Auch der zweite, vollständige Festivaltag des Prophecy Fest hatte es in sich. Wenn der Tag ein Motto gebrauchen würde, dann wäre es wohl eines, das um die Worte „alte Bekannte“ nicht herumkommen würde. Entsprechend hatte der Samstag es in sich.
Wer das Prophecy Fest schon einmal besucht hat, der wird wissen, dass die erste Band des Labels, namentlich Empyrium aus der Feder Markus Stocks, stets ein immerzu besonderes Highlight des Festivals darstellt. Auch dieses Jahr änderte sich daran nichts, nur mit dem kleinen Unterschied, dass die Gruppe dieses Mal nicht als quasi-Headliner zu Ende des Programms spielte, sondern am Samstag den Tag eröffnete. Wie so oft lag der Show auch dieses Mal ein besonderes Konzept zugrunde, wurde doch das 1999er-Album Where at Night the Wood Grouse Plays zum entsprechend 25. Jubiläum in Gänze vorgetragen. Und was soll man dazu sagen; die Höhle war gänzlich voll und doch, während der Songs, sehr ruhig. Mit viel Respekt wurde die Akustikshow wahrgenommen und diese bewegte sichtlich die meisten der Besucher, was sich nicht zuletzt auch am entsprechend wesentlich lauterem Applaus ersichtlich zeigte. Auch wenn es dieses Jahr insgesamt ruhiger auf der Bühne von Empyrium zugegangen ist, war es doch einer der besonderen Momente, die dieses Festival ausmachen. Zum Ende der Show gab es nach dem Album noch ein paar Songs aus dem Nachfolger, Weiland, zu hören.
Extremer ging es auch im Anschluss nicht weiter, da eine weitere Band, die untrennbar mit dem Namen Prophecy in Verbindung steht, die Bühne mit einem speziellen Konzept betrat. Die französische Blackgaze-Band Alcest hatte sich für die diesjährige Edition mit dem ebenfalls aus Frankreich stammenden Pianisten Nicolas Horvath zusammengetan, um einige Lieder aus der bereits reichen Geschichte der Band ausschließlich mit Gesang und Klavier darzubieten. Dabei fiel zunächst deutlich auf, welche Arbeit in dieses Konzept gesteckt wurde, waren die Songs natürlich nicht entfremdet, aber doch sehr überarbeitet, erweitert und umgeschrieben worden, damit sie in diesem Rahmen möglich wurden. Und das Ergebnis war mehr als überwältigend: mit Stephane Paut wie gewohnt an den Hauptvocals und Live-Gitarrist Pierre Corson, sowie Tour-Managerin Élise Aranguren als unterstützende Sänger wurde ein bis dato einmaliger Blick (oder besser gesagt: Ein einmaliges Hören) in die Musik von Alcest ermöglicht. Das Trio harmonierte dabei perfekt mit dem Pianisten Horvath, der dabei nicht nur sein eigenes Können mehr als überdeutlich unter Beweis stellte, sondern ebenso seine kreative Transformationskraft hinsichtlich eines neuen Blickes auf eben jene Musik zeigte. Viel könnte hier geschrieben werden, doch verbleibt, dass es selbst gehört werden sollte, vor allem für bereits überzeugte Fans (, die sich sicherlich dahingehend auf Neuigkeiten werden freuen können).
Zum Dritten durften auch am letzten Tag wieder einmal Thief ran, die auf der Nebenbühne mit einem weiteren kleinen Set ihre kreative Energie visualisieren durften. Wie schon an den beiden Tagen zuvor spielte der Künstler einen besonderes Set. An dem Samstag unter dem Motto „Antiphon“ stellte der Künstler ein Set, gespickt voller alter Stücke. Wieder versammelten sich viele Besucher, um dem zu lauschen.
Anschließend kam die weißrussische Band Dymna Lotva zur Hauptbühne und bildete damit den ersten Black Metal-näheren Auftritt des Tages. Mittlerweile in Polen ansässig trotzten sie allen Widerständen, um ihre Musik, und damit auch ihr Gefühl, voranzutreiben und auszudrücken und schließlich zum zweiten Mal in der Höhle von Balve all dies zu vermitteln. Mit etwas depressiv angehauchter Musik, einer Mischung aus Doom und Post-Metal und schreienden, einschneidenden Vocals sorgte die Gruppe dafür, dass Gänsehaut noch einmal aus einem ganz anderen Grund die Zuhörer belegte. Dabei zeigte sich der Auftritt, ähnlich wie auf Platte, höchst kreativ, sehr bedrückend und doch lösend auf gewisse Weise. Nicht das einfachste, aber doch ein beeindruckendes Hörerlebnis.
