
Kennt eigentlich noch irgendjemand the New Wave of British Heavy Metal? Ist das nicht so ein Genre, was schon lange tot ist und alle, die das noch hören, sind Alte, die sich dadurch an ihre Jugend erinnert fühlen? Natürlich nicht und natürlich kennt man das noch, denn mit King Diamond und Angel Witch fanden sich Urgesteine der NWoBHM im Wiesbadener Schlachthof ein und das Publikum war deutlich jünger als erwartet. Garniert mit etwas Doom und Gothic von Paradise Lost sollte das ein toller Abend werden, der leider etwas Startschwierigkeiten hatte.
Angel Witch
Das Licht wurde gedimmt, Angel Witch betraten die Bühne und legten direkt los. Die Urgesteine der New Wave of British Heavy Metal waren die älteste Band des Abends, was man vor allem Sänger Kevin Heybourne anmerkte. Der Auftritt war recht schnörkellos und ohne Ansagen. Die Technik und Spielart an den Instrumenten war einwandfrei, aber die Stimme ließ einfach nicht mehr alles zu. Hohe Gesangsparts wurden tiefer gesungen oder einfach weggelassen, was dem Ganzen etwas die Energie raubte, die man aus dieser Musikrichtung gewöhnt ist.
Das Publikum musste erstmal warm werden, der Schlachthof sollte sich auch erst im Laufe des Abends richtig füllen. Jetzt waren noch sehr viele Lücken zu sehen. In den ersten Reihen wurde ein bisschen mitgesungen, ein paar Fäuste gereckt, aber erst gegen Ende des Auftritts kamen die Leute in Fahrt und bei der Bandhymne Angel Witch wurde „You’re an Angel Witch, You’re an Angel Witch“ wurde endlich laut mitgegrölt.
Insgesamt war der Auftritt okay, aber mit nur etwa 25 Minuten Spielzeit etwas zu kurz. Obwohl die Band auf fünf Studioalben zurückblicken kann, wurden nur fünf Songs vom Erstling Angel Witch aus 1980 gespielt. Angel Witch waren nicht schlecht, aber man sollte vielleicht selbst erkennen, wenn der Zenith überschritten ist.
Setlist: Atlantis // White Witch // Sorceress // Angel of Death // Angel Witch
Paradise Lost
Weiter ging es mit Paradise Lost. Gegründet 1988, waren sie die jüngste Band an diesem Abend und dabei sogar fast noch in Originalbesetzung. Die Steigerung zu Angel Witch war ab der ersten Sekunde spürbar: mehr „Rumms“, cooler. Die Menge war sofort dabei; es wurde mehr, lauter und vor allem textsicherer mitgesungen. Der Schlachthof war jetzt auch schon ein gutes Stück voller. Mehr Energie auf der Bühne bedeutet mehr Energie im Publikum. Auf ersterer gab es auch mehr Bewegung und Interaktion zwischen den Musikern und mit den Leuten in der Halle. So kamen sie der Aufforderung, mitzuklatschen, sofort nach oder klatschten einfach ohne Aufforderung.
Der Sound war sehr viel sauberer abgemischt als noch zuvor bei Angel Witch. Nick Holmes traute sich heute nicht, richtig reinzugrowlen, was aber dem gesamten Auftritt in keinster Weise einen Abbruch tat. Einzig die Lichtshow ließ zu wünschen übrig, denn die Bühne wurde über den kompletten Act in lila Licht getaucht. Drummer Jeff Singer verschwand dadurch im Schatten und war nur noch zu erahnen. Schade, wo er doch gerade im Mai erst wieder zur Band zurückgekehrt ist.
Die Ansagen beschränkten sich auf die Erwähnung des Bandnamens und die Ankündigungen von Songs, die aber immer mit lautem Jubel quittiert wurden. Also leider keine direkte Interaktion mit dem Publikum zwischen den Songs. Sie machten einfach ihr Ding, aber das dafür sehr gut.
Setlist: Enchantment // The Enemy // No Hope in Sight // Faith Divides Us – Death Unites Us // The Last Time // Ghosts // Embers Fire // Say Just Words
King Diamond
Mit etwa einer Stunde Umbaupause wurde das Publikum sehr auf die Folter gespannt, aber nachdem sich der Vorhang vor der Bühne gelüftet hatte, zeigte sich auch, warum. Ein riesiger Aufbau wurde sichtbar, mit drei Etagen voller Deko. Ein großes Gehirn in einem leuchtenden Glas stand neben Schlagzeuger Mikkey Dee auf der zweiten Etage. Das Geländer der dritten Ebene war mit Eiszapfen übersät. Auf den Bannern stand „Saint Lucifer’s Hospital 1920“. Eine Zellentür in der Mitte bildete einen der Zugänge auf die Bühne. Alles im Look einer alten heimgesuchten Irrensanstalt. Ein perfektes Setting für King Diamond.
