Die Festivalsaison nimmt nach der Flaute der letzten Jahre endlich wieder Fahrt auf. Mit am Start die fünfzehnte Ausgabe des Hexentanzfestivals in Großrosseln. Großrosseln? Wo soll das denn sein? War das Festival nicht immer woanders? Ja. Das Festival wurde tatsächlich um etwa 40 km Luftlinie nach Süden von Losheim am See nach Großrosseln direkt an die deutsch-französische Grenze verlegt. Nachdem es mehrfach verschoben wurde, und zwischendrin auch auf der Kippe stand, ob es überhaupt noch einmal stattfinden würde, konnte der Hexentanz nun endlich wieder aufgeführt werden. Überteuertes Essen und Getränke, Stände mit aller Art von Schmuck und Kleidung für den modebewussten Goth oder Mittelalterenthusiasten ließen gleich Festivalstimmung aufkommen. Das neue Gelände kam gut an, allein schon wegen der geschotterten Wiese. Die Veranstaltung war in früheren Inkarnationen auf dem alten Gelände schon das ein oder andere Mal in eine regelrechte Schlammschlacht ausgeartet, was sich hier durch den festeren Boden absehbar in Grenzen hielt. Zumindest am ersten Tag. Die Wege auf dem Gelände des Eventwerks Saar sind sehr kurz, man hat viel Platz und vor allem kann man direkt vor dem Eingang parken und muss nicht erst eine halbe Weltreise (15 Minuten Fußweg) zurücklegen wie in Losheim.
Die Schlange vor dem Einlass war recht überschaubar, man merkte, dass Freitag ein normaler Werktag ist und viele arbeiten müssen. Das sollte sich im Laufe des Nachmittags aber noch deutlich ändern.
Mystigma
Den Auftakt am Freitag machten die Dark Rocker von Mystigma. Leider mussten viele die Musik von außerhalb des Geländes genießen, denn die Feuerwehr hatte wohl das Gelände nicht zum geplanten Einlass um 13 Uhr freigegeben, wie man mir später mitteilte. Es gab außerdem ein paar organisatorische Probleme, die dazu führten, dass die Pressebändchen erst nach fast dem gesamten Auftritt an unsere Handgelenke wanderten und wir ihn auch quasi komplett verpassten. Deshalb haben wir heute leider kein Foto für euch, obwohl es die Truppe wirklich verdient hätte, denn sie haben, zumindest in dem Teil, den ich vom Auftritt mitbekommen habe, trotz des kaum vorhandenen Publikums alles gegeben.
Circus of Fools
Pünktlich zum zweiten Act des Tages waren wir dann auch endlich auf dem Gelände. Circus of Fools heizten dem noch ziemlich spärlich gefüllten Gelände aber ganz schön ein. Mit neuem Drummer, viel Make-up und aufwendigen Zirkuskostümen im Gepäck machten sie trotz leichtem Regen und den kühlen Temperaturen ziemlich gute Stimmung. Neben Songs vom aktuellen Album A Broadcast from Gen.0 wurden auch Klassiker der Band wie Eris (To the Fairest One) gespielt und somit gab die Band nicht nur optisch einiges her, sondern auch geballte Energie auf die Ohren. Obwohl (oder gerade weil) sie mit ihrer Mischung aus vielen Metalstilen für dieses Festival schon fast zu hart waren, machte der Auftritt die Startschwierigkeiten des Festivals definitiv wett. Obwohl sie schon seit über zehn Jahren bestehen, besetzen sie eher die niedrigen Slots auf Festivals, was sich schleunigst ändern sollte. Ich kannte sie vorher gar nicht, aber sie haben sich mit diesen etwa vierzig Minuten auf jeden Fall den Weg in meine Playlist erschlichen.
Blitz Union
Kontrastprogramm gab es im Anschluss mit Blitz Union. Der mysteriöse Mr. Blitz betrat die Bühne, um das Publikum auf das Kommende vorzubereiten. Es folgte die eigentliche Band in ihrer minimalistischen silber-schwarzen Ästhetik. Es wurde sehr elektronisch und äußerst gesellschaftskritisch. Die „ergrauten Jungspunde“ (Zitat eines Kollegen) aus Tschechien sind mit ihrer Nu-Metal-EDM-Pop-Chimäre die Newcomer des letzten Jahres und zurzeit als ungleiches Duo mit Subway to Sally auf Himmelfahrt Tour. Die „Rammstein for Gen Z“ (laut eigener Aussage die Bezeichnung der Presse für sie) überraschten und begeisterten die angewachsene Crowd auf dem inzwischen dämpfigen Gelände mit Songs wie Hotel India Victoria, einer deutschen Version von Plastic und einem Cover von a-has The Sun Shines Always on TV. Der Sänger Mark Blitz, dessen Gesicht wie auch sein restlicher Körper eine erstaunliche Beweglichkeit aufweist, flitzte konstant über die Bühne, war mal hier und mal dort und konnte so auch durch allerlei faziale Entgleisungen die Laune dauerhaft oben halten. Sie waren definitiv die Überraschung des Tages und werden in Zukunft noch von sich hören machen. Und das sehr laut!
