Am Samstag, dem 09.12.2023, eröffnete das De Mortem et Diabolum ein weiteres Mal die Tore des ORWOhaus und wir waren für euch vor Ort. Um 14 Uhr war Einlass und von 14:30 bis 00:40 spielten acht Bands auf der einen Bühne. Diese Auftritte wollen wir mit Text und Bild für euch rekonstruieren, um euch das Festival für das kommende Jahr schmackhaft zu machen.
Die erste Band hebt sich visuell von den meisten Bands auf diesem Festival ab. Unter leichten Zupfgeräuschen von einem Saiteninstrument und leisen, heiseren Schreien betraten Avowal die Bühne und positionierten sich an den Plätzen. Sie trugen lange, schwarze, mit Brokat gesäumte Mäntel. Die Gesichter unter den Kapuzen waren mit gold-schwarzen Halbmasken bedeckt. So verharrten die Musiker, würden die Position bis zum Ende des Auftritts nicht verändern und spielten stoisch weiter, auch als ihr Gitarrist einen kurzen Ausfall hatte. Musikalisch boten Avowal einen fast unmelodischen Black Metal, der sich über die starken Riffs an der Gitarre definiert und welcher sich im Laufe der Songs an Geschwindigkeit und Komplexität steigerte. Unter dem orangenen, wilden Licht der Scheinwerfer legten die Musiker eine brutale Einlage für den Tag hin.
Ein erster Wermutstropfen für die Besucher war der recht spontane Ausfall von Los Males Del Mundo. Dafür sprang die deutsche Band Horresque aus Limburg ein. Über diese Band hatten wir in unserer Rubrik Band der Woche bereits berichtet. Mit ihrem Blackened Death Metal war die Truppe eine wahre Überraschung. Der Frontmann war in ein schwarzes Tuch gewickelt und mit schwarzen Linien im Gesicht, stach er aus der Formation bereits optisch hervor, noch bevor er zu singen anfing. Mit einer theatralischen Geste ergriff M.R. mit einem zweiten Versuch das Mikrofon und schlug die Kapuze zurück. Dann fing die Show mit einer brachialen Kombination aus Black- und Death Metal und einem fast unerreichbar hohen Gesang an. Die Musik mit ihrer unheiligen Energie ließ die erste Reihe brodeln. Die Bühnenpräsenz der gesamten Band war unfassbar intensiv, besonders die von M.R., welcher mit weit aufgerissenen Mund und Augen sang. Es war schade um Los Males Del Mundo, aber mit Horresque hatte das Festival eine gute Alternative gefunden.
Ich habe an Saor den Preis für den schönsten Auftakt vergeben, aber an Wrang möchte ich den Preis für den originellsten Einstieg in die eigene Show übergeben. Aus den Lautsprechern erklang ein Lied im Stil der europäischen Musik des frühen 20. Jahrhunderts und erinnerte mich ein wenig an Kanonenfieber. Dann erscholl der Krach von abgefeuerte Kanonen und einschlagenden Bomben. Mit diesem Getöse im Rücken und einer Menge Nebel auf der Bühne bauten sich die Musiker auf und so begann der Auftritt von Wrang. Mit Hosenträgern und Patronengurt wurde der Anfang optisch aufgefangen und abgerundet. Der Auftritt und der Sound können als explosiv, chaotisch und aggressiv beschrieben werden. Der Sänger Galgenvot marschierte über die Bühne, der Bassist ließ die Haare beim spielen wild kreiseln und der Gitarrist vorführte eine eigene Show. Die Band war ein wilder Haufen und diese geballte Energie sprang auf die Zuschauer über, die im schnellen Takt headbangten und später Wrang unter lautem Applaus verabschiedeten.
Die nächste Band war Helleruin, das Projekt des Musikers Carchost. Verstärkung erhielt der Sänger von einigen Musiker von Wrang, die davor spielten. Ohne große Umschweife begann der Auftritt mit dem Erscheinen des Frontmanns, der mit der Lederjacke, Corpsepaint und Patronengurt wie eine Inkarnation der frühen, norwegischen 90er Jahre aussah. Bereits zum ersten Lied gab es eine richtige Überraschung, als Galgenvot zu seinen Bandkollegen stieß und ein Duett mit Carchost ablieferte und selten habe ich so ein intensives Duett erlebt. Die Männer lagen sich in den Armen, wobei es eher wirkte, als wollten sie sich erwürgen, und schrien aus Leibeskräfte in das Mikrofon. Nach dem ersten Lied verließ uns Galgenvot und der Auftritt fing gerade erst an. Helleruin spielte einen geradlinigen, harschen und eiskalten Black Metal, welcher mich ebenfalls an die frühe norwegische Szene erinnerte. Dabei blieb der Sänger unruhig in seinem Verhalten: Ständig stellte er den Fuß auf eine Box, nahm ihn runter und wiederholte dies an dem nächsten Monitor. Auch schmiss er mit Schwung den Mikrofonständer von der Bühne. Helleruin war der zweite wilde Ritt in Folge an diesem Samstag.
Shores of Ladon aus Mecklenburg-Vorpommern waren an der Reihe. Der Auftritt fing recht schnörkellos an. Besonders beeindruckt hat mich die kalte, kratzige Stimme von Sänger St., welche mein Blut in den Adern zu gefrieren drohte. Ähnlich kalt und kratzig war der Sound, welcher aber mit gewissen melodischen Passagen und schwungvollen Riffs auftrumpfen konnten. Auf der Bühne wurde die abweisende Stimmung durch das Fehlen jeglicher Interaktion oder Bewegung unterstrichen. Fast hatte ich den Eindruck, die Band war sich unserer Anwesenheit nicht bewusst und dies hat mir auf eine gewisse Weise imponiert. Ein weiterer starker Auftritt auf diesem Festival.
