
Es ist Wochenende, es ist Juli, es ist Amphi! Wie jedes Jahr wurde der Tanzbrunnen in Köln schwarz, aber wunderschön. Auch dieses Jahr sollten wieder viele namhafte Bands spielen, die Highlights des Wochenendes waren natürlich die Legenden Camouflage und Anne Clark, die nach langer Zeit wieder auf das Amphi zurückkehrten.
Wie jedes Jahr reichte die Schlange am Merch kurz nach der Öffnung der Tore schon so weit das Auge reichte. Eines fiel direkt auf: Die Trinkwasserstelle hinter dem Eingangsbereich fehlte. Das ermöglichte aber einen besseren Menschenfluss aufs Gelände, weil man sich nicht erst durch wartenden Menschen drängen musste, die ihre Flaschen oder Schläuche auffüllen wollten. Sie wurde stattdessen weiter nach hinten verlegt, zum Eingang des Biergartens.
Vlad in Tears
Auf der Main Stage ging es schon los, es gab wie immer ein paar kleinere Geschenke vom Moderatorenteam, die in die noch recht überschaubare Menge geworfen wurden, bevor dann die erste Band angekündigt wurde. Vlad in Tears durften das Festival eröffnen. Das erste Mal auf dem Amphi, aber sie wurden sehr wohlwollend aufgenommen. Sänger Kris kam in einem lila Kleid auf die Bühne, was ihm sehr gut stand. Dagegen wirkten die anderen Bandmitglieder langweilig. Ohne Umschweife ging es mit sehr viel Spaß los. Die kleinen Interaktionen immer wieder untereinander machten sie direkt sympathisch. Das Set fokussierte sich auf das neue Album Hide Inside, was am 1. August erscheinen würde. So gab es mit I Want This Pain und Living Nightmare gleich zwei unveröffentlichte Songs vom neuen Album zu hören.
Setlist: Living Nightmare // Lies // Running Up That Hill (Kate Bush Cover) // Empty // Fight For Another Day // Hear Me Out // The Monster Inside // I Want This Pain
Hell Boulevard
Wer zu spät kommt, bekommt Schläge. Jens Domgörgen kam zu spät zur Ankündigung der nächsten Band, also gab es von Mark Benecke (angedeutete) Schläge auf den Hintern, sehr zur Erheiterung des Publikums. Das Publikum sollte außerdem abstimmen, ob es mit dem folgenden Act eher klavierlastig oder eher hart wird. Natürlich gewann „hart“ mit überwiegender Mehrheit. Zum Intro von Guillotine kamen die Bandmitglieder von Hell Boulevard nacheinander auf die Bühne. Weil sie keine Klischee-Liebeslieder mögen, gab es Not Another Love Song, gefolgt von einem Lovesong. Für Zombies. Sänger Matteo rannte hin und her über die Bühne, interagierte immer wieder mit seinen Bandkollegen oder spielte mit dem Mikrofonständer; frei nach dem Bandmotto Zero Fucks Given. Allerdings folgte eine Ansage, dass man eben doch manchmal Fucks geben solle, nämlich bezüglich der Leute um einen herum. Man solle aufeinander aufpassen und füreinander da sein. Zum Abschluss folgte die Bandhymne In Black We Trust, zu der noch einmal richtig abgerissen wurde.
Setlist: Guillotine // She Just Wanna Dance // Satan in Wonderland // Weirdos // Not Another Love Song (Requiem) // Dead Valentine // I Got What I Want But I Lost What I Had // Zero Fucks Given // In Black We Trust
Eisfabrik
Inzwischen staute sich unter den Schirmen vor der Main Stage die Hitze. Es war zwar größtenteils bewölkt, aber sehr warm und die Menschen in Bewegung machten es nicht gerade angenehmer. Zum Glück folgte Abkühlung in Form von Eisfabrik. Der erste Elektro-Act auf dem diesjährigen Amphi wartete mit verschiedenen Maschinerien auf, hinter denen sich die Instrumente verbargen. Roboterarme mit Kettensägen und Eisblöcken zierten die Bühne, im Mittelpunkt stand eine große Maschine mit vielen Rohren, aus der gelegentlich Dampf austrat. Links und rechts der Bühne standen zwei Schneekanonen. Leider wurde es nicht wirklich kühler, denn die Gruppe heizte mit eiskalten Beats mächtig ein. Der Yeti, das Bandmaskottchen, hatte neben weißen Luftschlangen sehr viel Spaß mit einer Seifenblasenpistole, auf und vor der Bühne. Es gab außer einem kurzen „danke schön“ oder „sehr geil“ keine Ansagen, nur rohe Musik und satte Synthies, die die Luft zum Beben brachten.
