
Während die Welt am ersten Maiwochenende zwischen Frühlingsgefühlen und Maifeiern taumelte, versammelte sich im Berliner ORWOhaus eine ganz andere Gemeinde – jene, die den dunklen Künsten des Black Metal huldigt. Am 2. und 3. Mai 2025 öffnete die Walpurgisnacht erneut ihre Pforten, um die Nacht mit kalter Raserei, misanthropischer Klanggewalt und ritueller Intensität zu erfüllen.
An zwei Tagen spielten insgesamt 16 Bands aus dem In- und Ausland, die allesamt aus dem weiten Spektrum des Black Metal stammen – von klassisch nordisch-kalten Klängen über atmosphärisch-melancholische Soundlandschaften bis hin zu punkig-dreckigem oder rituell-mystischem Black Metal war alles vertreten. Die Veranstalter des De Mortem et Diabolum hatten ein Line-up zusammengestellt, das die Vielfalt des Genres gut widerspiegelt.
Die Location selbst, das legendäre ORWO Haus im Berliner Osten, bot dafür einmal mehr den perfekten Rahmen: roher Beton, schummriges Licht, klamme Luft – ein Hort der Subkultur, der an diesen beiden Abenden zur Pilgerstätte für schwarzmetallische Seelen wurde.
Spere – Ein neues Projekt eröffnet den Festivaltag
Den zweiten Festivaltag eröffnete das neue Projekt Spere, hinter dem der umtriebige Musiker Nerrath steckt. Unterstützt wurde er von Benjamin Fritsch, mit dem er auch bei Cross Vault musiziert. Gemeinsam standen die beiden als Duo auf der Bühne – still, maskiert, in Kapuzen gehüllt und mit Lederwesten samt kupfernen Ketten und Anhängern bekleidet. Die zurückhaltende Lichtführung ließ den Frontmann meist nur als schemenhafte Silhouette erscheinen. Es gab keine Ansagen, keine Show – nur pure, rohe Musik: wuchtiger Black Metal mit einem Hauch Rock’n’Roll, getragen von Nerraths rauer, kerniger Stimme. Die reduzierte Präsentation verlieh dem Set eine klinische und wuchtige Atmosphäre. Ohne große Gesten, aber mit voller Kraft endete dieses karge und kraftvolle Eröffnungsritual.
Bearer // Charburner // Krier // Kombatant //Nawigator // Medikus // Kevalier // Krafter
Infestus – Der Sturm aus der Entzweiung
Infestus präsentierten sich mit epischem Gestus und musikalischer Wucht. Noch während eine Sprachaufnahme aus dem Off erklang, standen die Musiker mit dem Rücken zum Publikum – ein Moment der Spannung, bevor das Stakkato aus finsteren Klängen losbrach. Der Sänger war ein entfesselter Wirbelsturm: ständig in Bewegung, griff er mal zur Gitarre, dann wieder ans Mikrofon, tanzte, wirbelte, tobte. Ansagen kamen mit einer ordentlichen Portion Pathos. Für die Fans der letzten Veröffentlichung wurde mit Quell der Entzweiung ein Stück des aktuellen Albums Entzweiung angestimmt. Der Auftritt gipfelte in einem finalen Monument: Nach einem kurzen, düsteren Pianozwischenspiel baute sich der letzte Song zu einer bedrohlich dichten Klangwand auf – ein großartiges Ende für diesen expressiven Auftritt.
