
Der Freitag, 04. Juli 2025 – Tag drei auf dem Rockharz, und das Wetter hätte nicht besser sein können. Vom ersten Morgenkaffee an begleitete strahlender Sonnenschein die knapp über 20.000 Besucherinnen und Besucher am Fuße der Teufelsmauer. Bei Temperaturen um die 25 Grad war es das ideale Festivalwetter: warm genug für kurze Hosen, aber nicht heiß genug, um in der Sonne zu zerfließen – und perfekt, um zur Musik zu feiern, zu tanzen und mit Freund*innen auf ein kühles Getränk anzustoßen. Und denkt dran: Es muss nicht immer Bier sein – gönnt euch bitte auch mal einen Schluck Wasser. Eure Leber (und der restliche Körper) werden es euch danken.
Auch an diesem Tag standen wieder 16 Bands auf dem Programm – von melodischem Death Metal über Folk-Punk bis hin zu rituellem Black Metal war erneut alles vertreten. Wir waren natürlich mit Stift, Kamera und gespitzten Ohren unterwegs, um euch von den Höhepunkten, Überraschungen und eindrucksvollsten Momenten des Freitags zu berichten.
Seasons in Black – Frühschicht mit Gänsehautmoment
Wer pünktlich um 11:20 Uhr schon vor der Bühne stand, wurde mit einem echten Wachmacher belohnt: Seasons in Black eröffneten den Tag mit einem epischen Intro und der prägnanten Frage: „Seid ihr stabil, Rockharz?“ – und genau das war der Startschuss für die krachenden ersten 30 Minuten dieses Tages. Die fünf Musiker, die bereits seit über 30 Jahren gemeinsam unterwegs sind, lieferten eine kraftvolle, routinierte Show mit viel Spielfreude und einem druckvollen Sound, der die noch leicht verschlafene Crowd direkt in Schwung brachte.
Als kleine Überraschung hatten sie für die ersten 300 Frühaufsteher*innen ein ganz besonderes Geschenk im Gepäck: Passend zum Auftritt wurde ihr brandneues Album veröffentlicht – und der Release lag auf diesem Tag. Eine schöne Geste an die treuen Fans, die schon in der Mittagssonne vor der Bühne ausharrten.
Einen besonderen Moment gab es, als Markus Neumeier an seiner Keytar einen klassischen Einschub wagte: Tschaikowskys Schwanensee auf einem Festival? Warum nicht! Zwischen Growls und Gitarrengewitter brachte die kurze Melodiesequenz tatsächlich Gänsehaut – bevor es wieder kompromisslos metallisch weiterging. Mit Festivalauftritten auf dem Wacken, Summer Breeze und natürlich hier beim Rockharz zeigen Seasons in Black eindrucksvoll, dass Erfahrung, Leidenschaft und ein Faible für das Ungewöhnliche noch lange nicht ausgedient haben.
Von nordischer Kühle bis Dinowahnsinn: Arctis, Defects & Harpyie
Arctis – was für ein Name, was für eine Kulisse! Mit einem riesigen Banner, das einen zerklüfteten Eisberg zeigte, und in Weiß gekleidet, brachte die Sängerin der finnischen Band arktische Kühle auf das sonnengeflutete Gelände. Doch trotz des Namens ließ die Band musikalisch nichts einfrieren: Mit energiegeladenem Metal und einer überaus agilen Frontfrau, die unermüdlich über die Bühne tanzte, entstand eine faszinierende Mischung aus kalter Ästhetik und heißem Drive. Wer Arctis noch nicht kannte, dürfte sich spätestens jetzt für einen tieferen Tauchgang in ihre Diskografie entschieden haben.
Ganz anders und direkt auf die Zwölf ging es bei Defects zur Sache. Die britische Band brachte eine wuchtige Portion modernen Metalcore auf die Bühne. Keine Atempause, keine Gnade – dafür präzise Breakdowns, aggressive Shouts und ein Sound, der die Mittagshitze förmlich zerschmetterte. Besonders denkwürdig wurde der Auftritt, als die Band einen Circle Pit einforderte – und plötzlich drei wagemutige Personen in aufblasbaren Dino-Kostümen in der staubige Arena standen, während das Publikum begeistert ausflippte. Ein Moment zwischen brutalem Metal und absurdem Spaß, wie ihn nur ein Festival wie das Rockharz hervorbringen kann.
