Festivalbericht M’era Luna 2023 – Samstag

Samstag, der 12. August 2023. Der erste offizielle Tag des M’era Luna Festivals stand für uns ganz im Zeichen der Musik. Es spielten am Samstag 21 Bands abwechselnd auf der Main Stage und der Club Stage. Dabei war die Running Order so dicht gepackt, dass es leider Überschneidungen zwischen den Bands gab. Dennoch haben wir es uns nicht nehmen lassen, alle Bands zu fotografieren und in fast alle mal hereinzuschauen.

Den Start machte um 11.00 Uhr auf der Main Stage Antiage, einer der Gewinner des Newcomer Contest. Die dreiköpfige Formation aus Thüringen existiert seit 2019 und kommt mit leichtem Elektro-Pop daher, der eingängig das Publikum vor die Bühne zog und begeistert aufgenommen wurde. Während andere Bands auf leicht bekleidete Tänzerinnen setzen, standen hier zwei Hasen, die dem Sänger Kaa Soleil aus dem Mantel halfen. Die schwarzen Rosen, mit denen die Hasen tanzten, fanden dann auch einen Weg ins Publikum.

Nun standen aber auch schon Intent:Outtake auf der Club Stage bereit. Auf den ersten Blick bestachen sie durch ihre Schrottplatzbühnendekoration, aber natürlich hauptsächlich durch ihre Performance. Ihre Einflüsse sind unüberhörbar im Industrial und Future-Pop zu finden, die Texte sind durchaus sozialkritisch und hinhören lohnt sich auf jeden Fall, das fand auch die beachtliche Menge vor der Bühne, die den Auftritt ordentlich feierte. Auch dort gab es eine extra Tanzeinlage, diesmal ein gemischtes Doppel, die mit Fahnen Einzug hielten. Der Sänger Bastian ließ es sich auch nicht nehmen, von der Bühne runter an die Absperrung zu gehen und den Fankontakt zu genießen.

Versus Goliath, die mit Industrial-Metal und einer gehörigen Prise Gesellschaftskritik daherkommen, scheuen nicht vor Stilbrüchen zurück, so fand auch die ein oder andere Rapeinlage in den Songs Platz. Dafür, dass sie eine ihrer ersten Shows seit der Pandemie spielten, wussten sie genau, was sie tun, so hatten sie die Leute vor der Bühne im Handumdrehen von sich überzeugt.

Als Nächstes standen aber auch schon A Projection in den Startlöchern und betörten mit ihrem Klangbild aus typischen 80er-Synthesizer-Sound. Obwohl 2013 in Stockholm gegründet, wirken sie, als hätten sie schon zu Beginn der Post-Punk-Ära existiert, dementsprechend gut kamen sie beim Publikum auch an. Der leicht einsetzende Regen tat der Stimmung keinen Abbruch, da die Feierlaune überwog.

Auf der Main-Stage machten sich Rave the Requiem bereit. Doch bevor sie anfingen, schockten sie erst einmal die Zuschauer, die sich schon vor der Spielstätte drängten. Einige dachten, sie würden bereits loslegen und plötzlich war es ruhig, sodass es wirkte, als wäre der Strom komplett weg, aber es war nur das Ende des Soundchecks. Dann ging es wirklich los, leider auch der Regen, was die Besucher aber nicht weiter störte. Nachdem die Schweden im Oktober ein neues Album herausbringen, das auf den Namen Ex-Eden hört, gab es die Single-Auskopplung Doombreaker auf die Ohren, die vom Publikum sehr gut angenommen wurde. Auch sonst wurde ordentlich mitgesungen und mit geklatscht. Immer wieder waren Hände in der Luft und aus dem Regen wurde sehr schnell wieder Sonne.

Bei der nächsten Band wurde es dann das erste Mal am Tag richtig metallisch, Wisborg spielten auf der Club-Stage ihren Dark-Gothik-Rock dem sie seit ihrer Gründung im Jahre 2017 treu geblieben sind. Dem ein oder anderen Lord of the Lost Fan sind sie durchaus bekannt, da sie LotL schon als Vorband auf Tour begleitet haben. Sie fanden es wundervoll auf dem M’era Luna auftreten zu dürfen und waren etwas erstaunt, über die Menge der Menschen die sich vor der Bühne eingefunden hatte. Die ständige Bewegung, die bei Wisborg zu sehen war, übertrug sich eins zu eins auf die Zuhörer und es wurde sehr viel getanzt.