Down Spiral Depersonification // Seed of Agony // Quell der Entzweiung // Willinglessly Anticipating Death // Fuga Nocturna
Deitus – Rasender Höllenritt
Deitus rissen das Publikum sofort mit: Gitarren jaulten, die Teufelshörner gen Himmel gereckt – und schon tobte das Chaos. Noch ehe der Sänger die Bühne betrat, waren Haare und Fäuste in der Luft. Dann erschien er: mit stechendem Blick, Kunstblut über Gesicht und Arme verteilt, und einer Präsenz, die elektrisierte. In einem unvergesslichen Moment stieg er von der Bühne herab, beugte sich über den Wellenbrecher und schrie seine Texte ins Publikum – bedrohlich nah. Die Musik war gnadenlos schnell, das Geschehen auf der Bühne eine Explosion aus Energie. Ohne Pausen wechselten die Songs ineinander über. Kurz vor Schluss wurde es für einen Moment doch ruhig und ein ergreifendes Gitarrensolo setzte ein – nur damit der finale Sturm losbrechen kann. Der Sänger kehrte für einen letzten direkten Kontakt mit dem Publikum noch einmal hinunter in die Menge zurück. Intensiv und unvergesslich.
Incursion // Straight For Your Throat // Lightbearer // A Scar For Serenity // Postmortem // Malaise // Via Dolorosa
Grift (1. Set – Akustisch) Zwischen Wind, Holz und Schweigen
Eine besondere Überraschung war das erste Set von Grift, der sein Publikum mit einem akustischen Auftritt im Freien verzauberte. Zwar war eine solche Show angekündigt, doch wer sie spielen würde, blieb bis zuletzt ein Geheimnis. Dann, draußen in einer Senke mit Amphitheater-Atmosphäre, wurde es gelüftet: Grift. Unter einem grauen Himmel spielte er allein mit Gitarre, unterstützt von einigen Naturaufnahmen. Die Sonne war verschwunden, kalter Wind zog über das Gelände – doch all das verstärkte nur die melancholische Stimmung. Die Bänke waren voll besetzt, das Publikum lauschte andächtig. Vor dem letzten Lied sagte er nur mit trockenem Humor: „This is my Punksong“ – dieser Auftritt war ein stiller Höhepunkt des Tages.
Angstskríg – Modernität, Kontraste und Black Metal in einem Auftritt
Angstskríg überzeugten nicht nur musikalisch, sondern auch mit einer der visuell durchdachtesten Shows des Festivals. Zwei Hochkant-Bildschirme zeigten abwechselnd Videos, das aktuelle Coverartwork und das Bandlogo. Mit einem fast poppigen Intro begann der Auftritt, die Musiker trugen schwarze Masken, der Frontmann eine Melone – und begrüßte das Publikum mit einem launigen Spruch wie auf dem Rummelplatz. Dann explodierte der Black Metal: roh, direkt, energiegeladen. Trotz dänischer Herkunft sprach der Sänger perfektes Deutsch, was dem Auftritt eine zusätzliche Nähe verlieh. „Let’s have dance“, rief er – und plötzlich wurde es funky, tanzbar, überraschend. Der Schlagzeuger glänzte mit präzisem, virtuosen Spiel. Ein ungewöhnlicher, aber äußerst unterhaltsamer Gig.
Los Males del Mundo – Eiskalter Ausdruck voller Leidenschaft
Endlich war es so weit: Los Males del Mundo konnten ihren abgesagten Auftritt beim De Mortem Et Diabolum Festival vor zwei Jahren nachholen. Und wie! Ihre Musik begann mit kühlen Riffs und entfaltete sich zu epischem, melodisch-melancholischem Black Metal. Das Publikum stand dicht gedrängt – ein schwarzes Meer, das gebannt auf die Bühne starrte. Im Kontrast zur kalten Musik wirkte der Sänger mit seinen sanften Ansagen fast zärtlich. Jeder Musiker lebte seine Parts mit eindrucksvoller Leidenschaft, ohne je ins Theatralische abzurutschen. Unterstützt wurde der Sänger von Gastmusikern von Der Weg einer Freiheit, was diesem Auftritt mit Blick auf das Line-Up zusätzliches Gewicht verlieh.