Zum Durchatmen – zumindest musikalisch – folgten danach Harpyie. Die Mittelalter-Rocker bewiesen einmal mehr, dass Drehleier, E-Gitarre und moderne Arrangements eine überraschend eingängige Verbindung eingehen können. Mit rockigen, teilweise folkigen Riffs und Songs über das Tanzen, die Liebe und allerlei Maiden, brachten sie Leichtigkeit und Schmunzeln ins Nachmittagsprogramm. Zwischen Klischees und Augenzwinkern spielten sich Harpyie gekonnt durch ihre Setlist und sorgten für viel Bewegung vor der Bühne – allerdings diesmal eher tanzend als moshend. Eine willkommene Abwechslung nach dem Core-Gewitter zuvor.
Farben, Feuer, Finsternis – Aephanemer zwischen Wildheit und Eleganz
Aephanemer waren eines dieser Konzerterlebnisse, bei denen man schon beim Bühnenbild spürt: Hier geschieht gleich etwas Besonderes. Im Rücken der französischen Formation thronte ein beeindruckendes Banner – ein surreal gestalteter Keiler in Blau und Gelb, fast wie aus einem Jugendstiltraum. Dieses Symbol wachte stumm über den Auftritt, der sich rasch zu einem der atmosphärischen Höhepunkte des Tages entwickelte. Aephanemer entfalteten ihren Melodic Death Metal wie ein sorgfältig komponiertes Gemälde aus Klang und Kontrast: donnernde Drums, sägende Gitarren und dann – plötzlich – weite, epische Klangflächen, die wie Nebelschwaden über das Infield zogen.
Besonders fesselnd war der Gesang: Die kratzigen Screams der Frontfrau, voller Schmerz und Leidenschaft, vermischten sich mit operettenhaften Passagen, die wie aus einer anderen Welt klangen. Statt einander zu verdrängen, ergänzten sich diese Elemente – Licht und Schatten im ständigen Wechselspiel. Aephanemer verstanden es meisterhaft, Härte mit Anmut zu verbinden, und ihre organischen Tempowechsel sorgten für eine permanente Spannung. Man wusste nie, wann der nächste Ausbruch kam – oder die nächste melodische Umarmung. Für alle, die mehr als nur Geballer suchten, war dieser Auftritt eine Offenbarung. Für mich persönlich: eines der Highlights des gesamten Rockharz 2025.
Vierfacher Abriss: Death, Power und Core unter der Teufelsmauer
Mit Deserted Fear begann eine gewaltige Viererreihe, die kaum Luft zum Atmen ließ. Ihr Auftritt startete fast schon trügerisch schön: kraftvolle Clean Vocals, hymnische Gitarrenriffs – ein Hauch von weittragender Epik in der Luft. Doch kaum hatte man sich in dieser Idylle eingerichtet, brach auch schon der Death Metal-Hammer über das Gelände herein. Plötzlich war es vorbei mit dem Frieden – Nackenmuskeln wurden auf Hochleistung getrimmt und im Moshpit tobten die Massen wie entfesselte Barbaren. Unter der gnadenlosen Sonne wurde das erste Massaker des Nachmittags vollzogen – mit Präzision und brachialer Leidenschaft.
Doch bevor man überhaupt verschnaufen konnte, wurde gleich die zweite Kanone gezündet: Vader! Die polnischen Death Metal-Veteranen rissen das Gaspedal durch und lieferten ein Set voller rasender Blastbeats, messerscharfer Thrash-Riffs und donnernder Growls. Im Vergleich zu Deserted Fear setzten Vader stärker auf Tempo und Aggression – wie ein rostiger Kettenhund, der endlich losgelassen wurde. Der Sound war kompromisslos: stahlhart, schnell, sägend. Kein Schnickschnack, kein Firlefanz – nur purer, bitterkalter Death/Thrash aus Osteuropa. Und die Menge? Die feierte das mit wehenden Haaren und gereckten Fäusten.
