
Der erste Tag des Rockharz 2025 empfing seine Besucher nicht etwa mit einem sanften Auftakt, sondern mit einem echten Hitzeschock: Über 30 Grad brannte die Sonne erbarmungslos auf das staubige Infield nieder. Doch wer dachte, dass das Festival mit angezogener Handbremse starten würde, der hatte sich gewaltig geirrt. Stattdessen wurde von der ersten Minute an gefeiert, getanzt, gepogt und geschwitzt. Kühle Getränke, Schattenplätze und Wasserschläuche der Grabenschlampen waren heiß begehrt, doch die Hitze konnte die Vorfreude auf die ersten Bands nicht schmälern. Es war Mittwoch, der 2. Juli – und das Rockharz brannte, sprichwörtlich.
Excrementory Grindfuckers – Möwen, Moshpits und musikalischer Irrsinn
Schon zum Auftakt wurde deutlich: Das Rockharz meint es ernst. Tausende Festivalbesucher drängten sich trotz der Gluthitze vor der Bühne, um gemeinsam mit den Excrementory Grindfuckers in den Wahnsinn zu starten. Während der Sänger etwas verwirrt von Möwen im Harz sprach – deren Existenz dort weiterhin ungeklärt bleibt – erzeugte der tobende Circle Pit vor der Bühne zumindest eine ordentliche Brise. Die Crowd zeigte sich von der Hitze unbeeindruckt und drehte vom ersten Moment an komplett durch.
Musikalisch war der Auftritt ein Sturm aus Chaos und Energie: Brachialer Grindcore wechselte sich im Sekundentakt mit Techno-Beats, Disko-Geklimper und absurden Genre-Ausflügen ab. Kurze Ansagen, und ein humorvoller Dauerbeschuss an Songs – und das exakt 35 Minuten lang. Mit diesem bizarren, aber mitreißenden Auftritt legten sie den Grundstein für eine Festivalwoche der Extreme.
Von Nordmeer bis Drachenfeuer – Týr, April Art, Primal Fear & Rhapsody of Fire
Kaum verklang der letzte Ton Grind, segelte mit Týr der nächste Sturm auf das Publikum zu. Die Wikinger von den Färöer Inseln kehrten nach über einem Jahrzehnt auf die Rockharz-Bühne zurück – und wie! Epische Melodien, heldenhafter Gesang und nordische Kampfeslust entfachten eine Atmosphäre wie bei einem musikalischen Raubzug. Die Menge erhob im Takt der Schlachtengesänge die Fäuste gen Himmel – ein monumentaler Moment in der Nachmittagshitze.
Danach übernahm April Art das Zepter – in feurigen Outfits aus Rot und Schwarz und mit einer Bühnenshow, die keine Wünsche offenließ. Die Grabenschlampen spritzten Wasser mit einem Schlauch in die vorderen Reihen, während eine Schneekanone zur improvisierten Wasserschleuder umfunktioniert wurde. Feuersäulen schossen in die Höhe, rote Ballons hüpften durch das Publikum und der Bewegungsdrang wurde durch kraftvolle Songs und klare Ansagen ordentlich angeheizt. Zum krönenden Abschluss gab es ein Cover von Master of Puppets, das nochmal alles aus der Menge herauskitzelte.
Primal Fear knüpften nahtlos an: Als langjährige Gäste des Rockharz fühlte sich die Truppe um Sänger Ralf Scheppers sichtlich zu Hause und lieferten eine gewohnt starke Show im Zeichen des klassischen Heavy Metal. Satte Riffs, eingängige Refrains und ein sympathischer Auftritt – das Publikum zeigte sich begeistert.
Mit einiger Verspätung (fast 20 Minuten) kamen schließlich Rhapsody of Fire auf die Bühne. Doch das Warten lohnte sich: In gleißendem Sonnenlicht, mit wehender Mähne an der Bühnenkante, intonierte der Sänger seine hoch melodischen Gesänge, begleitet von rasanten Riffs und orchestralen Klanglandschaften. Trotz Verzögerung entwickelte sich der Auftritt zu einem der epischsten Momente des Tages.
Zwischen Schatten und Stahl – Insomnium, Dark Tranquillity & Clawfinger
Als sich die Sonne langsam dem Horizont näherte, wurde es musikalisch düsterer – Insomnium betraten die Bühne. Die finnischen Meister des Melodic Death Metal erhöhten spürbar den Härtegrad, ohne auf emotionale Tiefe zu verzichten. Ihr Auftritt war ein perfekter Balanceakt zwischen melancholischer Atmosphäre und brutaler Wucht. Besonders bewegend war ein Moment, als weiblicher Gesang eingespielt wurde: In stiller Ehrfurcht reckten hunderte Menschen ihre Fäuste gen Himmel – nur um sich im nächsten Augenblick beim ersten Schlag auf die Drums wieder in wilden Bewegungen zu verlieren.
