Konzertbericht: Apocalyptica – Plays Metallica Vol. 2 Tour 2024 – Schlachthof Wiesbaden

Pixonstage

Woran merkt man, dass die Zeit vergeht? Vielleicht daran, dass die Kinder, Neffen, Nichten etc. plötzlich nicht mehr in der Grundschule sind, sondern sich nach Ausbildungsberufen umsehen. Oder wenn man zu einer Band geht, die man gefühlt schon sein ganzes Leben lang kennt, und überlegt, wo man sie zum ersten Mal gehört hat und feststellt, dass das noch zu Zeiten war, als man Radio hören konnte. Nicht Radio Bob, sondern Antenne Bayern, Bayern 3 usw., weil Rock/Metal im Mainstream verankert waren und Bands wie Apocalyptica einfach im Abendprogramm vorgestellt wurden. Oder wenn man auf ein Konzert geht und Freunde und Bekannte mit ihren pubertierenden Söhnen auftauchen.

Was waren das noch für Zeiten, dachten sich wohl auch Apocalyptica und nahmen 28 Jahre nach dem Erscheinen ihres Debütalbums Plays Metallica By Four Cellos (1996) ein weiteres reines Metallica-Coveralbum auf und nannten es Apocalyptica Plays Metallica Vol. 2. Zwei Dinge haben sich seitdem bei Apocalyptica geändert: Sie sind jetzt ein Trio und die beiden Bands sind befreundet, was dazu führte, dass auf dem aktuellen Longplayer von Apocalyptica auch Bandmitglieder von Metallica zu hören sind.

Aber eine CD ist immer nur so gut, wie sie live gespielt wird, und um das zu erleben, strömten wir Anfang Oktober zusammen mit vielen anderen Fans in den Schlachthof in Wiesbaden. Die Location war nicht ausverkauft und der Schlachthof hatte gleich ein anderes Flair und vor allem weniger Gedränge. Das Publikum war voller Vorfreude und so füllte sich der Saal recht schnell. Es wurde auch Zeit, denn die Vorgruppe begann mit der Show.

The Raven Age

Hat es eine Band mit dem Sohn von Iron Maiden-Bassist Steve Harris leichter oder schwerer, im Genre Fuß zu fassen? Sicherlich eine Frage, die die fünf Engländer öfters zu hören bekommen. Dann lass uns mal abwarten, wie das Ergebnis klingt. Die Show begann mit dem Intro Changing of the Guard, welches man auf dem aktuellen Album Blood Omens (Juli 2023) nachhören kann. Die Bühne war in dunkle Rottöne getaucht und mit Drummer Jail Patel und den Gitarristen Tommy Gentry und George Harris begann der Gig. Überhaupt war alles etwas düsterer gehalten, die Musiker trugen schwarze Kleidung, ihr Hals war schwarz geschminkt und Frontmann Matt James kam zusätzlich im langen Stoffmantel auf die Bühne. Die Show war eine gute Mischung aus Midtempo-Nummern zwischen richtig gutem Melodic-Metalcore und Power-Balladen. Auf der Bühne war viel los.

Die Falsettstimme von Sänger Matt James wurde durchgehend von Bassist Matt Cox gesanglich unterstützt. Er übernahm die Backing Vocals oder Screams/Growls. Bei den Songs Serpents Tongue und Grave of the Fireflies war zusätzlich Tommy Gentry als Backing Vocalist beteiligt. Er wurde bei No Man’s Land von Georg Harris abgelöst, der als zweiter Sänger die Backing Vocals übernahm. Nicht nur gesanglich wurde hier einiges geboten, so kam man auch in den Genuss von Gitarrensoli. Tom Gentry zeigte vor allem bei den Songs Nostradamus, The Journey und Grave of the Fireflies sein Können und spielte seine Soli auf der Monitorbox.

Einer der Höhepunkte war, als der Sänger seinen Mantel nach gut der Hälfe der Show gegen Lederjacke und Akustikgitarre eintauschte und die Power-Ballade The Journey anstimmte, bei der ihn wiederum Matt Cox und George Harris im Refrain dreistimmig unterstützten. Auch das Publikum wurde zum Mitmachen animiert und so gab es bei Grave of the Fireflies neben Backlight auch viele Handylichter, passend zum Song.

Fazit zu meiner Frage vom Anfang, ich hatte schnell vergessen, dass der Sohn von Steve Harris auf der Bühne stand. Die Band hat ihren ganz eigenen Stil. Als Zuhörer fand ich die Lichtwahl in dunklen Blau- und Rottönen und damit eine dunklere Bühne sehr angenehm. Die Backing Vocals haben die Songs abgerundet und niemand musste zurückstehen. Auch die Soli waren gut platziert, sodass es nicht zu eintönig wurde und für die kurze Zeit wirklich viel geboten wurde.

Setlist:

Changing of the Guard // Serpents Tongue  // Nostradamus // No Man’s Land // The Day the World Stood Still // The Journey // Essence of Time // Grave of the Fireflies // Fleur de Lis

Apocalyptica

Die Bühne war hinter einem weißen Vorhang verdeckt, sodass man den Bühnenumbau nicht verfolgen konnte.

Mit den ersten Tönen des Ennio Morricone-Klassikers The Ecstasy Of Gold begann die Performance. Die Metallica-Fans unter uns kennen dieses Lied, denn es ist seit den 1980er Jahren das Intro jeder Live-Show von Metallica. Gespielt wurde es komplett hinter dem Vorhang, so dass man nur Schatten, Lichtkegel und den Klang des Cellos/Orchesters sehen/hören konnte. Wurden die ersten Töne von Ride the Lightning noch hinter dem Stoff gespielt, begann die Party mit einem lauten Knall. Dass sich der Song gut als Opener eignet, hat er bereits auf der aktuellen CD bewiesen. Es ist ein Klassiker und so wurde die Band mit Jubel, Applaus und Beifall bedacht.