Ein abrupter, aber willkommener Stimmungswechsel folgte mit Draconian. Jahrelang versucht, immer wieder gescheitert – doch nun endlich: 2025 wurde der Draconian-Fluch gebrochen. Und wie! Die Schweden lieferten ein emotionales und kraftgeladenes Set ab, das tief ging – sowohl musikalisch als auch ins Herz. Mit einer Mischung aus Doom-Atmosphäre, melancholischen Melodien und Power Metal-Energie fegte die Band jeglichen Frust vergangener Absagen hinweg. Die Stimme – mal klagend, mal schneidend – trug eine intensive Dramatik durch das Set, während das Gitarrenspiel zwischen elegischer Weite und druckvoller Raserei pendelte. Beim bombastischen Finale standen viele einfach nur still da – überwältigt und bewegt.
Doch Pause? Fehlanzeige. Denn danach entfachten Any Given Day einen Metalcore-Orkan der Extraklasse. Mit erbarmungsloser Energie prügelte sich die Band durch ihr Set – und die Crowd war sofort Feuer und Flamme. Der gigantische Circle Pit wirbelte eine Staubwolke in den Himmel, die man vermutlich noch in Quedlinburg sehen konnte. Die Ansagen der Band waren klar: mehr Bewegung, mehr Abriss, mehr Herzblut! Kaum ein Song endete, ohne dass mindestens ein Dutzend Crowdsurfer auf den Wellen der Menge trieb. Für das letzte Lied wurden explizit die Frauen gebeten, sich über die Menge tragen zu lassen und es waren sehr, sehr viele Besucherinnen, die dem Wunsch nachgingen. Es war ein Soundgewitter, ein Adrenalinschub – und für viele ein frühes Highlight des Tages.
Glocken, Gebete und Gebrüll – Powerwolf zelebrieren die Signierstunde wie eine Messe
Die Signierstunde von Powerwolf war kein bloßes Fanfoto-Event – sie war eine liturgische Zeremonie der besonderen Art. Schon über eine Stunde vor Beginn versammelten sich die Gläubigen der Heavy-Metal-Messe vor dem kleinen schwarzen Zelt nahe dem Backstage-Eingang. Unter ihnen: Fans in aufwendigen Roben, mit kunstvoll geschminkten Gesichtern, silbernen Kruzifixen, Wolfszähnen – eine Pilgerreise ins Reich des Sakral-Metals.
Als Zeichen für den Beginn der Zeremonie wurde – wie zuvor im Internet angekündigt – eine echte Glocke an einem Kran hochgezogen und feierlich geläutet. Der dunkle Klang hallte über das Gelände, und ein Raunen ging durch die Menge. In dem Zelt saßen die Mitglieder von Powerwolf. Sie schrieben Autogramme auf Signierkarten, Shirts, CDs und noch andere Objekte.
Am Ende des Rituals gab es für jeden Besucher eine Oblate – verziert mit dem Powerwolf-Logo und dem Rockharz-Schriftzug – sowie einen Schluck „Teufelszeuch“, ein feuriger Kräuterschnaps, der so manchen für den nächsten Moshpit wiederbelebte. Die Schlange war so lang, dass sie zeitweise bis vor die Fressbuden reichte. Ohne Zweifel: Das war die aufwendigste und atmosphärische Autogrammstunde des gesamten Festivals – eine Inszenierung, wie sie nur Powerwolf meistern kann.
Die Kassierer – Nacktheit und Nonsens
Wenn es auf dem Rockharz einen Auftritt gab, der gleichermaßen skurril, schamlos und legendär war, dann war es der der Kassierer. Seit Jahrzehnten sind sie das enfant terrible der deutschen Musikszene – ein wandelnder Widerspruch zwischen Punk, Satire und Kultstatus. Schon der Einstieg ließ erahnen, dass hier alles anders laufen würde: Ein nackter Mann mit Polizeimütze und -Mantelbetrat die Bühne und brüllte: „Pimmelpolizei! Ausweise bitte!“ – eine absurde Parodie auf Autorität und Prüderie zugleich. Dabei handelte es sich um Nico El Francko, den jüngeren Sänger, der mittlerweile neben Wölfi (Wolfgang Wendland) die Bühne regelmäßig entweiht.
