Anfang April fand in Lichtenfels das Ragnarök Festival statt. An drei Tagen spielten 22 Bands aus verschiedenen Ländern auf den zwei Bühnen in der Stadthalle Lichtenfels. Dark Art war vor Ort und berichtet der geneigten Leserschaft mit Text und Bild von den einzelnen Auftritten. Viel Spaß beim Lesen.
Am 12. Dezember rief das Ragnarök Festival zur Abstimmung für den Opener Slot am Donnerstag auf und gewonnen hatte die Band Boötes Void aus Würzburg. Ein sanftes Intro leitete den Auftritt an und als der Vorhang fiel, standen alle Musiker reglos an ihren Plätzen. Dort verharrten sie, bis sie im Einklang in das Opening einstiegen und aus den sanften, melancholischen Akkorden musikalisch ein dichtes, atmosphärisches Geflecht webten. Die Musik fuhr wiederholt an und wurde anschließend gedrosselt, um eine pechschwarze Berg- und Talfahrt zu erschaffen. Für den ersten Auftritt versammelten sich hunderte Besucher vor der Bühne und auch die Tribüne war gut besetzt gewesen. Das war eine sehr gute Resonanz für den Opener. Eine kleine Besonderheit könnte jedem aufgefallen sein, welcher die Band bereits live gesehen hatte. Der Frontmann hatte nicht seinen bekannten Widderschädel auf dem Kopf, wie es zum Beispiel auf dem vierten Baphofest in Würzburg der Fall war, sondern eine schwarz-weiße Maske, wie die restlichen Musiker auch. Ob dies eine permanente Veränderung in der Darstellung bei Boötes Void ist, wird die Zeit zeigen.
Die Musiker von Gasbrand betraten die Bühne, griffen sich Gitarre und Sticks und schmetterten ohne Umschweife ihre Musik über das Geschehen. Ohne Begrüßung und ohne eine Ansage spielten sie Raw Black Metal mit einigen atmosphärischen Einschlägen und kleinen Melodiebögen. Besonders die kurzen Breaks, in welchen das Tempo stark gedrosselt wurde, ließen mich wiederholt und freudig aufhorchen. Der Umstand, dass Gasbrand ein Duo-Projekt ist, bildet den Beweis, dass Qualität und nicht Quantität auf der Bühne relevant ist. Ich erinnerte mich sofort an das Duo-Projekt von Depressive Witches, welches auf dem Dark Troll 2023 spielte. Eine einzelne Ansage durchbrach das Set dann doch und beeindruckte mich mit ihrem Inhalt: Der Frontmann berichtete von Valfar, dem Gründer und Frontmann von Windir. Der Mann verstarb bei einer Wanderung im Winter, bei welcher er sich verirrte und der Unterkühlung erlag. Ihm zu Ehren spielten Gasbrand das Lied Journey to the End von Windir. Für mich eine ergreifende Geste und ein besonderer Moment auf dem Festival. Wer diesen Auftritt verpasst hat und zufällig auf dem Walpurgisnacht Festival in Berlin sein wird, der hat die Möglichkeit, Gasbrand mit genau demselben Set wieder zu sehen.
Nach dem Duo folgte das Solo-Projekt von Vermilia. Die Frontfrau, in einem schwarzen Kleid und mit auffälliger Gesichtsbemalung, betrat die Bühne. Die restlichen Musiker waren jeweils mit denselben schwarzen Kapuzen und grauen Mundtüchern vermummt, um den Fokus auf die Solo-Künstlerin zu richten. Sie begannen in ihrer Musik einen Spagat zwischen brachialem, kaltem Black Metal und ruhigen, meditativen und teils epochalen Passagen. Vermilia wechselte von kreischenden Screams zu sanftem Klargesang und zurück. In den ruhigen Passagen nutzte die Frontfrau zusätzlich eine Flöte und eine Rahmentrommel und verlieh der Musik Anleihen von Folk. Die Künstlerin verschaffte dem Black Metal eine seltene Eleganz und eine erfrischende Leichtigkeit, welche ich selten bei dieser sonst so drückenden Musik erleben durfte. Die Gesichter um mich zeigten stummes Staunen oder waren in Trance entspannt. Weiter weg flogen die Haare im Takt der Musik. Ein sichtbarer Kontrast im Verhalten der Besucher. Für mich war Vermilia ein besonderer Akt auf dem diesjährigen Ragnarök Festival.
Robse ist ein Name, welcher in der Pagan- und Black Metal-Szene vielen bekannt ist. Er war Frontmann von Minas Morgul und für viele Jahre das Gesicht von Equilibrium. Bei seinem Namen muss ich immer an die kurze Szene aus dem Musikvideo von Wirtshausgaudi denken, wo er gekonnt aus einer Maß Bier trinkt. Heute ist Robse nicht mehr Teil dieser Bands und es wurde ruhig um ihn. Doch eines Tages ein Lebenszeichen: Die Band ROBSE hat sich gegründet und lange rätselten die Fans, welche Musik die Musiker um den bekannten Frontmann spielen würden. Am Mittwoch, dem 03.04.2024, ein Tag vor dem Ragnarök Festival, wurde das erste Material in Form des Musikvideos zu Harlekin & Krieger veröffentlicht. Einen Tag später war auch gleich das erste Konzert von ROBSE und der Schleier des geheimnisvollen wurde mit einem Donnerknall gelüftet! „Ich bin zurück“, rief der Frontmann nach einem theatralischen Opening und dann ging es auch schlagartig weiter. Die Musik war eine Mischung aus kantigen Riffs und donnernden Drums, gelegentlich von epischen Akkorden durchsetzt. Es erinnerte mich etwas an die Musik von Equilibrium vor ihrem Armageddon-Album. Das Ende des Konzertes markierten Technobeats und tanzende Musiker auf der Bühne. Die Premiere war ein starker Auftakt für den weiteren Weg der Band und mal schauen, wohin dieser Weg sie führen mag.