Ignis Fatuu
Was kommt nach EDM Rock? Genau, natürlich Mittelalter Rock – zumindest im Line Up auf dem Platz des stillgelegten Bergwerks, das als Veranstaltungsort des Hexentanzes dient. Die Truppe um P.G. wurde vom Publikum heiß erwartet und mit lauten „Ignis Fatuu!“-Rufen auf die Bühne gebeten. Selbst die Sonne schien den Auftritt zu begrüßen, denn nachdem die Band bei ihrem letzten Auftritt auf dem Hexentanz 2018 durch eine Unwetterwarnung unverhofft zum Headliner wurde, zeigte sie sich hier sogar einmal und schien den Leuten sichtlich gutzutun. Die vier Reiter der Apokalypse durften natürlich genauso wenig fehlen wie Das Spiel des Lebens und auch nach dem Auftritt ging die gute Stimmung mit der Band am Meet and Greet Stand munter weiter. Die Tische dort waren hinterher, sagen wir einmal „interessant“, verziert. Die, zumindest den Rufen nach, meist erwartete Band des Tages lieferte heute einfach ab – anders kann man es nicht sagen.
Ragnaröek
Mittelalterlich, aber deutlich härter, ging es bei strahlendem Sonnenschein weiter. Ragnaröek, ohne Zeus, dafür mit neuem Bassisten, hielten die Laune gleich oben. Die Menge war buchstäblich Feuer und Flamme, was wohl auch durch die Feuerspuckkünste des Schmieds begünstigt wurde. Die Crowd ging ordentlich mit, wie unschwer an der Dampfglocke zu erkennen war, die über dem Gelände hing. Highlight des Auftritts war natürlich der lange Trichter, mit dem einzelne Leute aus der Menge passend zum Song Trinkfest 5-4-3-2-1 mit Rum abgefüllt wurden. Das gemeinsame Wolfsgeheul der Menge klappte auch deutlich besser als noch zuvor bei Ignis Fatuu, wo es noch eher nach einer kläglichen Katze klang. Die Meute hatte inzwischen anscheinend heimlich geübt. Auch hier blieb die ausgelassene Stimmung am Meet and Greet Stand bestehen – Selfie über Selfie, bis die Sonne langsam drohte unterzugehen und Diary of Dreams die Bühne betraten.
Diary of Dreams
Vor dem krönenden Abschluss des doch recht mittelalterlastigen Tages wurde es mit Diary of Dreams noch einmal elektronischer. Passend zur sinkenden Sonne, die den Himmel in ein zartes Pink tauchte, erschallten nun melancholischere Klänge über den Platz, die zum Ausruhen einluden, der Stimmung gleichzeitig aber keinen Abbruch taten. Gespielt wurden neben älteren Stücken auch Songs vom aktuellen Album Melancholin, was erst im Februar erschienen ist und obwohl oder vielleicht auch gerade weil der Name des Albums Programm war, war es ein wirklich starker Auftritt.
Subway to Sally
Den ganzen Tag erwartet und heiß ersehnt, war es endlich Zeit für die Headliner des Tages Subway to Sally. Mit Blitz Union als Support haben sie sich auf Himmelfahrt Tour durch Deutschland begeben und machten dabei auch auf dem Hexentanz Festival halt. Sie drehten zum Ende des Festivals gerade nach der „Entspannung“ von eben noch einmal richtig auf. Neben Songs vom neuen Album, wie Leinen Los, wurden auch Klassiker wie Eisblumen zum Besten gegeben. Letzteres wurde in einem Gänsehautmoment vom Publikum sogar a Capella mitgesungen und sorgte für einige Ohrwürmer. So hörte man später in der Hotellobby beim Zusammensitzen mit anderen Festivalgästen und sogar beim Frühstück am nächsten Tag noch das ein oder andere gemurmelt gesungene oder gesummte „Eisblumen, wir blühen in der Nacht“. Alles in allem ein schöner Abschluss des ersten Festivaltages.
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