Dark Tranquillity führten die düstere Reise fort. Mit einer Rakete auf dem Bühnenbanner, waberndem Nebel und flackernden Lichtern wirkte ihr Auftritt fast spacig – wie ein Flug durch dunkle Galaxien. Dabei war es vor allem das Keyboard, das den Klangkosmos der Schweden erweiterte und dem Set seine ganz eigene Note verlieh. Soundtechnisch punktgenau, atmosphärisch dicht – Dark Tranquillity überzeugten auf ganzer Linie.
Die letzte Band vor den Headlinern war Clawfinger . Ihr Opening dürfte als eines der originellsten des gesamten Festivals in Erinnerung bleiben: Ein leicht verändertes Cover des ikonischen James Bond – Goldfinger-Themes hallte über das Infield. Danach gab es keine Verschnaufpause mehr: Harte Riffs, treibende Beats und markanter Rap verschmolzen zu einem wuchtigen Klanggewitter, das Genregrenzen ignorierte. Ihr Auftritt wurde mit tosendem Beifall quittiert und der Sänger gab uns noch den freundlichen Rat auf den Weg, mehr Wasser zu trinken.
Klassik trifft Kult trifft Trash – Der krönende Abschluss mit Apocalyptica, Saxon & Soulfly
Als die Dämmerung über das Rockharz-Festivalgelände hereinbrach, gehörte die Bühne drei Cellos und einem Schlagzeug: Apocalyptica eröffneten den finalen Akt des Tages mit einer kraftvollen Hommage an Metallica. Das komplette Set bestand ausschließlich aus Coverversionen der Metal-Giganten – doch statt Gitarrenriffs dominierten gestrichene Saiten, die sich in einem klanglichen Sturm entluden. Während die Temperaturen langsam auf ein erträgliches Maß sanken und der Wind über das Infield zog, wirkte es, als wolle auch das Wetter dem Auftritt Respekt zollen. Die Band selbst spielte wie entfesselt – die Cellomelodien jagten hektisch und treibend durch die Menge, nur unterbrochen von wenigen, ruhigen Ansagen, die dem Publikum eine kurze Atempause verschafften.
Mit Saxon folgte anschließend ein wahrer Titan des klassischen Heavy Metal. Die britische Legende aus der Ära der New Wave of British Heavy Metal war nicht nur ein besonderes Highlight, sondern dieses Jahr leider auch ein seltenes: Der Sänger stand kurz vor einer Operation, weshalb dies der einzige Festivalauftritt des Jahres war. Tausende Rockfans strömten bis weit hinter den Soundturm, um diese einmalige Gelegenheit nicht zu verpassen. Die Energie war elektrisierend: Mähnen flogen durch die Luft, Fäuste reckten sich in den Himmel und die Texte wurden lautstark mit gegrölt. Saxon bewiesen, warum sie bis heute zur Speerspitze des klassischen Metal gehören – ein bombastisches Live-Erlebnis, das den Höhepunkt des Abends markierte.
Doch der Tag war noch nicht zu Ende: Soulfly sorgten als Afterheadliner dafür, dass der Mittwoch mit einem Donnerschlag endete. Frontmann Max Cavalera ließ sich nicht lange bitten und forderte direkt zu Beginn zum Springen auf – eine Einladung, der dutzende Festivalbesucher sofort folgten. Mit messerscharfen Riffs, aggressiven Vocals und einem regelrechten Trommelgewitter rissen Soulfly das Infield noch einmal komplett mit. Der erste größere Moshpit seit den Grindfuckers tobte vor der Bühne, und auch die ersten Crowdsurfer wurden über die Menge getragen. Es war ein Finale voller Adrenalin – laut, brutal und kompromisslos.
Fazit: Ein Festivalauftakt mit Donnerhall
Der Mittwoch auf dem Rockharz Open Air 2025 war ein Auftakt wie aus dem Bilderbuch – heiß, laut und voller Energie. Mit 11 Bands auf 2 Bühnen wurde auch direkt eine Menge geboten. Von humorvollem Chaos über epische Klanglandschaften bis hin zu brachialem Metal-Gewitter. Die Vielfalt des Line-ups spiegelte sich in der Euphorie des Publikums wider. Trotz sengender Hitze am Tag und heftigem Wind am Abend wurde gefeiert, als gäbe es kein Morgen. Und dabei war es gerade erst der Anfang.
Bericht: Maximilian
Bilder: Roksana
Mehr zum diesjährigen Rockharz Open Air findet ihr hier:
Frühere Beiträge zum Rockharz Open Air findet ihr hier:
- Interview mit dem Künstler und Musiker Björn Gooßes („Killustrations“)
- Festivalbericht Rockharz Open Air 2024, Samstag den 06.07.2024
- Bericht: Rockharz Open Air 2024, Freitag den 05.07.2024
- Bericht Rockharz Open Air 2024, Donnerstag den 04.07.2024
- Bericht: Rockharz Open Air 2024, Mittwoch den 03.07.2024
- Festivalbericht: Rockharz Samstag, 08.07.2023
- Festivalbericht: Rockharz Freitag, 07.07.2023
- Festivalbericht: Rockharz Donnerstag, 06.07.2023
- Festivalbericht: Mittwoch auf dem Rockharz Open Air (05.07.2023)
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