Headliner des ersten Tages war niemand geringeres als die Band Varg, eine der ganz großen Nummern des deutschen Pagan-Metal. Fingen sie als Pagan-Black Metal Band, mit tiefen Screams und einem brutalen Hang zu Wölfen und Hinrichtungsmethoden der Wikinger an, spielen sie auf den beiden letzten Alben einen vielseitigen, melodischen Pagan Metal. Diese Entwicklung konnten die Besucher beim Auftritt direkt erleben, denn die Setliste enthielt einige Tracks aus vergangenen Alben, als die Musik noch eine härtere Gangart einschlug. Doch der Großteil der Lieder stammte von den neusten Werken, Zeichen und Ewige Wacht. Eine Besonderheit der neueren Tracks stellt die Sängerin Jaqueline “Fylgja” Seiler dar, welche den Liedern mit ihrer hohen, glockenhellen Stimme eine sanftere Note verleiht und im Duett dem Frontmann Freki einen Kontrast liefert. Die Duette und die gelegentlichen Breaks zu ruhigeren Passagen in dem ansonsten akustischen, wilden Sturm gehören zu den neuen Stärken der Band. Trotzdem war die Musik von Varg laut, hart und verflucht kantig gewesen und auch die Bühnendarstellung war martialisch veranlagt. Damit brachten sie die Hütte zum Brennen und das nicht nur im sprichwörtlichen Sinne, denn zu jedem dritten Lied, besonders den alten Tracks, zündete die Band immer und immer wieder eine Pyroshow. Dem Headliner Slot hat sich die Band mit diesem Auftritt wirklich als würdig erwiesen.
Den Abschluss am Donnerstag bildete die Moshers Night, eine besondere Abschlussparty für die Besucher des Festivals. Musik verschiedenster Bands wurde als Playlist abgespielt. Zu den Bands zählten unter anderem In Extremo, Alestorm, Brothers of Metal, Electric Callboy, Rammstein, Linkin Park, System of a Down und so weiter. Ein wilder Mix für die Party, an welcher noch ca. 300 bis 400 Besucher teilnahmen. Zwischendurch zündete DJ Schnapsi mehrmals eine Bengalo. Begleitet wurde er außerdem von zwei Tänzerinnen, die elegant und lasziv über die Bühne tanzten und dabei Dessous trugen. In den Pausen wechselten sie die Dessous gegen eine knappe Schuluniform oder ein knappes Nonnenkostüm, am Ende fielen auch diese Klamotten, zumindest bei der einen Tänzerin. Zwischen den Tanzeinlagen versorgten sie Besucher mit Schnaps, direkt aus der Flasche in die aufgerissenen Münder. Gegen Ende wurde hinter der Bühne eine aufblasbare Schwimminsel Version Einhorn hervorgekramt und in die Crowd geworfen. Eine Besucherin ließ sich emporheben und glitt auf der Insel über die Menge zur Bühne und durfte ebenfalls eine Tanzeinlage hinlegen. Die Moshers Night war bereits letztes Jahr auf dem Ragnarök Festival ein voller Erfolg, nachlesbar in unserem Festivalbericht vom letzten Jahr, und bildete auch dieses Mal wieder den perfekten Abschluss.
So endete auch schon der Donnerstag mit den ersten sechs Auftritten. Die Anzahl der Künstler wird sich an den kommenden beiden Tagen mindestens verdoppeln. Diese beiden Festivaltage haben wir natürlich ebenfalls besucht und können euch auch hier unsere Eindrücke in Bild und Text wiedergeben. Freut euch auf weitere Festivalberichte vom Ragnarök Festival.
Kommentar von Steffi:
Für mich ist das Ragnarök Festival immer wieder ein großes Treffen mit Freunden und verdammt guter Musik. So auch diesmal. Boötes Void gaben einen verdammt guten Opener ab und lieferten einen schnörkellosen und fesselnden Auftritt. Mein Highlight am Donnerstag war aber Vermilia, eine Künstlerin, welche ich schon länger mal sehen wollte. Jetzt hat es endlich geklappt, und ich wurde nicht enttäuscht. Mit ihrer Präsenz zog sie einfach alle in ihren Bann. Melodisch, faszinierend und teilweise brachialer, in die klassische Schublade stecken geht hier nicht. Ich freue mich schon, sie auf dem Dark Troll Festival noch einmal zu sehen! Auf Robse war ich natürlich auch sehr gespannt, hatte mir aber im Nachhinein etwas mehr Richtung Pagan gewünscht. So war es mehr Melo Death mit Pagan Einflüssen, aber so richtig überzeugt hat mich dieser erste Auftritt noch nicht. Ich darf die Truppe aber dieses Jahr noch ein paarmal sehen, mal schauen, ob sie mich im Laufe des Jahres überzeugen können. Trotzdem war es ein guter Auftritt, welcher durchaus überzeugen konnte.
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