Auch die englische Black Metal-Band Fen aus London war nicht zum ersten Mal auf dem Prophecy zu Gast. Und aus Erfahrung weiß man, was hier zu erwarten ist. Atmosphärischer Black Metal per Definition, cleane und harsche Vocals in Kombination mit melodischen, atmosphärischen Gitarren und immer wieder anregenden, rhythmisch energievollen Riffs. Schließlich haben sie grundsätzlich auch mit ihrem letztjährigen Album Monuments to Absence ihren musikalischen Weg logisch weiterverfolgt und dies auch entsprechend auf der Bühne umgesetzt. Fen bot eine reiche Palette Gefühlsstarker Musik, von melancholischen über ruhige, hin zu harschen, lösenden Passagen, die das Herz des Black Metallers immerzu auf die eine oder andere Weise berührt.
Seinen zweiten Auftritt für dieses Jahr hatte nun Tim Yatras mit seiner Band Austere. Wie bei Germ am Vortag, waren auch hier die Erwartungen recht groß, hatte die Show der Australier auf dem Prophecy von vor zwei Jahren doch große Emotionen ausgelöst. Am Gefühl, an der Durchsetzungskraft des Depressive Black Metal in Instrumenten und alles durchdringenden Schreien hat sich nichts geändert. Es fällt unglaublich schwer, eine solche Show tatsächlich in Worte fassen zu können, die Emotionen, die vielen Besuchern und Fans sehr deutlich anzusehen waren, fallen in einen Bereich, in welchem die Sprache versagt. Einige Augen konnten hier wieder einmal etwas feucht werden, und das sagt viel über das Wesen und die Überzeugung einer Band aus.
Mit der Atmospheric-Doom-Band Arð aus Newcastle, England kam sodann erneut eine Gruppe auf die Bühne, die es auf besondere Art und Weise versteht, Atmosphäre, Melodik und Klargesang zu vermischen, um damit eine tiefe, dunkle und doch positive Stimmung zu erzeugen. Eine starke Ausstrahlung geht von dieser Band aus, was sicherlich selbst bei Prophecy nochmals zu betonen ist, und doch in einigen Teilen vieles dessen verschränkt, wofür dieses Festival steht. Die Besucher, soviel ist sicher, kamen definitiv in größerer Zahl auf ihre Kosten. Ein weiterer, mittlerweile bekannter und doch immer wieder erfreulicher Programmpunkt.
Der Auftritt einer ganz besonderen Band wurde auf zwei Sets auf der Nebenbühne aufgeteilt. Unter dem Namen A Certain Chapter of New Lights hatten die Dänen von Blazing Eternity Songs ihres neuen Albums gespielt, welche das erste Material nach 21 Jahren darstellt. Entsprechend überraschend und erfreulich war es, sie erneut live sehen zu können. In der langen Zeit seit dem letzten Album haben Blazing Eternity nichts an ihrer Kraft, an ihrer Ausstrahlung verloren. Für einige Besucher stellte dies also einen hochemotionalen Auftritt dar, der sich später im zweiten Set nochmals intensivieren sollte. Jedenfalls zeigte sich schon hier, dass es sich so anfühlte, als wären sie nie abwesend gewesen. Auch hierzu haben wir ein tiefergehendes Interview geführt, welches auf YouTube zu sehen ist.
Zurück auf der Hauptbühne ging es mit Hexvessel weiter. Die Band aus Finnland spielt eine recht eigensinnige Mischung aus Psychedelic-Folk-Rock, Atmospheric-Post-Black und Doom Metal, vorgetragen von einer grandios hallenden Stimme. In Roben gekleidet und rituell angehaucht, doch in Balve mit einer ordentlichen Portion Black Metal im Gepäck, zumindest mehr als bei anderen Veranstaltungen sollte es für die Fans einiges neues zu hören geben, denn die Band spielte ausschließlich ihr aktuelles Album „Polar Veil“, zwischen den Songs konnte sich Sänger Mat McNerney nicht nehmen, zwischen den Songs auch ein wenig zu erzählen. Etwas schade das an dem Abend die Band etwas weniger folkiges darbieten konnte, dennoch lieferten sie einen großartigen Auftritt.