Dann verfielen die Menschen scharenweise der Tanzwut. Als gern gesehener Gast auf dem M’era Luna, schaffen sie es auch nach über 25 Jahren Bandgeschichte, die Menschen immer wieder aufs neue zu begeistern. Und wie die Puppenspieler, spielten sie mit dem Publikum, welches nur darauf wartete, den Anweisungen wie klatschen oder singen bereitwillig zu folgen. Bei Bis zum Meer war die Menge vor der Bühne bis weit hinter dem Soundturm ein riesiges wogendes Meer aus Händen. 25 Jahre Tanzwut muss man einfach gebührend feiern, deswegen wurde auch ordentlich Werbung für die im Herbst anstehende Tour zum Jubiläumsalbum Silberne Hochzeit gemacht, dort wird es auch die Zugabe geben, die an diesem Tag leider fehlte.

Jetzt wurde es wieder elektronisch und die belgische Formation, die seit 1979 bis 1985 und von 2005 bis heute mit ihrem Schaffen die Clubszene bereichern, Absolute Body Control, legten los. Ganz dem EBM, Synthpop und Industrial verschrieben, brachten sie mit stampfenden Beats und eingängigen Melodien die Besucher zum Tanzen.

Natürlich darf auf einem Festival der schwarzen Szene auch die sogenannte Neue Deutsche Härte nicht fehlen, heute in Form von Megaherz. Als Erstes folgte die Bitte, dass doch alle die Hände nach oben nehmen sollten. Sie bedankten sich für die Einladung und hätten voll Bock zu spielen und die Zuhörer hoffentlich mitzumachen und die Show zu genießen. Seit Freitag stand ihr neuer Longplayer In Teufels Namen in den Regalen und sie spielten etwas von der Scheibe. Zwischendurch begann es wieder heftig zu regnen, aber wenn man einen Auftritt von Megaherz anschaut, flüchtet man nicht bei Regen, sondern man will Miststück hören, obwohl das Publikum mindestens so textsicher, wie der Sänger Lex, ist. Der ließ erst die Männer, dann die Frauen und zum Schluss alle zusammen singen, so tönte lauthals der Refrain über das Rollfeld.

Nach einer kleinen Prise NDH gab es eine Ladung Industrial-Metal, Rabia Sorda, das Nebenprojekt von Erik Garcia (aka Erk Aicrag) dem Sänger von Hocico, bedient die Fans der härteren Gangart. Er erweckte den Eindruck, als schrie er seine Wut auf die Welt ins Mikrofon, während er mit einer Energie über die Bühne fegte, die ungebremst ins Publikum überging. Eindeutig einer der stärkeren Acts an diesem Tag auf der Club Stage. Bei einzelnen Songs kam zur Unterstützung des Drummers, eine Drummerin dazu und vor der Bühne stand niemand still und es wirkte wie eine einzige Bewegung.

Nun folgt ein Gastbeitrag unsere Dark-Art Schreiberin Andrea, die sich diesen Auftritt im Live-Stream ansah.

Bei Sonnenschein versammelte sich die schwarze Gemeinschaft, um einer weiteren Institution in der Gothic-Szene an diesen Tag zu lauschen. Diary of Dreams, die markante Stimme von Adrian Hates und den Mix aus Synti-Pop und Gothic-Rock traf immer wieder den Geschmack des Puplikums und so wurde auf der Bühne und im Publikum gefeiert. So startete die Band ohne großes Intro mit Viva la bestia in den Tag. Der Song begann doch sehr ruhig, um dann in der Mitte des Liedes an Tempo zu gewinnen. Felix Wunderer, in silbernen Anzug, am Keyboard und der Gesang von Adrian Hates nahmen sofort alle Zuschauer in ihren Bann. Trotz allem hat auch Schlagzeuger Dejan und Gitarrist Hilger Tidel ihre Momente und gingen in der Musik richtig auf.
Mit Epicon kam Keyboarder Felix Wunderer mit tragbaren Keyboard nach vorne an die Bühne. Synthi-Sounds, eher sphärisch als treibend, unterstützten das Gitarrenspiel von Hilger Tintel und den Gesang von Adrian Hates. Durch die Symbiose von Synthi-Sound, Gitarrensound und treibenden Drums wurde das Publikum komplett abgeholt. Der kurze Auftritt bestand aus einem guten Mix von Songs aus der Bandgeschichte. Beim letzten Lied Traumtänzer wurde Adrian Hates nur vom Klavier begleitet. Das Publikum stand mucksmäuschenstill und lauschte jedem Ton und sang textsicher den Refrain mit. Gänsehaut pur! Zusammen mit dem Publikum wurde das Konzert beendet.

