2003 wurde die Band Eisbrecher mit den Gründungsmitgliedern Alexander „Alexx“ Wesselsky und Jochen „Noel Pix“ Seibert aus der früheren Besetzung um Megaherz heraus neu gegründet. Wenn man in Diskotheken in der Gothic- und Metalszene (und vor allem im Bereich NDH) unterwegs ist, dann kommt man an Eisbrecher nicht vorbei. Schwarze Witwe, Miststück, Böses Mädchen oder Ohne Dich sind auch nach Jahren immer noch Dauerbrenner bei den DJ und führen zu vollen Tanzflächen.
Die Liebe macht Monstour, ursprünglich angekündigt für den 12.11.2020, wurde insgesamt drei mal verschoben, zuerst auf den 28.11.2021, dann auf den 01.10.2022 und fand nun endlich am 29.06.2023 statt. Der Schlachthof Wiesbaden war bei den sommerlichen Temperaturen gut gefüllt, mit Groß und Klein und sogar einem extra Podest mit Rampe für die Rollstuhlfahrer. Das passt gut dazu, dass die Band einen Teil ihrer Gage für ein Kinderhospiz spendet. Schon mal dafür ein Chapeau.
Das erste Highlight an diesem Abend begann kurz vor der Vorband und zwar als Alexx Wesselsky mit Hawaiihemd auf die Bühne kam und die Schattenmann ansagte. Er versuchte sich als Stand-up-Comedian und dies gelang ihm gar nicht mal so schlecht. So begann er nach etwas Geplänkel mit der Frage, warum man einen Pressetext beginnt mit „Schattenmann melden sich mit ihrem neuesten Album Día de Muertos zurück“. Denn das aktuelle Album sei doch immer das Neueste und er kommentierte es gleich in einem sehr dunklen und eigensinnigen schwarzen Humor. Nach seiner Ansicht, würde damit ja die (Nicht-)Cleverness der Textschreiber sehr deutlich werden und er sehe eine Parallele zur aktuellen Politik. Diese Art des Humors wurde dann auch während der weiteren Ansagen und im Konzert deutlich. Im Anschluss daran verteilte er Obst. Er warf Äpfel, Bananen und Toblerone in die ersten Reihen, dann wird er etwas ernster und bat das Publikum, über ihren Schatten zu springen und die Band lautstark zu begrüßen. Eisbrecher haben die Band Schattenmann ins Herz geschlossen. Sie seien diszipliniert, machen einen Hammerjob als Support, würden ihm und seinen Bandkollegen nicht alles wegessen und hielten sich in der Row Zero zurück. Hier ruderte er aber auch gleich zurück, um die Sicherheit zu bekunden und das es sowas bei ihm nie gegeben hätte. Er endete seine Ansage damit, indem er mit oberbayrischer Einfärbung erklärte, dass man sehe, wieviel Blödsinn geschrieben würde, aber das Wahre sehe man nur, wenn man auf einem Konzert sei, es sich anhöre und sich selbst eine Meinung dazu bilde.
Damit endet meine wohl längste Einleitung für einen wirklich gelungen NDH-Abend, aber hierzu jetzt mehr, direkt zu den groß angesagten Schattenmann. Von Beginn an ist eine gute Stimmung im Publikum, mit Klatschen, Singen und Tanzen. Die Band spielt ihre ersten zwei Lieder, um die Zuschauer dann kurz zu begrüßen, bevor sie sofort mit Jeder ist schlecht weiterspielten. Die Band passt gut zu Eisbrecher und ist dem gleichen Genre zuzurechnen. Sie machten zum einen mit dem guten Mix aus neuen Liedern und wohldurchdachten Ansagen der Lieder Stimmung. So wurde bei der Königsdisziplin beim passenden Lied Spring zu Trockenübungen aufgefordert und ein Zuschauer aufgefordert, für ein gratis T-Shirt am Merchstand, es den anderen vorzumachen. Was man nicht alles für unvergessliche Erlebnisse, kostenlose T-Shirts und das Beheizen der Stimmung macht.
Die Ballade Nadel&Faden verwandelt den Schlachthof in ein Lichtermeer aus Handytaschenlampen. Und die Show geht groß weiter. Ein Bandmitglied, ich bezeichne ihn als Mädchen für alles, kommt versteckt hinter einer Maske und mit verschiedensten Requisiten von einer portablen Nebelmaschine, über umgebauter Motorsäge bei AMOK oder einer schwenkenden Fahne bei Hände hoch immer wieder auf die Bühne. Bei Hände hoch wird als vorletztes Lied noch mal richtig Gas gegeben, wenn man das bei einer schon temporeichen und actionreichen Show überhaupt so sagen kann. Der Sänger kommt mit paillettenbesetzter goldener Jacke auf die Bühne und fordert im Refrain auf, dass das Publikum die Hände in die Höhe reißen solle. Auch der Gitarrist macht auf der Bühne Party und läuft wie Otto Gitarre spielend über die Bühne. Vor dem letzten Lied bedankt sich der Sänger noch bei Eisbrecher, denn „egal wie oft die Tour schon verschoben worden sei, die Jungs von Schattenmann wären einfach mit verschoben worden und sie fühlten sich zur Eisbrecherfamilie dazugehörig“.