Falling Into Nothing // The Silent Agony // Eternal Circle Of Vain Efforts // Nothing But A Lie // The Heavy Burden
Grift (2. Set – Black Metal) Grüne Blätter, Glocken, Klanggeflecht
Der zweite Auftritt von Grift war ebenso besonders wie der Erste: Das Debütalbum Syner wurde live gespielt – eine seltene Gelegenheit. Äste am Mikrofonständer, Kräuter und Pflanzen zwischen den Boxen – das Setting war schlicht, aber stimmungsvoll. Zu Beginn ertönten Eulenrufe, der Sänger hockte am Boden, klimperte mit kleinen Glocken. Die Musik selbst: langatmiger, atmosphärischer Black Metal mit kunstvollen Tempowechseln und einer dichten, aber nie überladenen Klangwand. Der Auftritt war schlicht und schön, eine Verschnaufpause mit Tiefgang. Nach einer Zugabe verließ die Band endgültig unter tosendem Applaus die Bühne – ein würdevoller Abschluss für
Grift.
Fen – Nebel, Licht und pure Energie
Mit Fen brach die vorletzte Klangwelle des Festivals über die Besucher herein. Nebel und blaues Licht erfüllten die Bühne, die Musiker betraten sie energisch und begannen sofort mit ihrer Darbietung. Die Musik war wie Nebel selbst: dicht, umhüllend, schwer fassbar – aber voller Emotion und Kraft. Besonders der Bassist zog die Blicke auf sich, wirbelte über die Bühne, forderte mit erhobener Faust das Publikum zum Mitmachen auf – was diese mit Begeisterung tat. Ein kollektiver Moment aus Bewegung, Licht und Klang entstand. Fen lieferten ein intensives Set, das wie geschaffen war für die vorletzte Stunde des Festivals.
Der Weg einer Freiheit – Der feierliche Abschluss
Der Weg einer Freiheit beendeten das diesjährige Walpurgisnacht Festival mit einem Auftritt voller Erhabenheit. Nachdem das Drumset komplett ausgetauscht wurde, begann die Show mit Licht, Nebel und zurückhaltender Bühnenchoreografie. Die Musiker trugen schwarze Kleidung, das Licht war weiß – puristisch, aber wirkungsvoll. Die Musik wirkte stellenweise fast symphonisch, besonders ein Moment, in dem der Gitarrist kniete, während seine Mitstreiter sich spielend zurückzogen, war beeindruckend. Mit einer Tour zum neuen Album im Gepäck verabschiedete sich die Band scheinbar – nur um noch einmal zurückzukehren. Zum Abschluss gab es ein „schnelles Lied“, das sich als zehnminütiges episches Finale entpuppte. Ein krönender Abschluss.
Fazit – Klanggewitter, Akustikzauber und Wiedersehensfreude
Der Samstag des Walpurgisnacht Festivals 2025 war eine Reise durch die vielfältigen Ausdrucksformen des Black Metal – von rituellen Klängen über akustische Zwischentöne bis hin zu audiovisuellen Frontalangriffen. Die Bandauswahl überzeugte durch Vielfalt und Qualität, und so wie sich das Festival stetig weiterentwickelt, wuchs auch die Verbundenheit der Szene mit diesem besonderen Ereignis.
Mit einem intensiven, stimmungsvollen Tag im Gedächtnis blicken wir bereits auf das De Mortem Et Diabolum Festival in diesem Jahr – und auch die Walpurgisnacht V im nächsten Jahr ist fest in unserem Kalender eingeplant. Denn was hier in den Hallen des ORWOhaus erschaffen wurde, war mehr als Musik – es war ein gelebtes Ritual der Dunkelheit.
Bericht: Maximilian
Bilder: Matthias
Mehr von der Walpurgisnacht und dem De Mortem et Diabolum bei Dark-Art findet ihr hier:
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- Festivalbericht: Walpurgisnacht Festival Vol.III, Samstag 27.04.2024
- Festivalbericht: Walpurgisnacht Festival Vol.III, Freitag 26.04.2024
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Mehr von den Bands bei Dark-Art findet ihr hier:
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