Samstag
Die erste Band des zweiten Höhlentages war Dold Vorde Ens Navn aus Oslo, die sich erst 2019 neu gründete, mit Musikern aus unter anderem Dødheimsgard. Selten hat man bei einem Auftritt in Relation zur Größe des Festivals schon um 12 Uhr so viel Motivation und Andrang gesehen. Soundtechnisch einwandfrei, spielten sie impulsiven Black Metal, gepaart mit cleanen Passagen, kombiniert im Old-School-Stil und modernen Elementen. Besonders Sänger Vicotnik, der unter anderem auch für Bass und Gesang bei Strid zuständig ist, legte einen sehr leidenschaftlichen Auftritt hin, mit grandiosem und vielfältigem Gesang merkte man ihm den Spaß an. Im Laufe wird seine Performance nochmal emotionaler, nicht kitschig, sondern authentisch; schlicht Wahnsinn. In Bezug auf die Uhrzeit waren Dold Vorde Ens Navn ein eher „verstecktes“ und doch besonderes Highlight diesen Jahres.
In Hemden und Anzügen folgten sodann A Forest of Stars mit einem langatmigen Aufbau, bis es dann losbrach; atmosphärischer Post-Black Metal mit starkem Riffing und Einsatz der Geige. Auch hier zeigte sich ein extremer und guter Frontmann, dessen Gesang in Teilen von manchen sicherlich als ‚Gejammer‘ bezeichnet werden könnte, aber in der Extreme des Kreischens eine starke, positiv merkwürdige Stimmung aufbaute, die in dieser Form recht einzigartig ist. Diese besagte Stimmung konnte auch von technischen Problemen nicht gedämpft werden, besonders nicht für solch eingespielte Musiker, sieben an der Zahl, denen die Überzeugung und Leidenschaft in jeder Bewegung angesehen werden konnte. Für den unwissenden, neuen Hörer, mag es teilweise schwierig gewesen sein, Songwechsel als solche zu erkennen. Was zum Fazit führt, dass die Show von A Forest of Stars definitiv in Komposition und Darstellung als Gesamtkunstwerk bezeichnet werden könnte.
Mit der dänischen Black/Death/Doom-Band Saturnus sahen die Besucher eine Gruppe, die es auch schon seit spätestens Mitte der Neunziger gibt und mit ihrem Namen für großartige Musik ihres Genres stehen. Dementsprechend sahen wir eine starke Gesamtleistung, einwandfreie Musiker und ein besonders guter Sound, mit sehr sympathischem Auftreten zwischen den Songs. Vor allem die Melodik in Teilen des Auftritts fügte sich sehr schön ins Umfeld der Höhle ein und konnten trotz der Härte nach den vorherigen Bands den Geist etwas runterfahren lassen, was wieder für eine gute Aufteilung spricht. Eine einfache und passende Show, mit dem Fokus auf reines Zusammenspiel aus Doom- und Black-Elementen, aber auch Momenten, die gleichermaßen zu einigen Melodic Death Metal-Bands passen würden.
Auch am Samstag musste nicht alles Gute Metal sein, auch die Neoklassik war vertreten, in diesem Falle durch Camerate Mediolanense aus Mailand, wie der Name schon sagt, die es ebenso schon seit 1994 gibt. Die Stimmung und Atmosphäre wurde hier doch etwas andächtiger durch das italienische Gesangsduo, Klavier und Perkussion. Der weibliche, operngleiche Klargesang, besonders in Kombination, stellte sich sehr ausdrucksstark dar und fügte sich auch mit männlicher Stimme und den Instrumenten schön zusammen, um das Konzept ihrer Musik auszuführen. Hier entstand durch diese Gruppe und ihre druckvollen Stücke für viele Besucher sicherlich eine neue Sichtweise über Genregrenzen hinweg, die jedoch trotzdem allemal für die Vielfalt bei Prophecy spricht, welche das Label und die Künstler so interessant macht.
Das gesamte Festival betrachtend stellten auch die Briten von Antimatter einen gewissen Bruch in den musikalischen Stil des Tages, zugunsten der besagten Vielfalt und Abwechslung. In die Richtung des Alternative, beziehungsweise Dark Rock gehend, maßgeblich geprägt von Gründer Duncan Patterson (ex-Anathema), stellte sich die Musik, wie auch auf den Platten, recht melancholisch und nachdenklich dar. Mit dem aber doch recht poppigen Sound war es jedoch nicht unbedingt das größte Highlight für jene, die sich vor allem auf die Bands aus dem Black Metal-Bereich gefreut haben, bot aber, wie gesagt, auch einen gewissen neuen Einblick in andere Richtungen. Besonders anzumerken sei noch, dass der Bassist trotz augenscheinlich sehr jungen Alters eine saubere Show abgeliefert hat.