Was die drei Musiker da aus ihren Instrumenten zaubern, ist schon der absolute Wahnsinn. Von der ersten Minute an hatte ich das Gefühl, mitten in einem Metallica-Konzert zu sein. Das Schlagzeug ging mir mehrmals durch Mark und Bein und wurde von den Cellisten perfekt ergänzt. Und das Trio übernimmt Bass, Gitarre und Gesang auf dem Cello. Die Künstler waren mit Leib und Seele bei der Sache. Immer wieder sah man Eicca Toppinen headbangen, ebenso wie einige Zuschauer. Die Musiker wechselten mit ihren Celli die Positionen, gingen zum Schlagzeuger oder zum erkrankten Kollegen Perttu Kivilaakso. Er hatte zwar Fieber, wollte aber trotzdem spielen. So blieb er die meiste Zeit sitzen und die Zeitreise durch die Songs von Metallica ging weiter.

Im Hintergrund war die ganze Bühne mit einer LED-Leinwand abgehängt, auf der passend zum Song entweder der Bandname, Bilder oder Textpassagen eingeblendet wurden. Im Falle von Enter Sandman wurde „Exit light / Enter night / Take my hand / We’re off to never-never land“ eingeblendet und wir Fans sangen dankbar mit. Insgesamt lebte die Show neben der Power der Musiker von der Licht- und Lasershow und den Handykameras der Fans. Subjektiv habe ich noch nie so viele Handykameras in den ersten Reihen gesehen, die ganze Songs aufnahmen.

Call of Cuthulu wurde von Mastermind Eicca Toppinen mit der Frage eingeleitet, wer die Band in den 90er Jahren live gesehen habe. Er erzählte, dass die Band im Backstagebereich ein Ticket von ihrer ersten Tour entdeckt habe, die sie 1997 in den Schlachthof führte, und bedankte sich für die Unterstützung. Er erzählt von der besonderen Liebe zu Metallica und in den Augen von Eicca Topinnen hat Cliff Burton als ursprünglicher Bassist die Band und die gesamte Metalszene geprägt. Cliff Burton starb 1986 bei einem Unfall mit einem Tourbus. Call of Kutulu wurde angestimmt und sein Gesicht wurde neben der Original-Basslinie des verstorbenen Musikers eingeblendet, der so über Apocalyptica wachte. Am Ende waren nur noch sein Bild und der Cellist Paavo Lötjönen im Licht. Das war einer dieser besonderen Momente.

Es ist ein Abend von Fans für Fans, das merkte man auch, als Eicca Toppinen The Four Horsemen ansagte. Wenn Apocalyptica Songs von Metallica spielen, dann sind sie nicht daran interessiert, die Songs zu kopieren, sondern den Originalen neue Elemente hinzuzufügen, was Sinn ergibt, denn die Musiker spielen auch Celli und keine klassischen Instrumente. Jedenfalls haben sie sich zusammengesetzt und überlegt: Welche Songs würden sie cool finden und welche würden cool klingen? The Four Horsemen war wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Die Basslinien und Hooklines zündeten sofort und ja, das Publikum im Schlachthof konnte das bestätigen.

Es gibt zwei Songs, die an einem Metallica-Abend einfach nicht fehlen dürfen. Als erstes erklang Nothing else matters – ich bekomme Gänsehaut – wenn ich nur daran denke. Denn die Celli unterstrichenen die Melodie mit solch einer Sanftheit und als der Fanchor den Refrain anstimmte, konnte man nur noch die Augen schließen und sich, wie so viele andere, mitreißen lassen. Es ist eben einer dieser Songs, die Bands zu Legenden machen.

Mit Master of Puppets, das im Refrain ebenfalls von den Fans gesungen wurde, endete der erste offizielle Teil der Show. Eine kurze Pause wurde eingelegt, bevor die Cellisten, einer nach dem anderen, mit Klappstühlen auf das Podium stiegen und das Geräusch halbautomatischer Gewehre einsetzte. Ein weiterer Song, der meiner Meinung nach auf keinem Konzert fehlen darf und den ich als Meisterwerk bezeichne, egal ob von Metallica oder Apocalyptica.

Es ist One. Im Hintergrund war die Stimme von James Hettfield zu hören, der den Song für Apocalyptica nicht gesungen, sondern gesprochen hat. Dazu erschienen auf der Leinwand die Musiker bzw. Gesichter und darüber wurden Textpassagen von One eingeblendet. Nach dem Lied entschuldigte sich Eicca Toppinnen, dass es ihrem Bandkollegen nicht so gut ging, versprach aber, dass es bestimmt noch ein Konzert geben würde, denn Metallica hätten noch viele Songs und die Band hätte auch nach 10 Studioalben noch nicht genug. Also freuen wir uns auf das nächste Konzert mit dem Trio und hoffen auf viele weitere Songs von Metallica und auch Eigenkompositionen.

Setlist:

The Ecstasy of Gold // Ride the Lightning // Enter Sandmann // Creeping Death // Bells // Battery // Call of Ktulu // St. Anger // The Four Horsemen // Blackened // Nothing Else Matters // Master of Puppets // One

Bericht: Andrea
Bilder: Patrick Süß

Mehr von Apocalyptica und The Raven Age bei Dark-Art findet ihr hier:

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