom anstehenden neuen Album.

Ein wirklich besonderer, sehr intensiver Auftritt, der die Bezeichnung „ergreifend“ würdig verdient hat.

Setlist: Cold and Soundless // Elusive // Nosce Te Ipsum // Still the Claim // Falling Depth // Sonnen // Am Morgen, wenn die Sonne untergeht // Sterbend Herz // You are the Parting

Groza

Atmosphärisch, energiegeladen, melodisch – das sind Groza, an denen im deutschen Black Metal kaum noch ein Weg vorbeiführt. Wie immer kommen sie ohne großes Tamtam aus, verbinden fragile und erhärtete Emotionalität miteinander und bleiben dabei ihrem Stil treu. Auch wenn die Gestalten aus Bayern auf dem diesjährigen Mahlstrom ungewohnt gesprächig waren, so zeigte sich, dass gute Musik wenig (außermusikalischen) Aufwand benötigt. Als Co-Headliner des Tages konnten sie gewohnt harmonisch und überzeugend in die besagte Kerbe schlagen, bevor die Gefahr besteht, dass die Laune besser werden könnte. Ein Name, der für Qualität steht – im Studio und auf der Bühne. Von daher gab es keine musikalischen Überraschungen, doch einen starken Auftritt der schwarz umhüllten Musiker, die instrumental, wie auch gesanglich nicht nur Energie und Atmosphäre versprühten, sondern ebenso mit- und untereinander harmonierten, was das Gesamtkonzept Groza mal wieder zu einem großartigen Erlebnis machte.

Rotting Christ

Der erste komplette Tag des Mahlstrom Open Air wurde abgeschlossen durch eine Band, die während ihres knapp 40-jähriges Bestehens jede Menge Einfluss, Inspiration und Begeisterung in allen Generationen des Black Metals hinterlassen hat. Auch, wenn man sie oft live sehen kann, so ist es mit Rotting Christ immer wieder ein Erlebnis. Nach wie vor hämmern die Griechen ihr Programm mit solch einer Kraft und Überzeugung von der Bühne, von der sich so manch andere Band noch etwas abgucken könnte. Dargeboten wurden nicht nur Klassiker wie Non Serviam oder Societas Satanas (orig. von Thou Art Lord), sondern natürlich auch Stücke vom aktuellen Album Pro Xristou. Daher besteht auch hier kein Grund zur Langeweile, die Abwechslung und Variabilität von Rotting Christ schlägt sich nieder in eben solchen Songs wie Like Father, like Son mit neuer, brachialer Energie auf der einen und melodischen Lieblingen wie Triarchy of the Lost Lovers auf der anderen Seite. Das Publikum wurde durch Frontmann Sakis Tolis und seine Mitmusiker immer wieder neu angefacht, durch Ansprachen und eben ihre hellenische Interpretation des Black Metal selbst. Die Stimmung war bestens, das Infield gefüllt und das Bier floss. Alles was man braucht für einen gelungenen Abend zum Ausklang des Freitags auf dem Mahlstrom Open Air.

After Show-Weihnachtsfeier

Klingt erst mal komisch, ist aber so: Die Aftershow Party stand an diesem Tag, wie für den Freitag auf dem Mahlstrom üblich, unter dem Motto einer Weihnachtsfeier, samt Kostümen und Glühwein. Nicht unbedingt das, was man standardmäßig auf einem von der Sonne regelrecht heimgesuchten und bis hierhin vor allem von Black, Death und Folk Metal dominierten Festival erwartet hätte, auf dem Mahlstrom aber zum wiederholten Mal der Fall und für viele Besucher:innen anscheinend auch ziemlich spaßig.

Bericht: Michi, Tanja
Bilder: Matthias, Roksana

 

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