Mit diesen Worten und der Erinnerung an die eigene Tour im Jahr 2024 verabschiedete sich der Sänger mit den Worten. „Wir würden uns sehr freuen, euch nächstes Jahr auf unseren Konzert im Bett (in Frankfurt) zu sehen.“
Setlist Schattenmann:
- Licht an
- Brennendes Eis
- Jeder ist schlecht
- Chaos
- Nadel & Faden
- AMOK
- Menschenhasser
- Spring
- Hände hoch
- Dia de Muertos
Ja, die Vorband hat gut eingeheizt, was später während des Konzertes von Eisbrecher zum Phänomen führte, dass gefühlt mehr Leute außen bei dem Getränkeausschank standen als in der Mitte, aber der Reihe nach. Die Show begann schon direkt mit der durchgängig perfekten Lichtshow, und als Erstes betrat Alex Wesslesky die Bühne im Militäroutfit und ging gemütlich in die Mitte der Bühne. Er animierte das Publikum als Schatten in Rot gehalten zum Klatschen, um mit dem Lied Volle Kraft Voraus kraftvoll in den Abend zu starten. Nach dem Lied bedankte sich der Sänger beim Publikum, dass sie trotz der Verschiebungen zahlreich erschienen seien und dankte für den tollen Support. Die Ansagen der Lieder waren immer mit einem trocken und schwarzen Humor versetzt. Z.B. bot er drei Posen an, die dürften fotografiert werden, „Metaller“, „Denker“ und „Welche Songs spielen wir heute?“.
Und er bedankte sich auch beim Lichttechniker, und ja dieser Mann vollbrachte an dem Tag Meisterwerke. So sorgte er mit der richtigen Lichtkompositionen für Stimmung und Fokussierung und ermögliche es der Band Übergänge zu schaffen. Beispielsweise nach Augen unter null wurde die Bühne schwarz, um dann giftgrün und mit den ersten Drumschlägen in ein Stakkato zu verfallen. Das wurde unterstützt durch die Musiker, sie standen an Fässern und schlugen im selben Takt den Rhythmus. Wesselsky unterstützte seinen Gesang mit den passenden Gesten und so startete mit offenem Mund und viel Freude das Lied Amok. Ich kann hier nicht alle Scherze wiedergeben, das würde den Rahmen sprengen, aber trotz allem folgte neben den Sprüchen (sorry, aber die muss man erleben) und der Dankbarkeit, dass er nach 20 Jahren Eisbrecher immer noch eine Menge begeistern könne, die Show mit vielen Showelementen. Wie heißt es immer so schön, ein Whiskey muss ein paar Jahre reifen, bevor er gut wird.
Die Show war von Überraschungen gespickt. Nach Amok folgte bald das nächste Highlight mit Eiszeit. Kunstschnee gepaart mit weißen Laserstrahlen – unfassbar schön. Schade, dass es damit nicht kälter, sondern heißer wurde in der Halle. Abkühlung verschaffte dann ‚das Lied auf C’…. Alexx Wesselsky und Jürgen Plangger kommen mit Akustikgitarren auf die Bühne um das Lied in C anzustimmen oder besser gesagt, den Schlager Tränen lügen nicht. Denn wie sagte der Frontmann so schön, in jedem steckt ein Schlagerfan? So wurde dieses Lied angestimmt, getragen vom Gesang der Fans wechselten die Bandmitglieder nach der erste Strophe und Refrain zum Lied Schwarze Witwe. Beginnend im akustischen Setting wurde es schnell laut und elektrisch. Neben Schlagern, zeigte der Sänger auch, dass das Publikum textsicher Hirn, Arsch + Zwirn mitsingen kann. Er bekam von einem Crewmitglied seine Requisiten für die letzte Nummer This is deutsch. Das nahm er zum Anlass, sich bei der Crew, Security, Johanniter für den ruhigen Abend zu bedanken und den Fans, denn „wir Zuschauer retten ihm das Leben“ und Politshows treiben ihn in den Wahnsinn. Mit Seppelhut bewaffnet, begann er das Lied This is deutsch mit Jodeln. Ja genau, mit Jodeln – Respekt. Mit dem Wunsch „Bitte weiter klatschen, Sie sind noch nicht entlassen“ wechselte er in einen Steirer (volkstümliche bayrische Liedensart), um von dort in das Lied zu wechseln. Mehr bayrische Kultur auf einem Rockkonzert geht nicht.
Damit endete die erste Runde und die zweite folgte mit großen Hits wie Miststück, um von den Fans noch mal alles zu verlangen. Er bedankte sich beim Gastgitarristen, da der Hauptgitarrist die Tour nicht begleiten konnte. Mit Out of the Dark verbeugte sich die Band und jeder Musiker bewaffnete sich mit zwei Teddys, die die Bandmitglieder in das Publikum warfen. So endete eine tolle, schweißtreibende, humorvolle und mit vielen Überraschungen gepaarte Show. Sie war lange, aber echt gut.
Setlist Eisbrecher:
- Volle Kraft voraus / Intro lang
- Frommer Mann
- Fehler machen Leute
- Heilig
- Augen unter Null (Übergang in)
- Amok (Übergang in)
- Anna
- Nein Danke
- Eiszeit / Intro
- Im Guten im Bösen
- Schwarze Witwe /Akkustik Intro
- Sturmfahrt (Kurz)
- FAKK
- 1000 Narben (Übergang in)
- Himmel, Arsch + Zwirn
- This is Deutsch
- Verrückt / Intro
- Was ist hier los?
- Miststück 2012
- Out of the dark
- Outro
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