Im Anschluss wurde es Zeit für einen sehr besonderen Auftritt. Nach der Show in Alba Iulia, Rumänien, kamen Austere auch in die Höhle nach Balve. Und die Australier sind ebenso alte Bekannte; neben Gitarrist und Sänger Mitchell Keepin ist nämlich auch Tim Yatras, der hier Schlagzeug spielte und seine markanten, alles durchdringende Schreie zeigte, verantwortlich für die Musik. Ihn kennen Prophecy-Anhänger hauptsächlich von Germ, womit er schon 2016 einmal hier aufgetreten war, oder auch als Schlagzeuger und Sänger von Woods of Desolations 2011er Album Torn Beyond Reason. Mit auf der Bühne waren die ebenso bekannten Paolo Bruno (u.a. Thy Light) am Bass und David ‚Eklatanz‘ Conrad (u.a. Heretoir, Dornenreich) an der Gitarre. Der Vorplatz der Höhle zeigte sich zu dieser Zeit sehr einsam, vielen Besuchern und Fans waren die Emotionen stark anzusehen, diese Klänge des Depressive Black Metal live zu hören, war für viele sicherlich ein ganz besonderer Moment, was ich beispielhaft daran zeigte, wie die halbe Crowd die Schreie im Break von Just for a Moment… unterstützte. Das ein oder andere Auge konnte hier schon etwas feucht werden, und das sagt eigentlich schon alles über diesen Programmpunkt aus.
Danach gab es wieder die Möglichkeit zur Beruhigung, zumindest was die instrumentale Untermalung anging; Darkher aus England um Frontfrau Jayn zeigten auf, wie auf unterschiedlichste Weise tiefe Dunkelheit und Melancholie in musikalische Bilder gezeichnet werden können. Mit sehr sphärischer Grundlage, mit Elementen aus Doom und Gothic, ließe sich dieser Auftritt als eine Eintrittskarte in Dunkel- und Schönheit zugleich, verträumt anregend und doch erschreckend bezeichnen. Wahrlich den Geist entführt und in Trance versetzt wurden hier einige, so ausdrucksstark ist die Musik. Für jene, die sich weniger darunter vorstellen können, sei gesagt, dass es stiltechnisch sehr in die Richtung von Chelsea Wolfe geht, was die Eigenständigkeit von Darkher jedoch nicht schmälert. Wie bei vielen Bands muss die Offenheit einfach da sein; wer Musik auch als Meditation wahrnehmen möchte, der war hier komplett richtig und so lohnt sich jeder Besuch dieser Gruppe.
Ähnlich wie Arthur Brown vom Vortag, wurde mit der US-Amerikanischen Rock-Band Coven ein alter Name auf die Bühne gebracht. Immerhin haben diese Musiker auch schon 1967 angefangen und zeichneten sich mit interessantem Image aus. Eine Spur weniger hart und doch am ehesten vergleichbar sind sie mit den alten Black Sabbath, von daher hatten hier besonders die älteren Rock- und Heavy Metal-Fans ihren Spaß, wobei diese Art der Musik die meisten Besucher ansprechen konnte. Auch hier ist nichts an Altersschwäche zu sehen, im Gegenteil, wir sahen einen Auftritt mit viel Überzeugung. Von daher war es sicherlich für viele ein besonderer Moment, diese Band live sehen zu können. Die Stimmung jedenfalls hat sie bestätigt und einen weiteren einzigartigen Auftritt auf dem Prophecy Fest geliefert.
Irgendwann muss jedes Festival enden und auch wenn es auf dem Prophecy Fest keine Headliner im klassischen Sinne gibt, war es von Anfang an mehr als offensichtlich, wer den diesjährigen Abschluss machen würde. Der zweite Auftritt von Markus Stock, „die“ Band von Prophecy Productions, die Band mit dem alles begann; Empyrium mit einem speziellen Set, in dem das komplette 1997er Album Songs of Moors and Misty Fields gespielt wurde. Anhängern des Labels wird man es nicht erklären müssen, für alle anderen könnte man es als Neofolk-Metal bezeichnen, wobei infrage gestellt werden könnte, ob Empyrium überhaupt eine Genrebezeichnung nötig hat. Besonders dieses Album versprüht, ähnlich stark wie der massive Nebel während des Auftritts, eine Atmosphäre, die gemäß dem Titel zum träumerischen Wandern durch Natur, Wälder und eben nebelgetränkte Felder einlädt. Es spricht für Stocks Talent für Kompositionen, sei bedacht, dass er dieses Album mit nur 21 Jahren geschrieben hat. Live wurde das Album, selbst für die hohen Erwartungen an Empyrium, sehr gut umgesetzt, ohne auch nur einen Hauch der Emotion auf Platte zu verlieren. Das lag unter anderem auch an den großartigen Mitmusikern, allen voran Eviga von Dornenreich und Fursy Teyssier von Les Discrets. Ein wunderschöner Auftritt und ein besonderer Abschluss für ein weiteres Prophecy Fest in der Balver Höhle, dass sicher vielen noch lange im Gedächtnis bleiben wird, vor allem jenen, die zum ersten Mal dabei sein konnten.
Fazit:
Die Ansprüche sind doch recht hoch ans Prophecy Fest, das immer wieder mit besonderen Auftritten locken kann. Auch dieses Jahr wurden diese Erwartungen mehr als erfüllt, auch nach dem letztjährigen 25. Jubiläum hat es seinen Reiz, seine Kraft und seine Umsetzung nicht verloren. Hier kommen viele Punkte zusammen; die einzigartige Location der Höhle, das Neuentdecken von vielen Bands, die man vielleicht in diesem Stil noch gar nicht auf dem Schirm hatte, das Erleben von bekannten und geliebten Bands und allem voran der „Klassentreffen“-Charakter, da sich hier doch immer wieder Stammgäste und -Mitarbeiter treffen. Wer recht kleine, ruhige und doch impulsive Festivals mag und vor allem gerne über den Tellerrand hinausschaut, dem sei das Prophecy Fest in aller Deutlichkeit wärmstens ans Herz zu legen. Wir dürfen gespannt sein, welche Bands im nächsten Jahr den Rahmen ausmachen werden.
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