Die gesamte Bühne wurde durchgängig in rotes Licht getaucht und eine permanente Nebelwand hat die Musiker von Ultha eingehüllt. Der Drummer M war wegen des dichten Nebels selbst von der ersten Reihe aus nicht zu sehen. Die restlichen Bandmitglieder stellten sich in einer Reihe auf und begannen augenblicklich mit einem wilden Getöse von Musik. Diese ist bekannt für die Länge ihrer einzelnen Stücke und dass die Musiker trotz der Länge nicht an Virtuosität und Aggressivität einbüßen. Es wurde eine durchgängige Klangwand konstruiert, welcher es nicht an brachialer Schönheit mangelte. Es gab keine Ansagen und keine Show, der Auftritt bestand nur aus einer langen, akustischen Reise auf pechschwarzen Wellen. Die Crowd waren die nickenden Wellen auf dieser Reise und die vereinzelten Headbanger waren die Schwanzflossen von melancholischen Walen. Zum Abschluss verabschiede sich der Sänger mit einem schlichten „Danke und guten Abend“.
Der Auftritt von Darvaza begann bereits mehrere Minuten vor dem ersten gespielten Lied. Ein nervtötendes Summen von mehreren Fliegen wurde aus den Lautsprechern abgespielt und erzeugte eine unterschwellige, unruhige Stimmung im ORWOhaus. Kurz bevor die Zuschauer mürbe wurden, erschien endlich die Band und die Musiker schienen sich optisch an einem Mad Max-Film orientiert zu haben. Mit Lederwesten, zerrissenen Hosen, Kunstblut durchtränkten Shirts, Nieten und Patronengurt sahen sie wie verrückte Rider aus und genauso benahmen sie sich auch auf der Bühne. Die Bandmitglieder wanderten umeinander herum und posierten sich allein oder zu zweit mit ihren Instrumenten. Besonders der Frontmann Wraath war eine richtige Rampensau, der sich auch für ein Lied mitten auf der Bühne auf die Knie geworfen hat. Das Besondere ihrer Musik ist hierbei der Gesang, welche nicht von einer Person, sondern von drei Personen stammte. Das gab eine große Bandbreite an Vocals, welche sich aus dem ansonsten rasanten, brechenden Sound herausschälten. Der Auftritt von Darvaza ließ die Crowd nicht kalt und bald wackelte der Wellenbrecher so heftig, dass er fast umzufallen drohte. Damit ebnete die Band den Weg zu dem großen Finale des De Mortem et Diabolum, in dem sie die gesamte Halle emotional in Brand gesetzt haben.
Das Grande Finale des diesjährigen De Mortem et Diabolum ist die isländische Band Misþyrming, welche seit 10 Jahren die Welt mit ihren eisigen Stimmen und explosivem, atmosphärischen Spiel bereichern. Die Band erschien unter langsamem, schweren Gitarrenspiel auf der Bühne und dann explodierte die Halle zum zweiten Mal an diesem Abend. Selten hatte ich so ein aggressives und bösartiges Verhalten auf der Bühne erlebt. Besonders der stechende Blick von G.E. hat sich tief in meine Seele gebohrt und in manchen Momenten hatte ich die Sorge, er würde sich todesverachtend in die Crowd werfen, um sich dem Pit anzuschließen. Dieser erste Mosh Pit bildete sich kaum nach dem Anfang des Auftrittes in der Mitte der Menge und wuchs von Lied zu Lied weiter an. Es wirkte fast, als warteten die Besucher sehnsüchtig auf die eine Band, welche endlich zum Moshen einlädt und diese Band sollte Misþyrming sein. Bis zum Ende erlebten wir zwei Überraschungen: Zwischendurch wankte der Sänger von Wrang, Galgenvot, auf die Bühne und sang zum zweiten Mal in einem Duett mit. Die zweite Überraschung kam nach dem Ende, welches unter tosenden Applaus und lauten Jubel vonstatten ging. Wir erhielten eine Zugabe! Ohne Ansage erschienen sie nochmal, griffen sich die Instrumente und spielten ein weiteres Lied. Gegen Ende stieg Sänger D.G. von der Bühne, ließ sich feiern und zum Abschluss hat er seine Gitarre in das Drumset geworfen, wo sie liegen blieb und noch weiter vibrierte und summte. Mit diesem rücksichtslosen Akt wurde das diesjährige De Mortem et Diabolum beendet.
Mein Eindruck von meinem ersten Besuch dieses Festival kann in ein Wort zusammengefasst werden: schnörkellos. Die Auftritte waren zu großen Teilen geradlinig und brachten die gewollte Stimmung schnell auf den Punkt, ohne großes Theater oder ausschweifende Reden. Es schien fast, als reduzierte sich das Festival auf die Musik allein und das war, wenn ich es mit den anderen Veranstaltungen, die ich besuchte vergleiche, echt erfrischend. Für Freunde von Black Metal war dieses Festival ein Paradies, welches Bands aus verschiedenen Ländern an einem Ort versammelte und so ein zweitägiges, schwarzes Loch in Berlin erschuf. Ich werde in Zukunft diese Veranstaltung jeder Person weiterempfehlen und es wird auch nicht mein letzter Besuch sein.
Eventhinweise:
26.4. + 27.4.2024 Walpurgisnacht
06.12.+ 07.12.2024 De Mortem et Diabolum X
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