Setlist: Grim Reaper // When I Fall // Schneemann // Eins mit dem Wind // Sad Lonesome Day // Saving Shore // No Matter // 7even Days of Darkness // Walking Towards the Sun // Friends
Nachtblut
Nach diesem kurzen Abstecher in den Elektro, wurde es wieder gitarrenlastiger und „mittelfingeriger“. Um die harten Texte abzuschwächen, hatte Mark bei der Ankündigung der „Geilen Stecher“ Plüschohren auf. Die Geilen Stecher? Nachtblut natürlich! Der Backdrop war das Cover des aktuellen Albums Todschick, welches natürlich im Fokus stand, aber natürlich gab es auch Klassiker zu hören. Zu Von Hass getrieben kamen die Bandmitglieder nacheinander auf die Bühne. Mit viel Headbangen, dass die Haare nur so flogen und viel Kopfnicken im Publikum ging die Post ab. Bei Stirb langsam präsentierte Askeroth seinen Piratenhut. Vor Alles nur geklaut musste die Menge natürlich EEEEOOO! singen und auch Hits wie Lied für die Götter und Multikulturell durften nicht fehlen, den Abschluss machte aber Das Leben der Anderen, was auch sehr fleißig mitgesungen wurde.
Setlist: Von Hass getrieben // Kaltes Herz // Todschick // Manchmal kommen sie wieder // Mein ist die Hölle // Stirb langsam // Leierkinder // Alles nur geklaut (Die Prinzen Cover) // Multikulturell // Lied für die Götter // Das Leben der Anderen
Letzte Instanz
Ein besonderer Act an diesem Tag war die Letzte Instanz. Eine Band, die zur Szene gehört, wie „die Margarine auf die Stulle“. Inzwischen dürfte es jeder mitbekommen haben: Die Band ist auf Abschiedstour und nimmt noch einmal einen Haufen Festivals mit, bevor sie im November dann die beiden letzten Konzerte geben. Wie schon fast alle anderen Bands an diesem Tag kamen auch Letzte Instanz zu einem langen Intro auf die Bühne. Violinist M. Stolz trug ein „FCK AFD“ Shirt und setzte direkt ein wichtiges Zeichen. Der Querschnitt durch die Bandhistorie begann mit Für immer und ewig vom zweiten Album aus 1999.
Im November 2024 erschien in Form der EP XXVII. mit dem Song Wir stehen hier, der natürlich nicht fehlen durfte. Dazu gab es ein kurzes Statement zur Auflösung, wie dankbar die Band für die lange Zeit sei und sich darauf freut, mal einen Sommer wirklich frei zu haben und mit den Familien verbringen zu können. Holly präsentierte sein „Liebe statt Krieg“-Shirt, denn niemand sollte ausgeschlossen werden. Lieber mit den Leuten reden und sie an seinem Feuer sitzen lassen, anstatt sie anzufeinden. Eine wundervolle Überleitung in den Song Entzündet die Feuer. Für den Geigenschüler wurde das Publikum nochmal richtig involviert: Jede Person sollte ihr Shirt ausziehen und über dem Kopf wirbeln. Der Platz verwandelte sich dadurch in ein Meer aus schwarz, also schwärzer als vorher schon.
Ein würdevoller Abschied der Band vom Amphi Festival, der noch einmal richtig Spaß machte und einen die Band vermissen lässt. Aber natürlich gönnen wir allen auch die freie Zeit mit ihren Familien und Entspannung.
Setlist: Für immer und ewig // Maskenball // Kalter Glanz // Wir stehen hier // Wir sind eins // Finsternis // Komm! // Entzündet die Feuer // Geigenschüler // Noch einmal
Die Krupps
Mit der nächsten Band auf der Main Stage folgte nicht nur ein Vorreiter der Electronic Body Music, sondern auch der Neuen Deutschen Härte: „Und schwupps, hier sind Die Krupps„. So ging es mit stahlharten Klängen mit Nazis auf Speed direkt zur Sache. Zu Der Amboss, einem Visage-Cover, kam Lis van den Akker als Gastsängerin mit auf die Bühne; hier kam auch das berühmte Stahlofon zum ersten Mal an diesem Tag zum Einsatz. Gitarrist Dylan Smith und Sänger Jürgen Engeler konnten einfach nicht stillstehen und liefen hin und her, animierten das Publikum zum Mitklatschen, Winken oder Mitsingen. Die doch sehr eingängige Melodie von Robo Sapien eignete sich hervorragend dafür. Auch die Menge war ständig in Bewegung, bei den stampfenden Maschinenrhythmen auch kein Wunder. Ebenfalls kein Wunder: Die 95 dB Marke wurde überschritten – das Stahlofon hat nun mal keinen Lautstärkeregler.