Die Show begann mit einem weißen Sarg, auf dem der Name Abigail stand. Das Intro des gleichnamigen Albums, Funeral, erklang. King Diamond stand dahinter, mit einem Messer in der Hand, ermordete eine Puppe, packte sie in den Sarg und schob ihn beiseite. Nach A Mansion In Darkness wurde das neueste Bandmitglied vorgestellt: Hel Pyre, ihres Zeichens Bassistin bei Nervosa, unterstützt King Diamond bei hohen Tönen, die er nicht mehr so gut singen kann, und ergänzt die Band am Keyboard.
Die gesamte Band war in Top-Form, der Auftritt eine gut durchgeplante, saubere Show. Immer gab es etwas zu sehen, immer passierte irgendetwas. Es wirkte teilweise wie eine Oper, ergänzt durch gesprochene Passagen vom Band. Jeder war immer genau an der Stelle, an der er sein musste, aber mit genug Freiraum, sodass es nicht zu gestellt wirkte. Hohe Passagen wurden nicht ausgelassen und es herrschte viel Bewegung auf der Bühne. Immer wieder gab es kleine Show-Einlagen, wie etwa eine Geisterfrau, die in einem weißen Kleid über die Bühne tanzte, oder eine Voodoo-Priesterin mitsamt Voodoo-Puppe zu Voodoo.
Puppen, Geister, Experimente und alles, was zu einer gruseligen Irrenanstalt dazugehört, vervollständigten das Bühnenbild und der gesamte Bühnenaufbau wurde ausgenutzt. Die Gitarristen und der Bassist spielten teilweise auf der Treppe, King Diamond sang manchmal von ganz oben. Aber es gab nicht nur eine durchgeplante Show, sondern auch spontane Publikumsinteraktionen. Das machte alles etwas natürlicher. So wurde beispielsweise auf reingerufene Kommentare eingegangen.
Mit Spider Lilly gab es sogar den neuesten Song der Band zu hören, aus Dezember 2024. Dazu gibt es auch ein Musikvideo, aber auf die Nachfrage, ob dieses jemand gesehen habe, kam kaum eine Reaktion. Also gab es eine Schelte: „You don’t give a fuck about this Bands Videos???“. Auch der mangelnde Enthusiasmus wurde kritisiert, als Eye of the Witch angekündigt wurde und die Menge musste noch einmal lauter jubeln.
Es war nach eigener Aussage das erste Mal in Wiesbaden für diese Band, sie bedankte sich bei allen Anwesenden in der Halle und nannte sie großartig, der vorangegangen Rüge zu Trotz. Natürlich gab es noch eine Zugabe. Um zu entscheiden, was gespielt werden sollte, wurde ein Zettel ins Publikum geworfen, auf dem zwei Songs standen. Für einen musste sich die Person, bei der der Zettel landete, entscheiden. Einer davon war angeblich ein Outro. Die Wahl fiel natürlich auf Abigail. Mit Insanity gab es noch einen zweiten Zugabesong, aber dann war das Erlebnis auch schon vorbei. Plektren und Sticks wurden geworfen, Setlisten verteilt und zum Abschied noch einmal gewunken.
Kind Diamond ist ein Erlebnis. Die gesamte Show war sowohl technisch als auch emotional einfach großartig. Alles stimmte, alles war genau so, wie es sein sollte. Das Alter merkte man den Musikern hier kaum an, obwohl King Diamond selbst, wie auch die Bandmitglieder, alle keine jungen Hüpfer mehr sind. An keiner Stelle hatte man das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Ein tolles Konzert und eine tolle Show gingen zu Ende, aber wenn man den Aussagen des Kings glauben mag, darf man hoffen. Ein Album sei gerade in Produktion und es sollen noch weitere Alben folgen. Dazu dann jeweils auch nochmal eine Show. Wir freuen uns sehr darauf.
Setlist: Funeral // Arrival // A Mansion In Darkness // Halloween // Voodoo // Them // Spider Lilly // Two Little Girls // Sleepless Nights // Out From The Asylum // Welcome Home // The Invisible Guests // The Candle // Masquerade of Madness // Eye of the Witch // Burn
Zugabe: Abigail // Insanity
Bericht & Bilder: Eric
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