Nach den ruhigeren Tönen wurde es wieder flotter. Girls Under Glass, die für die leider ausgefallenen The Cassandra Complex eingesprungen sind, übernahmen die Club-Stage. In viel Nebel gehüllt, betraten sie die selbige. Ein kleiner Fakt am Rande, der Gitarrist und Sänger Volker Zacharias ist auch als Sänger bei The Cassandra Complex. 1986 gegründet, zählen sie zu den Größen, welche die Gothic-Szene mitgeprägt haben. In den ersten Schaffensjahren sehr dem Gothic-Rock und dem Dark-Wave zugetan, kamen ab Mitte der 90ziger auch Rock, Metal und Crossover Einflüsse dazu. Auch wenn sie als Ersatz kamen, erfreuten sie sich großer Beliebtheit und sehr viele Leute hatten sich versammelt. In Kombination mit dem Nebel wurden Seifenblasen auf die Bühne gepustet, was zur Folge hatte, dass mit Nebel gefüllte Seifenblasen umherflogen, was einfach wunderschön anzusehen war.

L’Âme Immortelle, die unsterbliche Seele, waren dieses Jahr auch mal wieder zu Gast auf dem M’era Luna. Zuerst ist nur Sonja Kraushofer bei Dem Abgrund entgegen auf der Bühne, bevor auch Thomas Rainer hinzukam. Überall im Publikum sangen die Leute mit und hingen an den Lippen von Sonja und Thomas. Das charismatische Zusammenspiel der Beiden, zog jeden in den Bann, so wunderte es nicht, dass sie nach jedem Song bejubelt wurden. Für diesen Auftritt wurde eine Mischung aus mehreren alten Stücken gewählt, sodass Thomas sowohl guttural als auch clean singend zu hören ist und somit die volle Bandbreite seiner Stimme zum Tragen kam. Was an diesem Tag zum Glück nicht fehlte, war Bitterkeit, was die Zuhörer natürlich sehr begeisterte. So wurde lautstark mitgesungen und mit tosendem Applaus belohnt.

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Als Neuroticfish die Bühne betraten, zog sich der Himmel zu und Wind kam auf, eine Seitenplane der Bühne löste sich und wurde zur riesigen Flagge, was sich glücklicherweise nicht negativ auf den Auftritt auswirkte. Der Nebel wehte von der Bühne ins Publikum und Sänger Sascha wünschte ein Herzliches Willkommen und dass der letzte Auftritt doch ein paar Jahre zurücklag. Vielleicht gerade deswegen, kammen sie besonders gut an und die Leute waren am Feiern und tanzen.

Aufgrund technischer Probleme kam es zu einer kleinen Verzögerung bei Joachim Witt. Er startete mit Das geht Tief, einem Song seines Album Bayreuth 1, nach seiner Karriere in der großen NDW-Ära, sein erstes Gothic-Album, obwohl es tatsächlich sein 8. Studioalbum war. Den Zuhörern gefiel es sichtlich. Es folgte ein kleines Medley des Albums. Danach ging er auf sein Bühnenoutfit ein, nachdem sein Sakko und sein Hemd tatsächlich aus dem Jahr 1998 war, dem Jahr der Veröffentlichung. Durch die kürzere Spielzeit hielten sich seine Zwischenansagen sehr kurz, er betonte mehrfach, sie hätten keine Zeit. Dennoch ließ er es sich nicht nehmen, Peter Heppner auf die Bühne zu holen, um zusammen Die Flut zu singen. Obwohl am 15.09.2023 sein neues Album Der Fels in der Brandung erscheinen wird, gab es von diesem Album noch nichts zu hören, also darf man gespannt bleiben. Aber natürlich darf ein Song nie fehlen, wenn Witt auf der Bühne steht, so fand der Auftritt mit Der Goldene Reiter gesungen mit dem Publikum seinen Abschluss.

Amduscia, die aus Mexico-Stadt stammen, sind Vertreter des Aggrotech, haben aber einen starken Trance Einfluss, was sie dadurch von anderen Bands dieses Genres eindeutig unterscheidet. So bringen sie einen extrem tanzbaren Sound auf die Bühne, der beim Publikum richtig gut ankam. Der Bandname ist von dem Begriff Amdukias abgeleitet, der aus der mittelalterlichen Dämonologie stammt.