Das Publikum tobte – und das Thema Nacktheit zog sich durch den ganzen Auftritt. Während Legenden besagen, dass Wölfi sich früher traditionell entblößte, übernahm diese Tradition nun El Francko: splitterfasernackt, mit einem Grinsen im Gesicht, tanzte und sang er Lieder über Bier, Sex, Genitalien und all die Dinge, die in der zivilisierten Gesellschaft bestenfalls auf dem Kneipen-Klo thematisiert werden. Und doch – oder gerade deswegen – wurde jedes Lied mit Lachen, Applaus und ekstatischem Gegröle begrüßt. Ob Das schlimmste ist, wenn das Bier alle ist, Blumenkohl am Pillermann oder Sex mit dem Sozialarbeiter – die Texte waren so vulgär wie genial-absurd.
Der Auftritt endete jedoch so überraschend, wie er begonnen hatte: kein Dank, keine Verabschiedung, kein letzter Witz – einfach Licht aus, Musik vorbei, Abbau. Und vielleicht war das genau die richtige Art, wie Die Kassierer ein Festival verlassen: ohne Pathos, aber mit einem kollektiven Grinsen auf 10.000 Gesichtern.
Overkill & Gloryhammer – Der letzte Sturm vor den Headlinern
Nach dem nackten Wahnsinn und der schamlosen Anarchie der Kassierer wechselte die Stimmung auf dem Rockharz schlagartig – denn jetzt war Thrash-Zeit! Mit einem donnernden Riffgewitter enterten Overkill die Bühne und machten sofort klar: Jetzt wird nicht gelacht, jetzt wird geknüppelt! Die legendären New Yorker schossen mit einer solchen Präzision und Wucht durch ihre Setlist, dass man fast vergaß, wie viele Jahrzehnte sie schon auf dem Buckel haben. Bobby „Blitz“ Ellsworths Stimme war messerscharf, seine Posen energiegeladen – ein Veteran mit der Ausstrahlung eines Rock-Stars. Als er das Publikum fragte, ob sie noch mehr wollten, antworteten Tausende mit einem kollektiven Urschrei – und bekamen es. Ein kompromissloser Abriss, der die Erde vor der Teufelsmauer beben ließ.
Doch bevor es mit den Headlinern richtig ernst wurde, kam noch einmal Fantasy-Power pur auf die Bühne: Gloryhammer betraten das Feld der Ehre – im wahrsten Sinne des Wortes. Die bunten Fantasy-Power-Metaller aus Großbritannien brachten epischen Bombast, Sci-Fi-Märchen und eine überdrehte Heldensaga mit: Angus McFive II kämpfte erneut um das Schicksal des Universums. Inmitten von fliegenden Crowdsurfern (und Dinos), pulsierenden Hootsrufen und tanzenden Dinosauriern vor dem Autogrammstand, schwebte ein Gefühl kindlicher Euphorie über dem Festivalgelände. Als Angus McFive II schließlich die Arme gen Himmel hob und das Festival offiziell in „Hoots-Harz“ umbenannte, brandete ein kollektiver Jubel auf – eine ironisch-pathetische Krönung für ein ohnehin schon sagenhaftes Konzert. Ein Auftritt wie ein Fantasy-Film in Überdosis – und das Publikum liebte jede Minute davon.