Setlist: Nazis auf Speed // Schmutzfabrik // Der Amboss (Visage Cover) // The Dawning of Doom // Ein Blick zurück im Zorn // Crossfire // Fatherland // Metal Machine Music // To the Hilt // Robo Sapien // The Machinist of Joy // Bloodsuckers
Camouflage
Camouflage ist eine Band, mit der wohl viele der Anwesenden großgeworden sind. Seit 42 Jahren stehen sie in nahezu unveränderter Besetzung auf Bühnen und hatten in der Zwischenzeit mehrere internationale Hits, die auch heute nicht fehlen durften. Zunächst ging es allerdings los mit technischen Problemen. Sänger Marcus Meyn hörte sich nicht auf seinen In-Ears, anscheinend war die Funkstrecke tot. Die Lösung ließ einige Minuten auf sich warten und im einsetzenden Regen kippte die Stimmung etwas. Manche versuchten vergeblich, die anderen zum Singen zu bewegen. Das sei in 42 Jahren noch nie passiert, so Meyn. Er hörte sich zwar nicht selbst beim Singen, aber die Menge und das freute ihn sehr. Unter Jubel ging es also endlich weiter.
Es kam Bewegung in die Menge, aber auch auf der Stage ging es ab. Meyn tanzte hin und her und die Interaktionen zwischen Heiko Maile und Oliver Kreyssig immer wieder süß, so trommelten sie manche Breaks zusammen in der Luft mit. Shine musste natürlich auf dem Amphi gespielt werden, denn 2012 wurde das Publikum für den Song aufgenommen, aber natürlich gab es auch die Welthits The Great Commandment und Love is a Shield. Und Camouflage zeigten, sie lassen sich von der Technik nicht unterkriegen und haben es immer noch drauf!
Setlist: That Smiling Face // Me and You // Suspicious Love // We are lovers // Blue Monday (New Order Cover) // Shine // The Great Commandment // Strangers‘ Thoughts // Neighbours // Love Is a Shield
Project Pitchform
Das große Finale wurde von einer Unwetterwarnung eingeläutet. Der Evakuierungsplan wurde erläutert, falls die angekündigte Gewitterzelle wirklich über den Tanzbrunnen ziehen sollte. Zum Glück kam es nicht dazu und es regnete nur sehr stark, was auf dem Amphi ja schon fast Tradition hat. Aber die folgende Band hat ja den perfekten Song dafür.
Project Pitchfork sprangen kurzfristig für VNV Nation ein. Ronan ist in der Woche vor dem Festival krank geworden und musste ins Krankenhaus. Viele Bands, die an diesem und auch am nächsten Tag spielten, wünschten ihm von der Bühne aus alles Gute und eine gute Besserung, oder wie Peter Spilles es ausdrückte: „Halt durch, Digga. Alles wird wieder gut“. Schon am Vortag beim „Appetizer“ Call the Ship to Port durften Project Pitchfork spielen. Mit einem (fast) komplett anderen Set konnte sie das Amphi erneut begeistern. Auf der großen LED-Wand im Hintergrund wurden animierte Formen und Muster abgespielt, die der Bühne durch den Nebel zusätzlich zu den normalen Bühnenlichtern einen eigene Lichtstimmung verliehen. Ascension sang er mit seiner Frau Sue zusammen.
Es war es ein routinierter Auftritt ohne großartige Ansagen, aber mit viel Stimmung vor allem direkt vor der Bühne. Außerhalb der Schirme hielt sich die Laune jedoch in Grenzen, gewann dann doch langsam der Regen die Überhand. Rain war auch passenderweise der erste Song der vom Publikum lautstark geforderten Zugabe.
Setlist: Revolution Now // Carnival // Alpha Omega // Souls // Acid Ocean // Titânes // Terra Inconginita // Ascension // Steelrose // Endzeit // Human Crossing // I Am
Zugabe: Rain // 2069 A.D. // Existence v4.1
Im Regen, nass und kalt, ging zwar der erste Amphi-Tag vorbei, die Party fing aber jetzt erst richtig an. Sowohl im Theater als auch auf der MS RheinMagie gab es wie jedes Jahr jeweils noch eine Afterparty. Die meisten machten sich allerdings auf den Weg in die Unterkunft, um sich am nächsten Tag ausgeschlafen frühzeitig einen Platz in der ersten Reihe sichern zu können.
Bericht: Eric
Bilder: Anette & Eric
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