Auf der Main-Stage war nun die Zeit für Project Pitchfork. Ein sichtlich gut gelaunter Peter Spilles kam auf die Bühne, dieses Mal mit zwei Schlagzeugern und einem Keyboarder. 1989 gegründet, zählt die Band in der Szene zu den alten Hasen. So wunderte es nicht, dass sie ihr Set mit dem 30 Jahre alten Song Souls begannen und somit das Publikum, ab dem ersten Ton, in der Hand hatten. Bei KNKA springt Peter Spilles so agil über die Spielfläche, dass man sich kurz in das 2000 zum ersten M’era Luna zurückversetzt fühlt, auf dem Project Pitchfork auch zu Gast waren. Er bedankte sich, das sie wieder da sein durften. Bei Rain, obwohl die Bitte kam, so laut wie möglich zu sein, um den Regen zu verjagen, setzte, wie sollte es anders sein, Regen ein. Aber das störte niemand der Anwesenden und vielleicht sorgt gerade dieses kleine Detail dafür, dass es einer der unvergessenen Auftritte dieser Band bleibt. Zum Abschluss setzte lauter Applaus, unterbrochen von vielen Rufen, ein und dann war es leider vorbei.

Nun war auf der anderen Bühne Solar Fake dran, viele Menschen stürmten Richtung Club-Stage, die vorher noch Project Pitchfork gelauscht hatten, waren doch beide Bands auch schon zusammen auf Tour. Sven Friedrich, der Sänger ist nicht gerade unbekannt in der schwarzen Szene, ist er doch auch der Sänger von Zeraphine und ehemals auch von Dreadful Shadows. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass ganz viele Leute dem Auftritt folgten und Solar Fake richtig feierten. So sah man sehr viel Bewegung, denn es wurde sehr viel zu den eingängigen Songs getanzt.

Nach so viel elektronischer Musik ging es nun zum Mittelalter-Rock. In Extremo stürmten die Main Stage und eröffneten den Auftritt mit einem großen Knall. Auch war das erste Mal an diesem Tag Pyrotechnik im Einsatz, was sehr begrüßt wurde, nachdem die Temperaturen so langsam fielen und es deutlich kühler wurde. Sie spielten einen Mix aus ihrer fast 30 jährigen Bandgeschichte, natürlich durfte auch die im Juni veröffentliche Single Weckt die Toten nicht fehlen. Vor der Bühne drängten sich dicht an dicht die Besucher und feierten jeden einzelnen Song, den In Extremo auf die Bühne brachten. Mit Spielmannsfluch, der aus unendlich vielen Kehlen mitgesungen wurde, endete das Set.

Auf der Club-Stage spielte abschließend die vorletzte Band Mesh, die für die ausgefallenen London After Midnight eingesprungen sind. Gehüllt in grünem Nebel, legten sie sofort los. Die Engländer waren schon mehrfach zu Gast auf dem M’era Luna und vor der Bühne war es sehr voll. Mit energiegeladenem Synthie-Pop konnten sie einfach überzeugen und die Leute waren am Tanzen. Natürlich spielten sie ihren vermutlich bekanntesten Song It scares me, der besonders gut ankam und vor der Bühne waren alle Arme in der Luft. Damit ging der Auftritt auch zu Ende.

Die letzte Band des Tages war ein heiß erwartetes Highlight, Ville Valo, der um die Jahrtausendwende mit seiner Band HIM, weit über die Szenegrenzen hinaus Bekanntheit erworben hat. Nach der Auflösung von HIM 2017 war es etwas ruhiger um den Sänger, aber nun ist er mit einem neuen Album Neon Noir wieder zurück. Der immer noch charismatische Sänger mit der Samtstimme schafft es immer noch spielend den Platz vor der Bühne zu füllen und die Zahl seiner Fans stetig zu erhöhen. Wenn man ihn unbedingt in eine Schublade stecken möchte, sollte man die mit der Aufschrift Dark-Soft-Rock wählen, obwohl die Musik von elektronischen und härteren Gitarrensounds gespickt ist. Natürlich ließ er sich es nicht nehmen, seinen weltweit größten Hit Join Me (in Death) zu performen, dass dieser immer noch sehr gut ankommt, war bei den tausenden Kehlen, die den Refrain mitsangen, wohl kaum zu überhören. Auch nach über 20 Jahren kann man sich diesem Song, genauso wie dem immer noch charismatischem Sänger nur schlecht entziehen. So kann man durchaus sagen, dass dieser Auftritt ein krönender Abschluss des Tages war.

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