Cradle of Filth – Dunkle Romantik im Zwielicht
Im goldenen Schein der untergehenden Sonne begann der erste Headliner des Freitags – Cradle of Filth – mit einem Auftritt, der zugleich düster, theatralisch und überraschend zugänglich war. Einst als kompromisslose Black Metal-Pioniere gefürchtet, zeigte sich die britische Kultband 2025 in ihrer modernisierten Gestalt: melodischer, opulenter, verspielter, doch keineswegs zahm. Der Bühnenaufbau unterstrich die morbide Ästhetik: Drums und Keyboard standen hinter schmiedeeisernen Gittern, als seien sie in einem gotischen Verlies gefangen, während der Rest der Band mit bleich geschminkten Gesichtern und schwarzer Lederkluft aus Albträumen zwischen viktorianischem Wahnsinn und Höllenritt trat.
Frontmann Dani Filth balancierte wie gewohnt zwischen samtig-dunklen Clean-Vocals und gellenden, kreischenden Screams, die wie aus einem Riss zwischen den Welten zu kommen schienen. Daneben sorgte die Sängerin an den Keys mit ihren hellen, fast sakralen Gesangslinien für Momente tiefer, schwarzer Romantik. Das Keyboard malte dazu dunkle Klanglandschaften, irgendwo zwischen Friedhofsballade und Operntraum, während Gitarrenriffs wie Sturmwinde durch die Menge peitschten.
Cradle of Filth lieferten eine finstere Oper unter freiem Himmel – ein Auftritt voller Pathos, Atmosphäre und musikalischer Vielschichtigkeit, der den dritten Festivalabend in ein gotisches Zwielicht tauchte.
Mono Inc. – Melancholie mit Rabenschwingen
Als zweite Headliner des Abends betraten Mono Inc. die Bühne – und sie taten dies nicht einfach, sie schwebten förmlich hinein in eine Welt aus düsterer Eleganz und schwermütiger Schönheit. Die Band war perfekt gekleidet für diesen Moment: lange schwarze Mäntel, Hemden mit Brokatmustern, ein Look irgendwo zwischen viktorianischer Trauergesellschaft und Gotik-Aristokratie. Doch im Zentrum der Aufmerksamkeit stand unweigerlich Drummerin Katha Mia – erhöht auf einem Podest, mit ausladenden Rabenschwingen, die sich wie Schutz oder Drohung über die Bühne spannten. Wie ein lebendig gewordenes Wappen der Band thronte sie über allem, erhaben und präsent.
Die Musik schwang zwischen treibendem Dark Rock und schwermütiger Hymnik, zwischen Pathos und Intimität. Besonders berührend wurden die Lieder, wenn Katha Mia mit ihrem klaren Gesang den melancholischen Bariton von Frontmann Martin Engler ergänzte – dann lag ein fast sakraler Glanz über der Bühne. Absolutes Highlight war ihr imposantes Drum-Solo, unterstützt von zwei berobten Gestalten, die im Takt auf gewaltige Fässer trommelten – wie eine düstere Zeremonie, roh und rituell zugleich. Auch ein Blick in die Zukunft fehlte nicht: Mit der neuen Single In My Darkness, einem Vorgeschmack auf das im August erscheinende Album, schenkten sie dem Rockharz-Publikum einen bittersüßen Moment zwischen Dunkelheit und Hoffnung.
Powerwolf – Die letzte Messe des Tages
Als der letzte Schleier fiel und der Vorhang vor der Bühne herabsank, brach ein liturgisches Inferno über das Rockharz herein: Powerwolf kehrten zurück – und mit ihnen ein bombastisches Schauspiel, das irgendwo zwischen Metal-Konzert und sakralem Hochamt angesiedelt war. Hinter dem aufsteigenden Rauch offenbarte sich eine gigantische Kirchenruine, in deren Zentrum die fünf Musiker standen – ganz in dunkle Messegewänder gehüllt, mit bleichen Gesichtern und der Aura von fanatischen Hohepriestern des Heavy Metal.
Das Spektakel, das folgte, war eine Feuerlitanei ohne Gnade: Raketen schossen in den Himmel, Feuersäulen schossen aus dem Bühnenboden, Flammenzungen leckten an den Rändern der Ruine, und Attila Dorn selbst schleuderte Feuer aus Flammenwerfern in die Nacht. Alles brannte. Und wenn mal nicht die Bühne in Flammen stand, dann waren es die Kehlen der Fans, die in infernalischem Gleichklang mitgrölten. Unterstützt wurde das ganze von einem riesigen LED-Bildschirm, auf dem animierte Kirchenfenster, Höllenflammen und Wölfe die theatralische Kulisse verstärkten.