Zurück zu Blazing Eternity, der aus Kopenhagen stammenden Melodic/Doom-Black Metal-Band: das zweite Set auf der kleinen Bühne beinhaltete Lieder, die auf den ersten beiden Alben via Prophecy Productions in den Jahren 2000 beziehungsweise 2003 veröffentlicht wurden. Times and Unknown Waters hatte noch einen wirklichen Black Metal-Einschlag, hatte ähnliche Elemente zu bieten wie nun auch das neue Album. Höchst emotional, Melodien gepaart mit gar hoffnungsvollen und treibenden Riffs in der Rhythmusgitarre und cleanen Passagen, die eine unglaubliche Energie auch vor Ort erzeugen konnten. Mit A World to Drown In fanden eher Gothic-Elemente Einzug in die Musik und der Metal zog sich etwas zurück. Daher fand sich auch hier eine Abwechslung in der Setlistgestaltung. In der Art und Weise, wie die Musiker jedoch ihre Werke mit großer Überzeugung und Energie umsetzten, konnten viele neue und auch alte Hörer begeistert werden. Hochemotional, wie gesagt, war es in jedem Falle für solche, die die Band schon länger kannten, hatte man doch mit diesem Glück in Form einer Liveshow nicht unbedingt gerechnet. Daher kann hier ohne Übertreibung von einem etwas geheimen, doch wunderbaren Highlight gesprochen werden.
Die Progressive Rock/ Doom-Band Dool aus den Niederlanden durfte als nächste ran und zeigten, warum sie in der Vergangenheit hochgepriesen wurden. Düster und mystisch verhält sich der Auftritt, der doch in Teilen sehr rockig und gleichzeitig atmosphärisch emotional wird. Schon ein Jahr nach ihrer Gründung kamen sie zu Prophecy und sind seitdem mit ein Aushängeschild für die diverse und doch zusammenpassende und oft einzigartige Musik des Labels. Wenngleich der Stil auf Dauer nichts für jeden sein mag, lohnt es sich definitiv, ihnen eine Chance zu geben. Der Auftritt selbst war wieder einmal sehr überzeugend und zeigte, warum ihr Name definitiv eine Bereicherung für viele ähnliche Festivals ist.
Da war er auch schon, der Abschluss des diesjährigen Prophecy Festes. Mit den britischen Pionieren des Death/Doom-Metal wurde ein Headliner gefunden, der sich nicht ohne Grund über die Jahrzehnte einen großen Namen gemacht hat. Paradise Lost existieren seit 1988 und haben schon sehr viel Musik veröffentlicht, die viele Musiker als Einfluss und ihre Inspiration betiteln. Auch wenn es keine labeleigene Band ist, so passte sie sehr gut in das Programm diesen Jahres, abseits vom großen Namen. Großartig schafften es die Engländer ihre Lieder in der Form zu vermitteln, die nichts an Atmosphäre, gedämpfter Härte oder ihrem Sound vermissen ließ. Dazu trug sicherlich auch bei, dass das Line-up seit der Gründung größtenteils beisammengeblieben ist und die Instrumentalisten entsprechend routiniert mit Sänger Nick Holmes harmonieren.
Solche Auftritte, in Verbindung mit dem vorherigen Programm, lassen nicht nur die Herzen der meisten Besucher höher schlagen, sondern zeigen auch nochmals die immer wieder gelingende Vermischung aus Alt und Neu; ältere, prägende Bands und junge, innovative Gruppen, die alle gemeinsam das Prophecy Fest alljährlichen zu einem besonderen Pool zur Entdeckung großartiger Musik in einer einzigartigen Umgebung machen. Von daher war auch diese Edition wieder einmal ein Hochgenuss für all jene, die die Musik zelebrieren wollen, sich von ihr dahintreiben und emotional berühren lassen wollen, und gleichzeitig großen Spaß und Freude dabei haben, all dies gemeinsam in einem gar familiären Rahmen zu tun. Es bleibt dabei: Das Prophecy Fest steht alljährlich für einzigartige und besondere Momente.
Bericht: Michi
Bilder: Roksana, Matthias
Mehr von den Bands bei Dark-Art findet ihr hier:
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- Interview: Blazing Eternity auf dem Prophecy fest 2024
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- Review: Blazing Eternity – A Certain End of Everything
- Review: Blazing Eternity – A Certain End of Everything (English Version)
- Festivalbericht: Ragnarök Festival, Samstag den 06.04.2024
- Review: Alcest – Les chants de l’aurore
- Festivalbericht: Dark Easter Metal Meeting, Samstag 30.03.2024
Frühere Beiträge zum Prophecy Fest findet ihr hier:
- Festivalbericht: Prophecy Fest 2024 – Freitag
- Interview: Tim Yatras von Germ auf dem Prophecy fest 2024
- Festivalbericht: Prophecy Fest 2024 (Donnerstag)
- Interview: Blazing Eternity auf dem Prophecy fest 2024
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