Neben legendären Hymnen wie We Drink Your Blood oder Army of the Night, präsentierten Powerwolf auch neue Werke aus ihrem aktuellen Album – darunter Sainted by the Storm, Sins of the Seven Seas, Heretic Hunter und Blood for Blood (Faoladh). Besonders eindrucksvoll war das bekannte Lied Stoßgebet, bei dem Attila auf einem versteckten Lift emporgehoben wurde, um – über den Köpfen der Menge thronend – seine düstere Predigt zu verkünden.
Ein Konzert wie ein Exorzismus – kraftvoll, ikonisch, unvergesslich. Powerwolf beendeten den dritten Festivaltag mit einer Flamme, die selbst Luzifer gefallen hätte.
Zum Abschluss wurden noch ausgiebig Feuerwerk gezündet. Die Fotografen stürmten aus ihrem Zelt und versuchten dieses Spektakel zu fotografieren. Im Angesicht der Nähe zur umgehenden Natur und dem Stand für den Nationalpark Harz fand ich dieses Spektakel eher schwierig und betrachte es kritisch.
Sólstafir – Nordische Klanglandschaften unter dem Sternenhimmel
Zum Abschluss eines intensiven Festivaltages betraten Sólstafir aus Island die Bühne – und taten das, was kaum eine andere Band so beherrscht: Sie entführten das Publikum in eine andere Welt. Keine brutalen Riffs, keine Pyrotechnik, kein ekstatischer Chor, sondern eine atmosphärische Reise durch melancholische Weiten, getragen von den majestätischen Gitarrenwänden des Post-Rock. Es war, als würde die kühle Brise des Nordatlantiks durch das Tal der Teufelsmauer wehen – beruhigend, entschleunigend, hypnotisch.
Schon zu Beginn zeigte die Band ihr besonderes Gespür für Klangästhetik, als Sänger und Gitarrist Tryggvason seinen Ton nicht mit einem Plektrum, sondern mit einem Cellobogen entlockte – ein Moment, der das Publikum verstummen ließ. Die Musik rollte in langsamen Wellen über die Bühne, mal rau, mal zärtlich, während sich die Köpfe der Zuschauer synchron im trägen Rhythmus bewegten. Der Gesang – mal klagend, mal schwebend – fügte sich wie ein weiteres Instrument in das dichte Geflecht aus Hall, Echo und Gefühl.
Mit Sólstafir wurde der dritte Festivaltag nicht mit einem Knall, sondern mit einem Seufzer beendet – und dieser leise, berührende Ausklang war genau das, was viele nach der donnernden Wucht der Headliner brauchten. Ein letztes kollektives Durchatmen unter dem klaren Sternenhimmel von Ballenstedt.
Bericht: Maximilian
Bilder: Roksana
Mehr zum diesjährigen Rockharz findet ihr hier:
- Festivalbericht: Rockharz, Samstag den 05.07.2025
- Festivalbericht: Rockharz, Donnerstag den 03.07.2025
- Festivalbericht: Rockharz, Mittwoch den 02.07.2025
Frühere Beiträge zum Rockharz findet ihr hier:
- Interview mit dem Künstler und Musiker Björn Gooßes („Killustrations“)
- Festivalbericht Rockharz Open Air 2024, Samstag den 06.07.2024
- Bericht: Rockharz Open Air 2024, Freitag den 05.07.2024
- Bericht Rockharz Open Air 2024, Donnerstag den 04.07.2024
- Bericht: Rockharz Open Air 2024, Mittwoch den 03.07.2024
- Festivalbericht: Rockharz Samstag, 08.07.2023
- Festivalbericht: Rockharz Freitag, 07.07.2023
- Festivalbericht: Rockharz Donnerstag, 06.07.2023
- Festivalbericht: Mittwoch auf dem Rockharz Open Air (05.07.2023)
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